Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.dringen und so zugleich ihre Eigenthümlichkeit und die Eindrücke der Außen¬ So kann von den bildenden Künsten nur die Malerei dem Geiste des Freilich war sie nicht in denselben günstigen Verhältnissen wie die Poesie, 47*
dringen und so zugleich ihre Eigenthümlichkeit und die Eindrücke der Außen¬ So kann von den bildenden Künsten nur die Malerei dem Geiste des Freilich war sie nicht in denselben günstigen Verhältnissen wie die Poesie, 47*
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dringen und so zugleich ihre Eigenthümlichkeit und die Eindrücke der Außen¬
welt an sich erscheinen lassen. Der Mensch mit seinen Stimmungen, Leiden¬
schaften und Eigenheiten, wie er in das heiße Gewühl des Lebens verschlungen
ist. tritt in die Kunst ein; auch sein Inneres, aufgerüttelt durch die Stürme
und Kampfe, soll zur künstlerischen Anschauung kommen, ebenso der Bruch
mit der Natur, durch den er zwar den einfach-schönen Einklang mit sich und der
Welt verliert, aber andrerseits die ganze Welt gewinnt, um sich in sie und sie in
sich hineinzubilden. Insofern kann denn auch die Malerei mit dem Bewußtsein
einen Weg gehen: sie kann die Unruhe des innerlich bewegten Lebens in der ge¬
brochenen Gestalt zum Ausdruck bringen, die Beziehungen des Geistes in eine
reiche Fülle umgebender Dinge auseinanderlegen. Und der Maler selbst hat
d>es mit dem modernen Menschen gemein, daß er die Dinge in seine Stim¬
mung verarbeitet; er muß sie nicht nur in seine Phantasie aufgenommen, er
muß sie in der Seele mit seiner Empfindung zu einem Ganzen verschmolzen
haben.
So kann von den bildenden Künsten nur die Malerei dem Geiste des
Zeitalters folgen. Was dieser erwirbt, kommt bis zu einem gewissen Grade
auch ihr zu gute: so ist ihr die Möglichkeit gegeben, mit ihm fortzuschreiten.
Und indem die neue Epoche seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts die
ausgelebten Formen und die überkommene Anschauungsweise abgelegt hat,
um die Welt unmittelbar zu ergreifen und nach allen Richtungen mit dem
Gesetze des in der Wirklichkeit heimischen Geistes zu durchdringen. ist auch
für die Malerei eine neue Zeit angebrochen. Zu derselben Zeit, da die Poesie,
des Schüfergewandes und des Flitterstaats der Mythologie ebenso wie
des Neifrocks überdrüssig, zu den einfachen Empfindungen der menschlichen
^rust aufs und mit Innigkeit in die Natur sich versenkte, da ein Winkelmann
w der Kunst das Ideal des Schönen entdeckte, da endlich die Geschichte mit
rücksichtslosem Messer das Gaugelband der Autorität abschnitt, um mit einem
schlage mündig zu werden: zu derselben Zeit suchte die Malerei nach einem
"wen Ausdruck und einer neuen Form für einen neuen Inhalt.
Freilich war sie nicht in denselben günstigen Verhältnissen wie die Poesie,
b'e nur in das Herz des in sich eingekehrten Menschen zu greifen brauchte.
Stoff und Form zu finden und die um so leichteres Spiel hatte, als die
"°ne Bewegung besonders auf dem Gebiete der Borstellung sich vollzog. So
en'fach war der Gang der Malerei nicht. Im Gegensatz zu der Manierirtheit
""d Verwilderung einer frivol gewordenen Kunst suchte sie sich an den großen
""sten Stoffen und der strengen Form der^Antike^zu erneuern; Karsten s und
David, so verschieden sie sonst sind, treffen in diesem Punkte zusammen.
H'er fanden d,e Maler, was sie brauchten: eine gehaltvolle Welt aufgegangen
die Klarheit und Bestimmtheit der Form. Der moderne Geist hatte ja.
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