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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Zu beiden Seiten des Sundes herrschte damals König Waldemar der
Sechste von Dänemark, ein energischer Regent, der im Kampfe gegen die Schles¬
wiger und Holsteiner. die Schweden und Norweger sein Reich wiederherge¬
stellt und es innerlich gestärkt hatte.

Zwischen den dünischen Königen und den deutschen Städten hatte bis
dahin noch nie ein Streit bestanden. Noch im Jahre 136V hatte Waldemar
der Sechste den bedeutendsten Städten ihre Handelsfreiheit bestätigt und
mit denselben ein näheres Verhältniß hergestellt.

Da plötzlich läuft im Juli 1361 eine dänische Flotte aus dein Sunde
aus und richtet sich, den König selbst an der Spitze, nach Wisby. Ohne jeg¬
liche Ursache, ja selbst ohne irgend einen Vorwand, überfällt der König die
Stadt. 1800 ihrer Bürger fallen vor ihren Mauern, dann ergibt sie sich
am 28. Juli auf Gnade oder Ungnade. Der Sieger zieht mit seinem Heere
durch die in der Mauer geöffnete Bresche ein und läßt die reiche Handelsstadt
ausplündern.

Diese selbst in jenen gewaltsameren Zeiten unerhörte That wurde der
Anlaß zur Gründung der hansischen Seemacht.

Schon am 1. August 1361 finden wir die Abgesandten der deutschen
Ostsecstädte in Greifswald zu einem Tage versammelt. Sie beschließen ein
Verbot jeglichen Verkehrs mit Dänemark und die Beschlagnahme alles dänischen
Eigenthums. In einer zweiten Versammlung zu Greifswald vereinigen sich
die Städte Lübeck. Wismar. Rostock. Stralsund. Greifswald, Colberg, Stet¬
tin und Anclam. zu denen bald darauf noch Hamburg. Bremen und Kiel
"'nten, eine Kriegsflotte zu gründen, die aus 25 großen Schiffen und einer
verhältnißmäßigen Anzahl kleinerer Fahrzeuge bestehen und 2730 Bewaffnete
"ußcr den Matrosen und Werkleuten tragen soll. Auf Grundlage dieser Be¬
schlüsse kam schon am 8. September zu Greifswald ein Bündniß mit Schweden
und Norwegen zu Stande, in welchem die Contingente anIKriegsschiffen und Be¬
waffneten, welche jede einzelne Stadt zu stellen hatte, genau festgesetzt wurden,
^e Kosten für die Herstellung und Unterhaltung jener Flotte wurden durch
gemeinschaftliche Steuer der Städte gedeckt.

Im Mai 1362 lag die deutsche Flotte unter Führung des Grafen Hein-
Uch des Eisernen von Holstein vor Kopenhagen. Sie nahm die Stadt ein
Und rächte das Schicksal Wisby's. Dann erst erschien die dänische Flotte, von
Thronfolger befehligt, und am 8. Juli 1362 kam es zur Schlacht. Die
^'"sche Flotte wurde geschlagen, des Königs einziger Sohn tödtlich verwundet,
"ach späteren Zeugnissen durch eine Kanonenkugel. Es ist jedenfalls der erste
^Mys im nördlichen Europa, wo die Anwendung des Pulvers erwähnt w.rd.

Der weitere Verlauf des Kriegs entsprach, da die Bundeshülfe der Schwe.


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Zu beiden Seiten des Sundes herrschte damals König Waldemar der
Sechste von Dänemark, ein energischer Regent, der im Kampfe gegen die Schles¬
wiger und Holsteiner. die Schweden und Norweger sein Reich wiederherge¬
stellt und es innerlich gestärkt hatte.

Zwischen den dünischen Königen und den deutschen Städten hatte bis
dahin noch nie ein Streit bestanden. Noch im Jahre 136V hatte Waldemar
der Sechste den bedeutendsten Städten ihre Handelsfreiheit bestätigt und
mit denselben ein näheres Verhältniß hergestellt.

Da plötzlich läuft im Juli 1361 eine dänische Flotte aus dein Sunde
aus und richtet sich, den König selbst an der Spitze, nach Wisby. Ohne jeg¬
liche Ursache, ja selbst ohne irgend einen Vorwand, überfällt der König die
Stadt. 1800 ihrer Bürger fallen vor ihren Mauern, dann ergibt sie sich
am 28. Juli auf Gnade oder Ungnade. Der Sieger zieht mit seinem Heere
durch die in der Mauer geöffnete Bresche ein und läßt die reiche Handelsstadt
ausplündern.

Diese selbst in jenen gewaltsameren Zeiten unerhörte That wurde der
Anlaß zur Gründung der hansischen Seemacht.

