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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Bruchtheile entstanden sind. Ist nur Einer, wie die Calculatur ermittelt
haben soll, nicht richtig angesetzt, so können alle andern falsch bedacht sein.
Ist z. B. angenommen, daß der Urgläubiger sechs Brüder gehabt und sind
deren sieben vorhanden gewesen, so müssen sich die Brüche vollkommen anders
stellen. Um dies aber deutlich zu erkennen, hat man die immensen Stamm-
büume der einzelnen Liquidanten verglichen.

Es ist aber nur eine juristische Kuriosität, wenn behauptet wird, die Tri¬
bunalserkenntnisse seien wegen solcher ungenauer Berechnungen unrichtig, und
es existirt eigentlich kein legaler Weg, derartige Versehen gutzumachen, weil
man sich solche abnorme Fälle nicht zu denken vermocht hat.

Interessant ist übrigens noch, daß das Jahr 1855 in Preußen ein Con-
cursgesetz gebracht hat. welches von völlig andern Grundsätzen und Ideen
ausgeht, als die alten. Zum Glück sür die Interessenten bestimmt aber ein
Artikel dieses Gesetzes, daß, wenn ein Concurs vor dem 1. October 1355
eröffnet ist, bei demselben die Vorschriften der neuen Einrichtung nicht an¬
gewendet werden sollen, sondern das bisherige Verfahren einzuschlagen ist.

So viel steht übrigens fest, daß unser alter dreihundertjähriger Concurs
bis heute noch nicht beendigt ist. Wird er einst zu Ende geführt sein, so
kann man ihn getrost den sieben Wunderwerken der Weit als achtes an¬
reihen.




Spanische Geschichte.
Geschichte Spaniens zur Zeit der französischen Revolution von H. Baumgarten. Berlin,

G, Reimer.

Die Geschichte Spaniens hat fast nur für die kurze Glanzperiode des 16.
Jahrhunderts, während der es auf die Weltgeschicke einen bestimmenden Ein¬
fluß ausübte, die Beachtung auswärtiger Historiker auf sich gezogen; für die
spätere Zeit stellte sich schon ein sehr empfindlicher Mangel an Quellen jeder
eingehenderen Behandlung entgegen. Desto willkommener heißen wir das
vorliegende Werk, das über einen so bedeutsamen Abschnitt der neueren Ge¬
schichte desselben höchst wichtige neue Aufschlüsse bringt. Unsre bisherige Kunde
von diesen Jahren beruhte fast ausschließlich auf den dürftigen und höchst un¬
zuverlässigen Nachrichten, welche die Memoiren des Friedenssmsten darüber


Bruchtheile entstanden sind. Ist nur Einer, wie die Calculatur ermittelt
haben soll, nicht richtig angesetzt, so können alle andern falsch bedacht sein.
Ist z. B. angenommen, daß der Urgläubiger sechs Brüder gehabt und sind
deren sieben vorhanden gewesen, so müssen sich die Brüche vollkommen anders
stellen. Um dies aber deutlich zu erkennen, hat man die immensen Stamm-
büume der einzelnen Liquidanten verglichen.

Es ist aber nur eine juristische Kuriosität, wenn behauptet wird, die Tri¬
bunalserkenntnisse seien wegen solcher ungenauer Berechnungen unrichtig, und
es existirt eigentlich kein legaler Weg, derartige Versehen gutzumachen, weil
man sich solche abnorme Fälle nicht zu denken vermocht hat.

Interessant ist übrigens noch, daß das Jahr 1855 in Preußen ein Con-
cursgesetz gebracht hat. welches von völlig andern Grundsätzen und Ideen
ausgeht, als die alten. Zum Glück sür die Interessenten bestimmt aber ein
Artikel dieses Gesetzes, daß, wenn ein Concurs vor dem 1. October 1355
eröffnet ist, bei demselben die Vorschriften der neuen Einrichtung nicht an¬
gewendet werden sollen, sondern das bisherige Verfahren einzuschlagen ist.

