Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.betrogen werden: das Oberlandesgcricht, namentlich der in der Sache ernannte ' ' Die Mitglieder des Richtercollegiums, denen in diesem Falle bedenkliche betrogen werden: das Oberlandesgcricht, namentlich der in der Sache ernannte ' ' Die Mitglieder des Richtercollegiums, denen in diesem Falle bedenkliche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0274" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112244"/> <p xml:id="ID_904" prev="#ID_903"> betrogen werden: das Oberlandesgcricht, namentlich der in der Sache ernannte<lb/> Referent legten teil größten Eifer an den Tag, und es wurde im Februar 1839<lb/> die Präclusorie abgefaßt — aber auch diesmal hatten die Gläubiger ihre<lb/> Rechnungen ohne den Wirth gemacht. Wie sich nämlich später zeigte, war<lb/> man in der Eile und von dem löblichen Bestreben geleitet, die Sache definitiv<lb/> zu erledigen, leider gar zu radical verfahren und hatte in dem Erkenntnisse<lb/> eine Menge von Gläubigern, welche theils in Person leibhaftig, theils durch<lb/> Vertreter im Termine erschienen waren, ohne Barmherzigkeit präcludirt, andern<lb/> aber, die wirklich sich nicht angegeben hatten, ihre Rechte vorbehalten und da<lb/> man den Irrthum zu spät erkannte, dieses unglückliche Erkenntniß förmlich<lb/> publiant. Der Eindruck, welchen diese neue Täuschung bei den mit den san¬<lb/> guinischsten Hoffnungen erschienenen Gläubigern machte, von denen mehre<lb/> eine halbe Million liquidirt hatten, war unbeschreiblich: es war wie wenn<lb/> von Girier bedeutenden Schlacht die ersten Nachrichten ankommen und die<lb/> harrendetr Mütter die Nachricht von dem Tode ihrer Söhne erhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_905" next="#ID_906"> ' ' Die Mitglieder des Richtercollegiums, denen in diesem Falle bedenkliche<lb/> Zweifel an ihrer bisher unbestrittenen Unfehlbarkeit aufsteigen mochten, ve-<lb/> gnügtels sich mit einer amtlichen Verzweiflung, die präcludirtcn Parteien aber,<lb/> die von der menschlichen Schwäche des Gerichts keine Ahnung hatten und<lb/> natürlich annehmen mußten, ihre Sachwalter hätten ihren Auftrag nicht aus<lb/> geführt und sich im Termin nicht gemeldet, führten bei dem Gerichte selbst,<lb/> dem Urheber aller dieser Leiden, Beschwerde über ihre Anwälte und über¬<lb/> häuften diese mit Vorwürfen über ihre Nachlässigkeit; die letzteren wiederum,<lb/> im schönen Gefühle ihrer Unschuld, machten ihrerseits bei dem Gerichte ihrer<lb/> Entrüstung durch empfindliche Eingaben Luft und verlangten, weil dieser Fall<lb/> in der Gerichtsordnung nicht vorgesehen ist und sie nicht wüßten, welches<lb/> Rechtsmittel zu ergreifen sei. die Einen Declaration, die Anderen Restitution,<lb/> Mehrere Appellation und Einige ein Nachtragserkenntniß. In der That war<lb/> der Fall juristisch merkwürdig und die Entscheidung nicht ohne Schwierigkeiten!<lb/> ein Irrthum in Namen oder Zahlen war in dem Erkenntnisse eigentlich nicht<lb/> vorhanden und lag daher der Fall einer Declaration im Grunde nicht vor;<lb/> Restitution konnte deshalb nicht stattfinden, weil dies Rechtsmittel nur für<lb/> sölche Personen gegeben ist, die nicht erschienen sind — die Präclüd'irten aber<lb/> erschienen wären; Appellation gegen eine Präclusorie kennt die Gerichtsordnung<lb/> nicht und Nachtragserkenntnisse können nur abgefaßt werden, wenn etwas im<lb/> Haupterkenntnisse vergessen worden ist: — die präcludirtcn Gläubiger aber<lb/> waren nicht vergessen! Nach hartnäckigen Debatten entschied sich das Richtercollc-<lb/> gium für eine Declaration, die denn auch abgefaßt und im I. ^9<lb/> publicirt wurde, worauf zur Fortführung der Sache demnächst die Anlegung<lb/> von 59 Specialacten verfügt und in jeder Sache Termin zur Entwerfung eines</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0274]
