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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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man erwidern, daß es zwei Arten des Aussatzes gebe, die eine sichtbar, die
andere aber nicht ein mal denen, die daran leiden bemerklich. Außerdem
heiße es ja auch allgemein, daß da, wo ein Cagot seinen Fuß hinsetze, das
Gras verweile, ein Umstand, der doch unzweifelhaft die unnatürliche und
krankhafte Hitze des Körpers bekunde. Ebenso könnten glaubwürdige und zu¬
verlässige Leute beweisen, daß ein Apfel, den ein Cagot in der Hand gehalten,
binnen kurzer Zeit ganz zusammenschrumpfe, als sei er verdorrt oder erfroren.
Noch entsetzlicher sei es aber, daß sie mit Schwänzen zur Welt kämen; es sei
dies Wohl bekannt, obgleich die Eltern dieselben sofort nach der Geburt ab¬
schnitten. Wäre dies nicht der Fall, weshalb sollten sich denn da die Kinder
der reinen Race damit ergötzen, den in ihre Arbeit vertieften Cagots Schwänze
von Schaafen an ihre Kleider zu heften? Dazu komme noch, daß der Geruch,
den sie verbreiteten, so unerträglich sei, daß sie ganz natürlich die ärgsten
Ketzer sein müßten, denn von dem Wohlgeruche der Heiligkeit und dem Weib-
rauche der guten Arbeiter spreche Jedermann." Glänzende Beweise! die aber
leider zur Folge hatte, daß die Stellung jener armen Menschen eine noch weit
schlechtere wurde, als bisher.

Der Papst beharrte bei seiner Bestimmung, daß die Cagots alle Rechte
und Privilegien der übrigen Christen genießen sollten, doch stillschweigend
verweigerten die spanischen Priester den Cagots diese Gleichstellung. Weder
im Leben, noch im Tode durften sie sich mit andern Menschen vermische".
Ebenso erging es den Verordnungen, die Kaiser Karl der Fünfte zu ihre"
Gunsten erließ: niemand befolgte sie; ja sie bewirkten sogar das Gegentheil
von dem, was sie bezweckten. Aus Rache nämlich und zur Strafe für die
unerhörte Frechheit, sich über ihre noch zu milde Behandlung beschwert zu
haben, nahmen ihnen die Ortsbehörden sämmtliches Werkzeug weg. so dal!
viele von ihnen Hungers starben; so verhungerte unter Andern ein alter Man"
mitsammt seiner Familie, da er nickt mehr fischen konnte.

(Schluß in nächster Nummer).




Der Nationalvcrein.

Mit herzlicher Freude, wenn auch nur in kurzen Worten, müssen wir der r
sten Versammlung des Nationalvercins gedenken; hauptsächlich wegen seines


man erwidern, daß es zwei Arten des Aussatzes gebe, die eine sichtbar, die
andere aber nicht ein mal denen, die daran leiden bemerklich. Außerdem
heiße es ja auch allgemein, daß da, wo ein Cagot seinen Fuß hinsetze, das
Gras verweile, ein Umstand, der doch unzweifelhaft die unnatürliche und
krankhafte Hitze des Körpers bekunde. Ebenso könnten glaubwürdige und zu¬
verlässige Leute beweisen, daß ein Apfel, den ein Cagot in der Hand gehalten,
binnen kurzer Zeit ganz zusammenschrumpfe, als sei er verdorrt oder erfroren.
Noch entsetzlicher sei es aber, daß sie mit Schwänzen zur Welt kämen; es sei
dies Wohl bekannt, obgleich die Eltern dieselben sofort nach der Geburt ab¬
schnitten. Wäre dies nicht der Fall, weshalb sollten sich denn da die Kinder
der reinen Race damit ergötzen, den in ihre Arbeit vertieften Cagots Schwänze
von Schaafen an ihre Kleider zu heften? Dazu komme noch, daß der Geruch,
den sie verbreiteten, so unerträglich sei, daß sie ganz natürlich die ärgsten
Ketzer sein müßten, denn von dem Wohlgeruche der Heiligkeit und dem Weib-
rauche der guten Arbeiter spreche Jedermann." Glänzende Beweise! die aber
leider zur Folge hatte, daß die Stellung jener armen Menschen eine noch weit
schlechtere wurde, als bisher.

Der Papst beharrte bei seiner Bestimmung, daß die Cagots alle Rechte
und Privilegien der übrigen Christen genießen sollten, doch stillschweigend
verweigerten die spanischen Priester den Cagots diese Gleichstellung. Weder
im Leben, noch im Tode durften sie sich mit andern Menschen vermische».
Ebenso erging es den Verordnungen, die Kaiser Karl der Fünfte zu ihre»
Gunsten erließ: niemand befolgte sie; ja sie bewirkten sogar das Gegentheil
von dem, was sie bezweckten. Aus Rache nämlich und zur Strafe für die
unerhörte Frechheit, sich über ihre noch zu milde Behandlung beschwert zu
haben, nahmen ihnen die Ortsbehörden sämmtliches Werkzeug weg. so dal!
viele von ihnen Hungers starben; so verhungerte unter Andern ein alter Man»
mitsammt seiner Familie, da er nickt mehr fischen konnte.

(Schluß in nächster Nummer).




Der Nationalvcrein.

Mit herzlicher Freude, wenn auch nur in kurzen Worten, müssen wir der r
sten Versammlung des Nationalvercins gedenken; hauptsächlich wegen seines


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/408>, abgerufen am 13.11.2024.