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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Unglücklichen lastenden Fluches nickt noch vermeinen wollten, waren der Meinung,
dies Vergeben nicht zu hart bestrafen zu dürfen. Der Gerichtshof von Tou¬
louse verurtheilte daher nur die bei dem Aufstande besonders gravirten Ca<
gotsanführer zum Tode, verordnete aber, noch immer hart genug, daß von
nun an die Cagots nur durch ein gewisses, Cagvt-Pourtet genanntes, Thor
die Stadt Lourdes betreten, stets unter den Dachrinnen weggehen und in der
^ Stadt sich weder niedersetzen, noch essen oder trinken durften. Durch den
furzen Aufenthalt in jeuer Stadt also, den ihnen diese Verordnung gestattete,
sollte jedes Zusammenkommen der Cagots mit den Einwohnern möglichst
vermieden werden. Verstieß ein Cagot gegen eine dieser Bestimmungen, so
sollten ihm zwei Stücken Fleisch, jedes nicht über zwei Unzen schwer, auf
beiden Seiten des Rückens ausgeschnitten werden.

Im vierzehnten, fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert galt es für
kein größeres Verbrechen einen Cagot zu tödten, als irgend ein schädliches
Threr zu vertilgen. So wird berichtet, daß sich etwa an's Jahr 1600 in
dem alten Schlosse in der Nähe der Stadt Maurefin, Departement Gerf,
"ein Cagotnest" gebildet habe. Ihren Ruf als Zauberer benutzten sie zur
Beunruhigung ihrer Nachbarn und zu ihrem eigenen Vortheil. Durch allen
nur möglichen Spuk setzten sie die Bewohner der Gegend in Schrecken, und
ärgerten sie noch dadurch, daß sie beharrlich aus deren Brunnen Wasser
schöpften. Da zu diesen Quälereien auch noch mancherlei kleine Diebstähle
kamen, die in der Umgegend fortwährend verübt wurden, so hielten sich die
Einwohner der umliegenden Städte und Dörfer für vollkommen berechtigt,
dieses Nest zu zerstören. Allein das Schloß war- mit einem tiefen Wasser¬
graben umgeben, über den als einziger Zugang eine Zugbrücke führte, und
die Cagots waren sehr auf ihrer Hut. Durch folgende List jedoch gelangte
man zum Zwecke. Ein Mann legte sich auf dem nach dem Schlosse führen¬
den Wege der Cagots nieder und stellte sich todtkrank. Die Cagots fände"
ihn, nahmen ihn mit sich in ihre Festung und glaubten durch seine Wieder'
Herstellung ihn sich zum Freunde gemacht zu haben. Eines Tages aber, "is
sie sämmtlich im Walde mit Kegelspielen sich vergnügten, verlieh ihr ver-
rätherischer Freund, großen Durst vorschützend, die Gesellschaft und eilte nach
dem Schlosse zurück. Dort angekommen, zog er die Brücke, nachdem er sie
passirt, auf. den Weg zur Rettung aus diese Weise ihnen abschneidend.
Hieraus begab er sich auf den höchsten Punkt des Schlosses und gab seine"
aus der Lauer liegenden Freunden durch einen Hornruf das verabredete Zeicke",
auf welches diese über die in ihr Spiel vertieften, nichts Böses ahnenden
Cagots herfielen und sie sämmtlich erschlugen. Die Thäter erlitten keinerlei
Strafe.'


Unglücklichen lastenden Fluches nickt noch vermeinen wollten, waren der Meinung,
dies Vergeben nicht zu hart bestrafen zu dürfen. Der Gerichtshof von Tou¬
louse verurtheilte daher nur die bei dem Aufstande besonders gravirten Ca<
gotsanführer zum Tode, verordnete aber, noch immer hart genug, daß von
nun an die Cagots nur durch ein gewisses, Cagvt-Pourtet genanntes, Thor
die Stadt Lourdes betreten, stets unter den Dachrinnen weggehen und in der
^ Stadt sich weder niedersetzen, noch essen oder trinken durften. Durch den
furzen Aufenthalt in jeuer Stadt also, den ihnen diese Verordnung gestattete,
sollte jedes Zusammenkommen der Cagots mit den Einwohnern möglichst
vermieden werden. Verstieß ein Cagot gegen eine dieser Bestimmungen, so
sollten ihm zwei Stücken Fleisch, jedes nicht über zwei Unzen schwer, auf
beiden Seiten des Rückens ausgeschnitten werden.