betrogen werden: das Oberlandesgcricht, namentlich der in der Sache ernannte
Referent legten teil größten Eifer an den Tag, und es wurde im Februar 1839
die Präclusorie abgefaßt — aber auch diesmal hatten die Gläubiger ihre
Rechnungen ohne den Wirth gemacht. Wie sich nämlich später zeigte, war
man in der Eile und von dem löblichen Bestreben geleitet, die Sache definitiv
zu erledigen, leider gar zu radical verfahren und hatte in dem Erkenntnisse
eine Menge von Gläubigern, welche theils in Person leibhaftig, theils durch
Vertreter im Termine erschienen waren, ohne Barmherzigkeit präcludirt, andern
aber, die wirklich sich nicht angegeben hatten, ihre Rechte vorbehalten und da
man den Irrthum zu spät erkannte, dieses unglückliche Erkenntniß förmlich
publiant. Der Eindruck, welchen diese neue Täuschung bei den mit den san¬
guinischsten Hoffnungen erschienenen Gläubigern machte, von denen mehre
eine halbe Million liquidirt hatten, war unbeschreiblich: es war wie wenn
von Girier bedeutenden Schlacht die ersten Nachrichten ankommen und die
harrendetr Mütter die Nachricht von dem Tode ihrer Söhne erhalten.
' ' Die Mitglieder des Richtercollegiums, denen in diesem Falle bedenkliche
Zweifel an ihrer bisher unbestrittenen Unfehlbarkeit aufsteigen mochten, ve-
gnügtels sich mit einer amtlichen Verzweiflung, die präcludirtcn Parteien aber,
die von der menschlichen Schwäche des Gerichts keine Ahnung hatten und
natürlich annehmen mußten, ihre Sachwalter hätten ihren Auftrag nicht aus
geführt und sich im Termin nicht gemeldet, führten bei dem Gerichte selbst,
dem Urheber aller dieser Leiden, Beschwerde über ihre Anwälte und über¬
häuften diese mit Vorwürfen über ihre Nachlässigkeit; die letzteren wiederum,
im schönen Gefühle ihrer Unschuld, machten ihrerseits bei dem Gerichte ihrer
Entrüstung durch empfindliche Eingaben Luft und verlangten, weil dieser Fall
in der Gerichtsordnung nicht vorgesehen ist und sie nicht wüßten, welches
Rechtsmittel zu ergreifen sei. die Einen Declaration, die Anderen Restitution,
Mehrere Appellation und Einige ein Nachtragserkenntniß. In der That war
der Fall juristisch merkwürdig und die Entscheidung nicht ohne Schwierigkeiten!
ein Irrthum in Namen oder Zahlen war in dem Erkenntnisse eigentlich nicht
vorhanden und lag daher der Fall einer Declaration im Grunde nicht vor;
Restitution konnte deshalb nicht stattfinden, weil dies Rechtsmittel nur für
sölche Personen gegeben ist, die nicht erschienen sind — die Präclüd'irten aber
erschienen wären; Appellation gegen eine Präclusorie kennt die Gerichtsordnung
nicht und Nachtragserkenntnisse können nur abgefaßt werden, wenn etwas im
Haupterkenntnisse vergessen worden ist: — die präcludirtcn Gläubiger aber
waren nicht vergessen! Nach hartnäckigen Debatten entschied sich das Richtercollc-
gium für eine Declaration, die denn auch abgefaßt und im I. ^9
publicirt wurde, worauf zur Fortführung der Sache demnächst die Anlegung
von 59 Specialacten verfügt und in jeder Sache Termin zur Entwerfung eines
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