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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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den Stempel des östreichischen Hauptquartiers das gern am Rhein stehen ge.
blieben wäre. Als ihm Schwarzenberg beim Abschied versichert, er gedenke
>" Frankreich nur zu manövriren. keine Eroberungen zu machen, fühlt er sich
beruhigt; aber schon der Vormarsch nach Langres macht ihm Sorge, von
dem er meint, daß er den Zielen der Verbündeten entgegen wirke und den
Feind in zu starke Versuchung bringe. Aber eine Depesche Metternich's
an Bellegarde, welche die Plane mittheilt, die unterdessen, namentlich durch
Steins Bemühungen, im großen Hauptquartier die Oberhand gewonnen hat¬
ten, versetzte ihn in förmliche Aufregung. Zu der Aeußerung, daß Frankreich,
wenn Napoleon den Krieg fortsetze, eine ehrenvolle Kapitulation mit Rückkehr
in die Grenzen, die es vor der Revolution gehabt, erhalten solle, bemerkt er:
"Wenn die Roth Vonaparte's und der militärische Einfluß der Verbündeten
trotz ihrer ausgedehnten Linien, der Festungen, die noch in feindlichem Besitz
sind u. s. w,, so groß ist, so bin ich wirklich der unwissendste Offizier oder
der von den unglücklichsten Vorurtheilen besessene Raisonneur in ganz Europa,
mit Ausnahme des Marschalls (Vellegarde). Schwarzenbergs selbst und meines
Freundes Radetzky. Wir sind ein Quartett von Jämmerlingen, die nicht länger
um Recht haben im Richterstuhle zu sitzen; und ich für meinen Theil werde
wich für so überlistet und hobltvpfig halten, daß ich lieber Kapuziner werden
und mich bemühen will, den Verstand durch eine Kapuze zu ersetzen."

In dieser Stimmung gereicht ihm tue Nachricht von den Unfällen der
Ichlesischen Armee bei Chareau-Thierry u. f. w. fast zur Genugthuung. ..Wenn
auch nur die Hälfte des in den französischen Bulletins Angegebenen wahr ist",
schreibt er, "so übertrifft das Unglück weil meine düstersten Voraussagungen,
denn ich glaubte nicht, daß der Feind so billig und so frühzeitig siegen würde;
Ich glaubte nie. daß so große Fehler begangen werden könnten, so gering ich
auch einige der Grenadier- und Husarengeneräle, trotz ihrer Katzbachsiege und
Sündstuthlrophäen achtete .... Mir thut der Fürst Schwarzenberg leid:
ich weiß, daß seine Ansichten weise waren und sein Ehrgeiz liebenswürdig
Unmäßige. In Wahrheit wünscht die ganze Armee den Frieden, weil man
^'fachen sowol. wie Wirkungen aus der Vergangenheit kennt. Man ist Zei¬
tungsschreibern und Schwärmern zum Opfer gefallen -- Leute", die entweder
Schelme oder Narren sind." Als Blücher sich von seinen Niederlagen wieder
erholt hatte und unerschütterten Muthes von Neuem gegen Paris vorrückte,
schreibt er: "Diese Art Krieg zu führen kommt mir vor. wie eine Balgerei
Mischen Knaben, die. nachdem sie entschieden ist. oft noch von einem der
Kämpfer fortgesetzt wird, der in blinder Wuth mit dem Kopf zustößt und von
seinem ruhigeren und geschickt manövrirenden Gegner tüchtig bestraft wird."

Groß war natürlicherweise Wilson's Ueberraschung, als trotz aller seiner
^üben Voraussagungen schließlich doch die Nachricht von der Einnahme von


Grenzboten III. 1861. 30

den Stempel des östreichischen Hauptquartiers das gern am Rhein stehen ge.
blieben wäre. Als ihm Schwarzenberg beim Abschied versichert, er gedenke
>» Frankreich nur zu manövriren. keine Eroberungen zu machen, fühlt er sich
beruhigt; aber schon der Vormarsch nach Langres macht ihm Sorge, von
dem er meint, daß er den Zielen der Verbündeten entgegen wirke und den
Feind in zu starke Versuchung bringe. Aber eine Depesche Metternich's
an Bellegarde, welche die Plane mittheilt, die unterdessen, namentlich durch
Steins Bemühungen, im großen Hauptquartier die Oberhand gewonnen hat¬
ten, versetzte ihn in förmliche Aufregung. Zu der Aeußerung, daß Frankreich,
wenn Napoleon den Krieg fortsetze, eine ehrenvolle Kapitulation mit Rückkehr
in die Grenzen, die es vor der Revolution gehabt, erhalten solle, bemerkt er:
„Wenn die Roth Vonaparte's und der militärische Einfluß der Verbündeten
trotz ihrer ausgedehnten Linien, der Festungen, die noch in feindlichem Besitz
sind u. s. w,, so groß ist, so bin ich wirklich der unwissendste Offizier oder
der von den unglücklichsten Vorurtheilen besessene Raisonneur in ganz Europa,
mit Ausnahme des Marschalls (Vellegarde). Schwarzenbergs selbst und meines
Freundes Radetzky. Wir sind ein Quartett von Jämmerlingen, die nicht länger
um Recht haben im Richterstuhle zu sitzen; und ich für meinen Theil werde
wich für so überlistet und hobltvpfig halten, daß ich lieber Kapuziner werden
und mich bemühen will, den Verstand durch eine Kapuze zu ersetzen."

In dieser Stimmung gereicht ihm tue Nachricht von den Unfällen der
Ichlesischen Armee bei Chareau-Thierry u. f. w. fast zur Genugthuung. ..Wenn
auch nur die Hälfte des in den französischen Bulletins Angegebenen wahr ist",
schreibt er, „so übertrifft das Unglück weil meine düstersten Voraussagungen,
denn ich glaubte nicht, daß der Feind so billig und so frühzeitig siegen würde;
Ich glaubte nie. daß so große Fehler begangen werden könnten, so gering ich
auch einige der Grenadier- und Husarengeneräle, trotz ihrer Katzbachsiege und
Sündstuthlrophäen achtete .... Mir thut der Fürst Schwarzenberg leid:
ich weiß, daß seine Ansichten weise waren und sein Ehrgeiz liebenswürdig
Unmäßige. In Wahrheit wünscht die ganze Armee den Frieden, weil man
^'fachen sowol. wie Wirkungen aus der Vergangenheit kennt. Man ist Zei¬
tungsschreibern und Schwärmern zum Opfer gefallen — Leute», die entweder
Schelme oder Narren sind." Als Blücher sich von seinen Niederlagen wieder
erholt hatte und unerschütterten Muthes von Neuem gegen Paris vorrückte,
schreibt er: „Diese Art Krieg zu führen kommt mir vor. wie eine Balgerei
Mischen Knaben, die. nachdem sie entschieden ist. oft noch von einem der
Kämpfer fortgesetzt wird, der in blinder Wuth mit dem Kopf zustößt und von
seinem ruhigeren und geschickt manövrirenden Gegner tüchtig bestraft wird."

Groß war natürlicherweise Wilson's Ueberraschung, als trotz aller seiner
^üben Voraussagungen schließlich doch die Nachricht von der Einnahme von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/315>, abgerufen am 03.07.2024.