Schon am 1. August 1361 finden wir die Abgesandten der deutschen
Ostsecstädte in Greifswald zu einem Tage versammelt. Sie beschließen ein
Verbot jeglichen Verkehrs mit Dänemark und die Beschlagnahme alles dänischen
Eigenthums. In einer zweiten Versammlung zu Greifswald vereinigen sich
die Städte Lübeck. Wismar. Rostock. Stralsund. Greifswald, Colberg, Stet¬
tin und Anclam. zu denen bald darauf noch Hamburg. Bremen und Kiel
"'nten, eine Kriegsflotte zu gründen, die aus 25 großen Schiffen und einer
verhältnißmäßigen Anzahl kleinerer Fahrzeuge bestehen und 2730 Bewaffnete
"ußcr den Matrosen und Werkleuten tragen soll. Auf Grundlage dieser Be¬
schlüsse kam schon am 8. September zu Greifswald ein Bündniß mit Schweden
und Norwegen zu Stande, in welchem die Contingente anIKriegsschiffen und Be¬
waffneten, welche jede einzelne Stadt zu stellen hatte, genau festgesetzt wurden,
^e Kosten für die Herstellung und Unterhaltung jener Flotte wurden durch
gemeinschaftliche Steuer der Städte gedeckt.

Im Mai 1362 lag die deutsche Flotte unter Führung des Grafen Hein-
Uch des Eisernen von Holstein vor Kopenhagen. Sie nahm die Stadt ein
Und rächte das Schicksal Wisby's. Dann erst erschien die dänische Flotte, von
Thronfolger befehligt, und am 8. Juli 1362 kam es zur Schlacht. Die
^'"sche Flotte wurde geschlagen, des Königs einziger Sohn tödtlich verwundet,
"ach späteren Zeugnissen durch eine Kanonenkugel. Es ist jedenfalls der erste
^Mys im nördlichen Europa, wo die Anwendung des Pulvers erwähnt w.rd.

Der weitere Verlauf des Kriegs entsprach, da die Bundeshülfe der Schwe.


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[0373] Zu beiden Seiten des Sundes herrschte damals König Waldemar der Sechste von Dänemark, ein energischer Regent, der im Kampfe gegen die Schles¬ wiger und Holsteiner. die Schweden und Norweger sein Reich wiederherge¬ stellt und es innerlich gestärkt hatte. Zwischen den dünischen Königen und den deutschen Städten hatte bis dahin noch nie ein Streit bestanden. Noch im Jahre 136V hatte Waldemar der Sechste den bedeutendsten Städten ihre Handelsfreiheit bestätigt und mit denselben ein näheres Verhältniß hergestellt. Da plötzlich läuft im Juli 1361 eine dänische Flotte aus dein Sunde aus und richtet sich, den König selbst an der Spitze, nach Wisby. Ohne jeg¬ liche Ursache, ja selbst ohne irgend einen Vorwand, überfällt der König die Stadt. 1800 ihrer Bürger fallen vor ihren Mauern, dann ergibt sie sich am 28. Juli auf Gnade oder Ungnade. Der Sieger zieht mit seinem Heere durch die in der Mauer geöffnete Bresche ein und läßt die reiche Handelsstadt ausplündern. Diese selbst in jenen gewaltsameren Zeiten unerhörte That wurde der Anlaß zur Gründung der hansischen Seemacht. Schon am 1. August 1361 finden wir die Abgesandten der deutschen Ostsecstädte in Greifswald zu einem Tage versammelt. Sie beschließen ein Verbot jeglichen Verkehrs mit Dänemark und die Beschlagnahme alles dänischen Eigenthums. In einer zweiten Versammlung zu Greifswald vereinigen sich die Städte Lübeck. Wismar. Rostock. Stralsund. Greifswald, Colberg, Stet¬ tin und Anclam. zu denen bald darauf noch Hamburg. Bremen und Kiel "'nten, eine Kriegsflotte zu gründen, die aus 25 großen Schiffen und einer verhältnißmäßigen Anzahl kleinerer Fahrzeuge bestehen und 2730 Bewaffnete "ußcr den Matrosen und Werkleuten tragen soll. Auf Grundlage dieser Be¬ schlüsse kam schon am 8. September zu Greifswald ein Bündniß mit Schweden und Norwegen zu Stande, in welchem die Contingente anIKriegsschiffen und Be¬ waffneten, welche jede einzelne Stadt zu stellen hatte, genau festgesetzt wurden, ^e Kosten für die Herstellung und Unterhaltung jener Flotte wurden durch gemeinschaftliche Steuer der Städte gedeckt. Im Mai 1362 lag die deutsche Flotte unter Führung des Grafen Hein- Uch des Eisernen von Holstein vor Kopenhagen. Sie nahm die Stadt ein Und rächte das Schicksal Wisby's. Dann erst erschien die dänische Flotte, von Thronfolger befehligt, und am 8. Juli 1362 kam es zur Schlacht. Die ^'"sche Flotte wurde geschlagen, des Königs einziger Sohn tödtlich verwundet, "ach späteren Zeugnissen durch eine Kanonenkugel. Es ist jedenfalls der erste ^Mys im nördlichen Europa, wo die Anwendung des Pulvers erwähnt w.rd. Der weitere Verlauf des Kriegs entsprach, da die Bundeshülfe der Schwe. 46 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/373>, abgerufen am 22.07.2024.