So viel steht übrigens fest, daß unser alter dreihundertjähriger Concurs
bis heute noch nicht beendigt ist. Wird er einst zu Ende geführt sein, so
kann man ihn getrost den sieben Wunderwerken der Weit als achtes an¬
reihen.




Spanische Geschichte.
Geschichte Spaniens zur Zeit der französischen Revolution von H. Baumgarten. Berlin,

G, Reimer.

Die Geschichte Spaniens hat fast nur für die kurze Glanzperiode des 16.
Jahrhunderts, während der es auf die Weltgeschicke einen bestimmenden Ein¬
fluß ausübte, die Beachtung auswärtiger Historiker auf sich gezogen; für die
spätere Zeit stellte sich schon ein sehr empfindlicher Mangel an Quellen jeder
eingehenderen Behandlung entgegen. Desto willkommener heißen wir das
vorliegende Werk, das über einen so bedeutsamen Abschnitt der neueren Ge¬
schichte desselben höchst wichtige neue Aufschlüsse bringt. Unsre bisherige Kunde
von diesen Jahren beruhte fast ausschließlich auf den dürftigen und höchst un¬
zuverlässigen Nachrichten, welche die Memoiren des Friedenssmsten darüber


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[0276] Bruchtheile entstanden sind. Ist nur Einer, wie die Calculatur ermittelt haben soll, nicht richtig angesetzt, so können alle andern falsch bedacht sein. Ist z. B. angenommen, daß der Urgläubiger sechs Brüder gehabt und sind deren sieben vorhanden gewesen, so müssen sich die Brüche vollkommen anders stellen. Um dies aber deutlich zu erkennen, hat man die immensen Stamm- büume der einzelnen Liquidanten verglichen. Es ist aber nur eine juristische Kuriosität, wenn behauptet wird, die Tri¬ bunalserkenntnisse seien wegen solcher ungenauer Berechnungen unrichtig, und es existirt eigentlich kein legaler Weg, derartige Versehen gutzumachen, weil man sich solche abnorme Fälle nicht zu denken vermocht hat. Interessant ist übrigens noch, daß das Jahr 1855 in Preußen ein Con- cursgesetz gebracht hat. welches von völlig andern Grundsätzen und Ideen ausgeht, als die alten. Zum Glück sür die Interessenten bestimmt aber ein Artikel dieses Gesetzes, daß, wenn ein Concurs vor dem 1. October 1355 eröffnet ist, bei demselben die Vorschriften der neuen Einrichtung nicht an¬ gewendet werden sollen, sondern das bisherige Verfahren einzuschlagen ist. So viel steht übrigens fest, daß unser alter dreihundertjähriger Concurs bis heute noch nicht beendigt ist. Wird er einst zu Ende geführt sein, so kann man ihn getrost den sieben Wunderwerken der Weit als achtes an¬ reihen. Spanische Geschichte. Geschichte Spaniens zur Zeit der französischen Revolution von H. Baumgarten. Berlin, G, Reimer. Die Geschichte Spaniens hat fast nur für die kurze Glanzperiode des 16. Jahrhunderts, während der es auf die Weltgeschicke einen bestimmenden Ein¬ fluß ausübte, die Beachtung auswärtiger Historiker auf sich gezogen; für die spätere Zeit stellte sich schon ein sehr empfindlicher Mangel an Quellen jeder eingehenderen Behandlung entgegen. Desto willkommener heißen wir das vorliegende Werk, das über einen so bedeutsamen Abschnitt der neueren Ge¬ schichte desselben höchst wichtige neue Aufschlüsse bringt. Unsre bisherige Kunde von diesen Jahren beruhte fast ausschließlich auf den dürftigen und höchst un¬ zuverlässigen Nachrichten, welche die Memoiren des Friedenssmsten darüber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/276>, abgerufen am 13.11.2024.