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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Richtung der neuen französischen Malerei. Wir sind auf diese Bilder näher
eingegangen, weil sie den Typus für eine ganze Klasse abgeben. Bezeichnet
die stehengebliebenen Ausläufer und die Nachfolger der alten Schule meistens
eine schlaffe Süße und Sentimentalität, ein Heller zierlicher Farbenton uno
eine überlieferte Eleganz der Haltung und Bewegung (Vauchelet in Saint-
Sulpice, Guichard und August Couder in Saint-Germain l'Auxcrrois,
Vinchon, die obengenannten Lenepvcu in Saint-Clotilde, Pichon und
Rinso inne in Saint-Severin): so suchen dagegen die Maier der neueren
Richtung auch in dein Mythenbild durch den heftig bewegten Wurf ihrer Ge¬
stalten, die derb herausspriugeizde Form, eine in die Wirklichkeit gleichsam ver¬
senkte Farbe und dieBravour der Ausführung sich hervorzuthun (voran Couture.
Jobbä Düvnlund Glaize in Saint-Severin, Pils in Saint-Eustache. Emil
Lafon in Saint-Sulpice). Da auch das monumentale Gemälde fast immer
Oel- oder Wachsbild, nnr ausnahmsweise Freske ist, liegt ihnen die Verfüh¬
rung des bloß malerischen Reizes und des vollen gesättigten Scheins der
Wirklichkeit um so näher.

Natürlich ist auch hier in den Darstellungen aus der Heiligcngeschichte
mehr Leben und wahre Empfindung; besonders so lange der Heilige, seine
irdische Laufbahn verfolgend, im Gewühl der Welt sich bewegt und noch nicht
in Verzückung geräth; hierzu brauchte sich der Maler in eine ausgelebte An-
schauuugsreisc nicht gewaltsam zurückzuversetzen. In dieser Beziehung sind
vornehmlich die Gemälde Alexander Hesse's in der Kirche Saint-Sulpice her¬
vorzuheben, welche Momente aus dem Leben des heiligen Franciscus von Sales
behandeln (aus dem Jahre 1860). Die ruhige einfache Composition des
Bildes der Predigt, die natürlichen Gestalten der Zuhörer in den verschiedensten,
dem wechselnden lebendigen Momente entnommenen Stellungen, der ganze
Vorgang in dem Rahmen einer stimmungsvollen, in harmonischem Lichte still
verschwebenden Landschaft, machen das Bild zu einem der besten dieser Art-
Man sieht, die Phantasie des Malers hatte sich an großen Mustern entzündet
und mit dem Gegenstand, der i" seine Vorstellung eingehen konnte, ernstlich
erfüllt. Nur ist auch ihm der Ausdruck der Frömmigkeit mißlungen, und wo
die Transcendenz ihr Spiel beginnt, wie in dem Bilde der Erhebung des
Heiligen in den Himmel, da verleiden Einem auch hier die manicrirte Em¬
pfindung, die hohle Gespreiztheit das Werk der geschickten Hand. ^ Die durch¬
aus tüchtigen Arbeiten Flandrins. auch die neuesten, gehören rhrcin ganze"
Wesen nach in eine andere Epoche und sind anderwärts zu besprechen.

Man ist seit eine Reihe von Jahren mit einem fast zu großen Eifer aus
die Ausschmückung der Kirchen bedacht, das Kaiserreich will auch hierin det
Anstrengungen der vorangegangenen Regierung noch überbieten. Man w>
dem ziemlich heruntergekommenen äußern Cultus der Religion wieder aus d^


Richtung der neuen französischen Malerei. Wir sind auf diese Bilder näher
eingegangen, weil sie den Typus für eine ganze Klasse abgeben. Bezeichnet
die stehengebliebenen Ausläufer und die Nachfolger der alten Schule meistens
eine schlaffe Süße und Sentimentalität, ein Heller zierlicher Farbenton uno
eine überlieferte Eleganz der Haltung und Bewegung (Vauchelet in Saint-
Sulpice, Guichard und August Couder in Saint-Germain l'Auxcrrois,
Vinchon, die obengenannten Lenepvcu in Saint-Clotilde, Pichon und
Rinso inne in Saint-Severin): so suchen dagegen die Maier der neueren
Richtung auch in dein Mythenbild durch den heftig bewegten Wurf ihrer Ge¬
stalten, die derb herausspriugeizde Form, eine in die Wirklichkeit gleichsam ver¬
senkte Farbe und dieBravour der Ausführung sich hervorzuthun (voran Couture.
Jobbä Düvnlund Glaize in Saint-Severin, Pils in Saint-Eustache. Emil
Lafon in Saint-Sulpice). Da auch das monumentale Gemälde fast immer
Oel- oder Wachsbild, nnr ausnahmsweise Freske ist, liegt ihnen die Verfüh¬
rung des bloß malerischen Reizes und des vollen gesättigten Scheins der
Wirklichkeit um so näher.

