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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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des Lichts und der Farbe verweilte, da wußten sie mit liebevollem Eingehn,
diese zauberhafte Welt des Schemens und Glänzens in wunderbarem Reize
wiederzugeben: es war die Seele des menschlichen Auges, die aus dem Bilde
hervorleuchtete und die ahnungsvolle Stimmung des Lichtes über es ausbrei-
tete. Aber auch diese einfache Freude an der Erscheinung ist unserer Zeit
Versagt. Gerade weil wir die Aufgabe haben, die Wirklichkeit mit dem Geiste
in tieferer Weise zu durchdrungen, ist uns die Oberfläche gleichgültig; denn in
ihr widerzittert das Leben nur wie verschwebend und verschleiert. So ist es
denn vornehmlich die leblose landschaftliche Natur, auf der unsere An¬
schauung verweilen mag, und wir werden sehen, mit welchen, Eifer der
malerische Sinn des Zeitalters auf dieses Gebiet sich geworfen hat.

Schlimmer noch steht es mit der Darstellung der erhöhten Momente d.s
Lebens, der geschichtlichen Stoffe. Sie sind an die Stelle des mythischen
Inhaltes der Phantasie getreten. Aber durch welche Masse von Material,
durch welche Verstandesarbeiten muß der Künstler sich durchquälen, ehe ihm die
Teele des Vorgangs aufgeht, was muß er nicht Alles von innern und äußern
Dingen und Kemunissen beisammen haben, bis in seiner Phantasie ein deut¬
liches Bild der Sache aus den spröden, zerstreuten Elementen zusammen¬
schießen kann! Und dann ist dies erst sein Bild; er empfindet aber, daß
dieses nur Werth und Bestand hat. wenn es mit der allgemeinen Vorstellung
Zusammentrifft, wenn es zur Phantasie des Beschauers spricht und was in
dieser schlummert, weckt; so fühlt er sich unsicher und in der Freiheit des
Schaffens durch die Ueberlegung gelähmt, welche Stoffe und wie er sie wohl
darstellen könnte. Er muß in sich den Beschauer, dessen Theilnahme dem
Mythenbild von vornherein gesichert war. fast bei jedem Strich um Rath fragen.
" Muß vor Allen, fürchten, unverständlich zu sein. Wie weit dann seine Auffassung
'n das Wesen der Geschichte eingedrungen ist, ob sie das Bedeutende nicht ver-
lischt, das Unbedeutende nicht in den falschen Schein des Großen erhoben hat.
'se eine weitere Frage, in der ein neues Nest von Schwierigkeiten liegt.

In der Gegenwart stört ihn dre Ungunst der Culturformen, der Mechanismus
des öffentlichen Lebens, die jedes individuelle Heraustreten unmöglich macht, die
knappe Verständigkeit der Sitte, die alle Form in ein einförmiges Einerlei auflöst
Und die Welt der Farben in ein schmutziges Grau verwischt, endlich die Ein-
k°hr der Bildung nach innen, welche die Erscheinung zum bloßen Mittel her¬
absetzt. Der Künstler flieht also deßhalb in die Vergangenheit; denn
d'°s° ist ihm ja durch die Forschung in ihrer ganzen Breite und Mann.gfal.
erschlossen. Aber nun muß er die ganze Erscheinungsweise, um welche ,ich
d'°le wenig kümmert. Costüm. Local. Umgebung erst stück- und lappenwe.se
zusammensuchen; und da sein Sinn für die Außenseite des Lebens durch d.e
^Me und nüchterne Gegenwart ungebildet geblieben ist. lebt er sich in den


des Lichts und der Farbe verweilte, da wußten sie mit liebevollem Eingehn,
diese zauberhafte Welt des Schemens und Glänzens in wunderbarem Reize
wiederzugeben: es war die Seele des menschlichen Auges, die aus dem Bilde
hervorleuchtete und die ahnungsvolle Stimmung des Lichtes über es ausbrei-
tete. Aber auch diese einfache Freude an der Erscheinung ist unserer Zeit
Versagt. Gerade weil wir die Aufgabe haben, die Wirklichkeit mit dem Geiste
in tieferer Weise zu durchdrungen, ist uns die Oberfläche gleichgültig; denn in
ihr widerzittert das Leben nur wie verschwebend und verschleiert. So ist es
denn vornehmlich die leblose landschaftliche Natur, auf der unsere An¬
schauung verweilen mag, und wir werden sehen, mit welchen, Eifer der
malerische Sinn des Zeitalters auf dieses Gebiet sich geworfen hat.

Schlimmer noch steht es mit der Darstellung der erhöhten Momente d.s
Lebens, der geschichtlichen Stoffe. Sie sind an die Stelle des mythischen
Inhaltes der Phantasie getreten. Aber durch welche Masse von Material,
durch welche Verstandesarbeiten muß der Künstler sich durchquälen, ehe ihm die
Teele des Vorgangs aufgeht, was muß er nicht Alles von innern und äußern
Dingen und Kemunissen beisammen haben, bis in seiner Phantasie ein deut¬
liches Bild der Sache aus den spröden, zerstreuten Elementen zusammen¬
schießen kann! Und dann ist dies erst sein Bild; er empfindet aber, daß
dieses nur Werth und Bestand hat. wenn es mit der allgemeinen Vorstellung
Zusammentrifft, wenn es zur Phantasie des Beschauers spricht und was in
dieser schlummert, weckt; so fühlt er sich unsicher und in der Freiheit des
Schaffens durch die Ueberlegung gelähmt, welche Stoffe und wie er sie wohl
darstellen könnte. Er muß in sich den Beschauer, dessen Theilnahme dem
Mythenbild von vornherein gesichert war. fast bei jedem Strich um Rath fragen.
" Muß vor Allen, fürchten, unverständlich zu sein. Wie weit dann seine Auffassung
'n das Wesen der Geschichte eingedrungen ist, ob sie das Bedeutende nicht ver-
lischt, das Unbedeutende nicht in den falschen Schein des Großen erhoben hat.
'se eine weitere Frage, in der ein neues Nest von Schwierigkeiten liegt.

