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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Dieser letztere Krieg erschöpfte die Kräfte der von den übrigen Hansestädten
allein gelassenen heldenmütigen Stadt. Seitdem ist auf der See nur
noch Eine deutsche Flotte, die nach der Schlacht von Fehrbellin rasch und ener¬
gisch hergestellte und im Kampf gegen Schweden und Spanien mit Erfolg
verwandte Flotte des großen Kurfürsten erschienen. Einzelne Hansestädte, wie
namentlich Hamburg, hielten noch bis an das Ende des 17. und wahrschein¬
lich auch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts einzelne größere Kriegs¬
schiffe, um die Handelsflotten zu geleiten. Die gänzliche Wehrlosigkeit der
Hansestädte wird nicht viel älter als Ein Jahrhundert sein.

Die Seemacht der Hansa verdankte einer Gesinnung ihren Ursprung, welche
vor Allem die bleibende und den Handel emporhebende Machtstellung des po¬
litischen Gemeinwesens erstrebte. Dieses Gemeinwesen schützte dagegen jeden
einzelnen Rheder und Kaufmann wider jede Belästigung, welche das Ausland
anzuthun versuchte: der hansische Krieg von 1509 fand namentlich in dem von
den dänischen Kriegsschiffen gegen die hansischen Handelssahrzeuge beanspruch¬
ten, ausgedehnten Durchsuchuugsrecht seinen Anlaß. Welche Gewaltthaten
können heute von den Kapern d"r südlichen Staaten Nordamerika's gegen die
Schiffe Hamburgs und Bremens ungestraft begangen werden!

Die Seemacht der Hansa gi ig unter, -- nicht weil der Handel andere
Wege gesucht hatte. -- dieser Grund trifft nnr die Bedeutung der einzelnen
Städte der Hansa untereinander, speciell Hamburgs und Lübeks. -- sondern weil
der große politische nationale Sinn am Anfang des 16. Jahrhunderts, nach¬
dem er schon längst aus dem übrigen Deutschland entwichen war. den Hanse¬
städten verloren ging. An die Stelle der weisen Opferfäh'gkeit eines natio¬
nalen Gemeinwesens trat die einsichtslose und beschränkte Selbstsucht der Klein¬
staaterei, der man heute wie in den meisten deutschen Staaten so auch in dem
"Wellen Hamburg als einem Staatsprincip begegnen kann. Während diese
Besinnung im übrigen Deutschland dem Drucke des wiedererwachenden Ratio-
""lgefühls jetzt allmälig weicht, scheint sie sich in den Hansestädten, wie das Ver.
halten derselben zu dem deutschen Handelsgesetzbuch, zur erstrebten Einheit des
Zutschen Münzwesens und der Gründung einer Flotte zeigt, noch länger hai-
m wollen.

Die seit dem 16. Jahrhundert veränderte Richtung der deutschen Hanse-
^öde hat sich an der Scheide der alten und neuen Zeit in einem merkwür¬
digen Worte ausgesprochen, das in seinem Cynismus die Unsterblichkeit in
Anspruch nimmt. Als Lübeck seinen letzten großen Seekrieg gegen Schweden
lührte. suchte es bei seinen Töchterstädten und den übrigen Hansestädten Hilfe.
^ blieb ohne alle Unterstützung. Aus der Mitte der übrigen Seestädte wurde
danwls geäußert: mit Betteln habe man mehr als mit Krieg ausrichten können.

Drei Jahrhunderte später, im Juli 1861. drückte eine Zeitung der souve-


Dieser letztere Krieg erschöpfte die Kräfte der von den übrigen Hansestädten
allein gelassenen heldenmütigen Stadt. Seitdem ist auf der See nur
noch Eine deutsche Flotte, die nach der Schlacht von Fehrbellin rasch und ener¬
gisch hergestellte und im Kampf gegen Schweden und Spanien mit Erfolg
verwandte Flotte des großen Kurfürsten erschienen. Einzelne Hansestädte, wie
namentlich Hamburg, hielten noch bis an das Ende des 17. und wahrschein¬
lich auch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts einzelne größere Kriegs¬
schiffe, um die Handelsflotten zu geleiten. Die gänzliche Wehrlosigkeit der
Hansestädte wird nicht viel älter als Ein Jahrhundert sein.

Die Seemacht der Hansa verdankte einer Gesinnung ihren Ursprung, welche
vor Allem die bleibende und den Handel emporhebende Machtstellung des po¬
litischen Gemeinwesens erstrebte. Dieses Gemeinwesen schützte dagegen jeden
einzelnen Rheder und Kaufmann wider jede Belästigung, welche das Ausland
anzuthun versuchte: der hansische Krieg von 1509 fand namentlich in dem von
den dänischen Kriegsschiffen gegen die hansischen Handelssahrzeuge beanspruch¬
ten, ausgedehnten Durchsuchuugsrecht seinen Anlaß. Welche Gewaltthaten
können heute von den Kapern d«r südlichen Staaten Nordamerika's gegen die
Schiffe Hamburgs und Bremens ungestraft begangen werden!