Im vierzehnten, fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert galt es für
kein größeres Verbrechen einen Cagot zu tödten, als irgend ein schädliches
Threr zu vertilgen. So wird berichtet, daß sich etwa an's Jahr 1600 in
dem alten Schlosse in der Nähe der Stadt Maurefin, Departement Gerf,
„ein Cagotnest" gebildet habe. Ihren Ruf als Zauberer benutzten sie zur
Beunruhigung ihrer Nachbarn und zu ihrem eigenen Vortheil. Durch allen
nur möglichen Spuk setzten sie die Bewohner der Gegend in Schrecken, und
ärgerten sie noch dadurch, daß sie beharrlich aus deren Brunnen Wasser
schöpften. Da zu diesen Quälereien auch noch mancherlei kleine Diebstähle
kamen, die in der Umgegend fortwährend verübt wurden, so hielten sich die
Einwohner der umliegenden Städte und Dörfer für vollkommen berechtigt,
dieses Nest zu zerstören. Allein das Schloß war- mit einem tiefen Wasser¬
graben umgeben, über den als einziger Zugang eine Zugbrücke führte, und
die Cagots waren sehr auf ihrer Hut. Durch folgende List jedoch gelangte
man zum Zwecke. Ein Mann legte sich auf dem nach dem Schlosse führen¬
den Wege der Cagots nieder und stellte sich todtkrank. Die Cagots fände»
ihn, nahmen ihn mit sich in ihre Festung und glaubten durch seine Wieder'
Herstellung ihn sich zum Freunde gemacht zu haben. Eines Tages aber, "is
sie sämmtlich im Walde mit Kegelspielen sich vergnügten, verlieh ihr ver-
rätherischer Freund, großen Durst vorschützend, die Gesellschaft und eilte nach
dem Schlosse zurück. Dort angekommen, zog er die Brücke, nachdem er sie
passirt, auf. den Weg zur Rettung aus diese Weise ihnen abschneidend.
Hieraus begab er sich auf den höchsten Punkt des Schlosses und gab seine«
aus der Lauer liegenden Freunden durch einen Hornruf das verabredete Zeicke»,
auf welches diese über die in ihr Spiel vertieften, nichts Böses ahnenden
Cagots herfielen und sie sämmtlich erschlugen. Die Thäter erlitten keinerlei
Strafe.'


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[0406] Unglücklichen lastenden Fluches nickt noch vermeinen wollten, waren der Meinung, dies Vergeben nicht zu hart bestrafen zu dürfen. Der Gerichtshof von Tou¬ louse verurtheilte daher nur die bei dem Aufstande besonders gravirten Ca< gotsanführer zum Tode, verordnete aber, noch immer hart genug, daß von nun an die Cagots nur durch ein gewisses, Cagvt-Pourtet genanntes, Thor die Stadt Lourdes betreten, stets unter den Dachrinnen weggehen und in der ^ Stadt sich weder niedersetzen, noch essen oder trinken durften. Durch den furzen Aufenthalt in jeuer Stadt also, den ihnen diese Verordnung gestattete, sollte jedes Zusammenkommen der Cagots mit den Einwohnern möglichst vermieden werden. Verstieß ein Cagot gegen eine dieser Bestimmungen, so sollten ihm zwei Stücken Fleisch, jedes nicht über zwei Unzen schwer, auf beiden Seiten des Rückens ausgeschnitten werden. Im vierzehnten, fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert galt es für kein größeres Verbrechen einen Cagot zu tödten, als irgend ein schädliches Threr zu vertilgen. So wird berichtet, daß sich etwa an's Jahr 1600 in dem alten Schlosse in der Nähe der Stadt Maurefin, Departement Gerf, „ein Cagotnest" gebildet habe. Ihren Ruf als Zauberer benutzten sie zur Beunruhigung ihrer Nachbarn und zu ihrem eigenen Vortheil. Durch allen nur möglichen Spuk setzten sie die Bewohner der Gegend in Schrecken, und ärgerten sie noch dadurch, daß sie beharrlich aus deren Brunnen Wasser schöpften. Da zu diesen Quälereien auch noch mancherlei kleine Diebstähle kamen, die in der Umgegend fortwährend verübt wurden, so hielten sich die Einwohner der umliegenden Städte und Dörfer für vollkommen berechtigt, dieses Nest zu zerstören. Allein das Schloß war- mit einem tiefen Wasser¬ graben umgeben, über den als einziger Zugang eine Zugbrücke führte, und die Cagots waren sehr auf ihrer Hut. Durch folgende List jedoch gelangte man zum Zwecke. Ein Mann legte sich auf dem nach dem Schlosse führen¬ den Wege der Cagots nieder und stellte sich todtkrank. Die Cagots fände» ihn, nahmen ihn mit sich in ihre Festung und glaubten durch seine Wieder' Herstellung ihn sich zum Freunde gemacht zu haben. Eines Tages aber, "is sie sämmtlich im Walde mit Kegelspielen sich vergnügten, verlieh ihr ver- rätherischer Freund, großen Durst vorschützend, die Gesellschaft und eilte nach dem Schlosse zurück. Dort angekommen, zog er die Brücke, nachdem er sie passirt, auf. den Weg zur Rettung aus diese Weise ihnen abschneidend. Hieraus begab er sich auf den höchsten Punkt des Schlosses und gab seine« aus der Lauer liegenden Freunden durch einen Hornruf das verabredete Zeicke», auf welches diese über die in ihr Spiel vertieften, nichts Böses ahnenden Cagots herfielen und sie sämmtlich erschlugen. Die Thäter erlitten keinerlei Strafe.'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/406>, abgerufen am 23.12.2024.