In der Gegenwart stört ihn dre Ungunst der Culturformen, der Mechanismus
des öffentlichen Lebens, die jedes individuelle Heraustreten unmöglich macht, die
knappe Verständigkeit der Sitte, die alle Form in ein einförmiges Einerlei auflöst
Und die Welt der Farben in ein schmutziges Grau verwischt, endlich die Ein-
k°hr der Bildung nach innen, welche die Erscheinung zum bloßen Mittel her¬
absetzt. Der Künstler flieht also deßhalb in die Vergangenheit; denn
d'°s° ist ihm ja durch die Forschung in ihrer ganzen Breite und Mann.gfal.
erschlossen. Aber nun muß er die ganze Erscheinungsweise, um welche ,ich
d'°le wenig kümmert. Costüm. Local. Umgebung erst stück- und lappenwe.se
zusammensuchen; und da sein Sinn für die Außenseite des Lebens durch d.e
^Me und nüchterne Gegenwart ungebildet geblieben ist. lebt er sich in den


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[0385] des Lichts und der Farbe verweilte, da wußten sie mit liebevollem Eingehn, diese zauberhafte Welt des Schemens und Glänzens in wunderbarem Reize wiederzugeben: es war die Seele des menschlichen Auges, die aus dem Bilde hervorleuchtete und die ahnungsvolle Stimmung des Lichtes über es ausbrei- tete. Aber auch diese einfache Freude an der Erscheinung ist unserer Zeit Versagt. Gerade weil wir die Aufgabe haben, die Wirklichkeit mit dem Geiste in tieferer Weise zu durchdrungen, ist uns die Oberfläche gleichgültig; denn in ihr widerzittert das Leben nur wie verschwebend und verschleiert. So ist es denn vornehmlich die leblose landschaftliche Natur, auf der unsere An¬ schauung verweilen mag, und wir werden sehen, mit welchen, Eifer der malerische Sinn des Zeitalters auf dieses Gebiet sich geworfen hat. Schlimmer noch steht es mit der Darstellung der erhöhten Momente d.s Lebens, der geschichtlichen Stoffe. Sie sind an die Stelle des mythischen Inhaltes der Phantasie getreten. Aber durch welche Masse von Material, durch welche Verstandesarbeiten muß der Künstler sich durchquälen, ehe ihm die Teele des Vorgangs aufgeht, was muß er nicht Alles von innern und äußern Dingen und Kemunissen beisammen haben, bis in seiner Phantasie ein deut¬ liches Bild der Sache aus den spröden, zerstreuten Elementen zusammen¬ schießen kann! Und dann ist dies erst sein Bild; er empfindet aber, daß dieses nur Werth und Bestand hat. wenn es mit der allgemeinen Vorstellung Zusammentrifft, wenn es zur Phantasie des Beschauers spricht und was in dieser schlummert, weckt; so fühlt er sich unsicher und in der Freiheit des Schaffens durch die Ueberlegung gelähmt, welche Stoffe und wie er sie wohl darstellen könnte. Er muß in sich den Beschauer, dessen Theilnahme dem Mythenbild von vornherein gesichert war. fast bei jedem Strich um Rath fragen. " Muß vor Allen, fürchten, unverständlich zu sein. Wie weit dann seine Auffassung 'n das Wesen der Geschichte eingedrungen ist, ob sie das Bedeutende nicht ver- lischt, das Unbedeutende nicht in den falschen Schein des Großen erhoben hat. 'se eine weitere Frage, in der ein neues Nest von Schwierigkeiten liegt. In der Gegenwart stört ihn dre Ungunst der Culturformen, der Mechanismus des öffentlichen Lebens, die jedes individuelle Heraustreten unmöglich macht, die knappe Verständigkeit der Sitte, die alle Form in ein einförmiges Einerlei auflöst Und die Welt der Farben in ein schmutziges Grau verwischt, endlich die Ein- k°hr der Bildung nach innen, welche die Erscheinung zum bloßen Mittel her¬ absetzt. Der Künstler flieht also deßhalb in die Vergangenheit; denn d'°s° ist ihm ja durch die Forschung in ihrer ganzen Breite und Mann.gfal. erschlossen. Aber nun muß er die ganze Erscheinungsweise, um welche ,ich d'°le wenig kümmert. Costüm. Local. Umgebung erst stück- und lappenwe.se zusammensuchen; und da sein Sinn für die Außenseite des Lebens durch d.e ^Me und nüchterne Gegenwart ungebildet geblieben ist. lebt er sich in den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/385>, abgerufen am 23.07.2024.