Die Seemacht der Hansa gi ig unter, — nicht weil der Handel andere
Wege gesucht hatte. — dieser Grund trifft nnr die Bedeutung der einzelnen
Städte der Hansa untereinander, speciell Hamburgs und Lübeks. — sondern weil
der große politische nationale Sinn am Anfang des 16. Jahrhunderts, nach¬
dem er schon längst aus dem übrigen Deutschland entwichen war. den Hanse¬
städten verloren ging. An die Stelle der weisen Opferfäh'gkeit eines natio¬
nalen Gemeinwesens trat die einsichtslose und beschränkte Selbstsucht der Klein¬
staaterei, der man heute wie in den meisten deutschen Staaten so auch in dem
"Wellen Hamburg als einem Staatsprincip begegnen kann. Während diese
Besinnung im übrigen Deutschland dem Drucke des wiedererwachenden Ratio-
""lgefühls jetzt allmälig weicht, scheint sie sich in den Hansestädten, wie das Ver.
halten derselben zu dem deutschen Handelsgesetzbuch, zur erstrebten Einheit des
Zutschen Münzwesens und der Gründung einer Flotte zeigt, noch länger hai-
m wollen.

Die seit dem 16. Jahrhundert veränderte Richtung der deutschen Hanse-
^öde hat sich an der Scheide der alten und neuen Zeit in einem merkwür¬
digen Worte ausgesprochen, das in seinem Cynismus die Unsterblichkeit in
Anspruch nimmt. Als Lübeck seinen letzten großen Seekrieg gegen Schweden
lührte. suchte es bei seinen Töchterstädten und den übrigen Hansestädten Hilfe.
^ blieb ohne alle Unterstützung. Aus der Mitte der übrigen Seestädte wurde
danwls geäußert: mit Betteln habe man mehr als mit Krieg ausrichten können.

Drei Jahrhunderte später, im Juli 1861. drückte eine Zeitung der souve-


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[0375] Dieser letztere Krieg erschöpfte die Kräfte der von den übrigen Hansestädten allein gelassenen heldenmütigen Stadt. Seitdem ist auf der See nur noch Eine deutsche Flotte, die nach der Schlacht von Fehrbellin rasch und ener¬ gisch hergestellte und im Kampf gegen Schweden und Spanien mit Erfolg verwandte Flotte des großen Kurfürsten erschienen. Einzelne Hansestädte, wie namentlich Hamburg, hielten noch bis an das Ende des 17. und wahrschein¬ lich auch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts einzelne größere Kriegs¬ schiffe, um die Handelsflotten zu geleiten. Die gänzliche Wehrlosigkeit der Hansestädte wird nicht viel älter als Ein Jahrhundert sein. Die Seemacht der Hansa verdankte einer Gesinnung ihren Ursprung, welche vor Allem die bleibende und den Handel emporhebende Machtstellung des po¬ litischen Gemeinwesens erstrebte. Dieses Gemeinwesen schützte dagegen jeden einzelnen Rheder und Kaufmann wider jede Belästigung, welche das Ausland anzuthun versuchte: der hansische Krieg von 1509 fand namentlich in dem von den dänischen Kriegsschiffen gegen die hansischen Handelssahrzeuge beanspruch¬ ten, ausgedehnten Durchsuchuugsrecht seinen Anlaß. Welche Gewaltthaten können heute von den Kapern d«r südlichen Staaten Nordamerika's gegen die Schiffe Hamburgs und Bremens ungestraft begangen werden! Die Seemacht der Hansa gi ig unter, — nicht weil der Handel andere Wege gesucht hatte. — dieser Grund trifft nnr die Bedeutung der einzelnen Städte der Hansa untereinander, speciell Hamburgs und Lübeks. — sondern weil der große politische nationale Sinn am Anfang des 16. Jahrhunderts, nach¬ dem er schon längst aus dem übrigen Deutschland entwichen war. den Hanse¬ städten verloren ging. An die Stelle der weisen Opferfäh'gkeit eines natio¬ nalen Gemeinwesens trat die einsichtslose und beschränkte Selbstsucht der Klein¬ staaterei, der man heute wie in den meisten deutschen Staaten so auch in dem "Wellen Hamburg als einem Staatsprincip begegnen kann. Während diese Besinnung im übrigen Deutschland dem Drucke des wiedererwachenden Ratio- ""lgefühls jetzt allmälig weicht, scheint sie sich in den Hansestädten, wie das Ver. halten derselben zu dem deutschen Handelsgesetzbuch, zur erstrebten Einheit des Zutschen Münzwesens und der Gründung einer Flotte zeigt, noch länger hai- m wollen. Die seit dem 16. Jahrhundert veränderte Richtung der deutschen Hanse- ^öde hat sich an der Scheide der alten und neuen Zeit in einem merkwür¬ digen Worte ausgesprochen, das in seinem Cynismus die Unsterblichkeit in Anspruch nimmt. Als Lübeck seinen letzten großen Seekrieg gegen Schweden lührte. suchte es bei seinen Töchterstädten und den übrigen Hansestädten Hilfe. ^ blieb ohne alle Unterstützung. Aus der Mitte der übrigen Seestädte wurde danwls geäußert: mit Betteln habe man mehr als mit Krieg ausrichten können. Drei Jahrhunderte später, im Juli 1861. drückte eine Zeitung der souve-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/375>, abgerufen am 22.07.2024.