Natürlich ist auch hier in den Darstellungen aus der Heiligcngeschichte
mehr Leben und wahre Empfindung; besonders so lange der Heilige, seine
irdische Laufbahn verfolgend, im Gewühl der Welt sich bewegt und noch nicht
in Verzückung geräth; hierzu brauchte sich der Maler in eine ausgelebte An-
schauuugsreisc nicht gewaltsam zurückzuversetzen. In dieser Beziehung sind
vornehmlich die Gemälde Alexander Hesse's in der Kirche Saint-Sulpice her¬
vorzuheben, welche Momente aus dem Leben des heiligen Franciscus von Sales
behandeln (aus dem Jahre 1860). Die ruhige einfache Composition des
Bildes der Predigt, die natürlichen Gestalten der Zuhörer in den verschiedensten,
dem wechselnden lebendigen Momente entnommenen Stellungen, der ganze
Vorgang in dem Rahmen einer stimmungsvollen, in harmonischem Lichte still
verschwebenden Landschaft, machen das Bild zu einem der besten dieser Art-
Man sieht, die Phantasie des Malers hatte sich an großen Mustern entzündet
und mit dem Gegenstand, der i» seine Vorstellung eingehen konnte, ernstlich
erfüllt. Nur ist auch ihm der Ausdruck der Frömmigkeit mißlungen, und wo
die Transcendenz ihr Spiel beginnt, wie in dem Bilde der Erhebung des
Heiligen in den Himmel, da verleiden Einem auch hier die manicrirte Em¬
pfindung, die hohle Gespreiztheit das Werk der geschickten Hand. ^ Die durch¬
aus tüchtigen Arbeiten Flandrins. auch die neuesten, gehören rhrcin ganze»
Wesen nach in eine andere Epoche und sind anderwärts zu besprechen.

Man ist seit eine Reihe von Jahren mit einem fast zu großen Eifer aus
die Ausschmückung der Kirchen bedacht, das Kaiserreich will auch hierin det
Anstrengungen der vorangegangenen Regierung noch überbieten. Man w>
dem ziemlich heruntergekommenen äußern Cultus der Religion wieder aus d^


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[0392] Richtung der neuen französischen Malerei. Wir sind auf diese Bilder näher eingegangen, weil sie den Typus für eine ganze Klasse abgeben. Bezeichnet die stehengebliebenen Ausläufer und die Nachfolger der alten Schule meistens eine schlaffe Süße und Sentimentalität, ein Heller zierlicher Farbenton uno eine überlieferte Eleganz der Haltung und Bewegung (Vauchelet in Saint- Sulpice, Guichard und August Couder in Saint-Germain l'Auxcrrois, Vinchon, die obengenannten Lenepvcu in Saint-Clotilde, Pichon und Rinso inne in Saint-Severin): so suchen dagegen die Maier der neueren Richtung auch in dein Mythenbild durch den heftig bewegten Wurf ihrer Ge¬ stalten, die derb herausspriugeizde Form, eine in die Wirklichkeit gleichsam ver¬ senkte Farbe und dieBravour der Ausführung sich hervorzuthun (voran Couture. Jobbä Düvnlund Glaize in Saint-Severin, Pils in Saint-Eustache. Emil Lafon in Saint-Sulpice). Da auch das monumentale Gemälde fast immer Oel- oder Wachsbild, nnr ausnahmsweise Freske ist, liegt ihnen die Verfüh¬ rung des bloß malerischen Reizes und des vollen gesättigten Scheins der Wirklichkeit um so näher. Natürlich ist auch hier in den Darstellungen aus der Heiligcngeschichte mehr Leben und wahre Empfindung; besonders so lange der Heilige, seine irdische Laufbahn verfolgend, im Gewühl der Welt sich bewegt und noch nicht in Verzückung geräth; hierzu brauchte sich der Maler in eine ausgelebte An- schauuugsreisc nicht gewaltsam zurückzuversetzen. In dieser Beziehung sind vornehmlich die Gemälde Alexander Hesse's in der Kirche Saint-Sulpice her¬ vorzuheben, welche Momente aus dem Leben des heiligen Franciscus von Sales behandeln (aus dem Jahre 1860). Die ruhige einfache Composition des Bildes der Predigt, die natürlichen Gestalten der Zuhörer in den verschiedensten, dem wechselnden lebendigen Momente entnommenen Stellungen, der ganze Vorgang in dem Rahmen einer stimmungsvollen, in harmonischem Lichte still verschwebenden Landschaft, machen das Bild zu einem der besten dieser Art- Man sieht, die Phantasie des Malers hatte sich an großen Mustern entzündet und mit dem Gegenstand, der i» seine Vorstellung eingehen konnte, ernstlich erfüllt. Nur ist auch ihm der Ausdruck der Frömmigkeit mißlungen, und wo die Transcendenz ihr Spiel beginnt, wie in dem Bilde der Erhebung des Heiligen in den Himmel, da verleiden Einem auch hier die manicrirte Em¬ pfindung, die hohle Gespreiztheit das Werk der geschickten Hand. ^ Die durch¬ aus tüchtigen Arbeiten Flandrins. auch die neuesten, gehören rhrcin ganze» Wesen nach in eine andere Epoche und sind anderwärts zu besprechen. Man ist seit eine Reihe von Jahren mit einem fast zu großen Eifer aus die Ausschmückung der Kirchen bedacht, das Kaiserreich will auch hierin det Anstrengungen der vorangegangenen Regierung noch überbieten. Man w> dem ziemlich heruntergekommenen äußern Cultus der Religion wieder aus d^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/392>, abgerufen am 22.07.2024.