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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Der älteste Proceß der Welt.

Unter den edlen Geschlechtern Deutschlands nehmen Ac Grafen von
Mansfeld nicht minder durch das Alter ihres Stammbaums, wie durch die
Menge von mannhaften Helden, die aus ihrer Mitte hervorgingen, eine her¬
vorragende Stellung ein. Von ihrem ersten beglaubigten Austreten in der
Geschichte an bis zu dem im I. 1780 erfolgten Erlöschen des Geschlechtes
sind die Grafen von Mansfeld häufiger als irgend eine andere adlige Sippe
auf der politischen Bühne mit mehr oder weniger Glück und Ruhm thätig
gewesen, ja Einzelnen von ihnen war es vergönnt, ihre Namen auf das Engste
mit den großen Ereignissen der Weltgeschichte zu verknüpfen. Und als ob dies
Geschlecht, dessen Mitglieder bei Lebzeiten einen so regen Antheil an ihrer
Zeit und ihrem Lande genommen hatten, auch im Tode nicht ruhen könnte,
ruft noch heute die bloße Nennung des gräflichen Namens wenigstens in der
ominösen Zusammenstellung, die die Ueberschrift dieser Zeilen enthält, -- gleich¬
wie einst das Schmettern ihrer Trompeten in der Feldschlacht -- bei den Einen
Furcht und Zagen, bei den Anderen Freude und ftoheste Hoffnungen hervor:
nur sind diejenigen, denen jener Name Angstseufzer auspreßt, nicht mehr
geharnischte feindliche Ritter, sondern stille, freundliche Beamte, "in schwarzem
Frack und höflichen Manschetten," und die Andern mit ihrem Frohlocken und
ihren Hoffnungen nicht mehr Freunde und Verbündete des glorreichen Ge¬
schlechtes, sondern dessen grimmigste Feinde und Verfolger, die zuletzt auch
die tapferen Grafen zum Weichen gebracht haben.

Die nachstehenden Zeilen beabsichtigen eine flüchtige Skizze des berühm¬
ten gräflich Mansfeld'schen Creditwesens zu geben, das in mehr als einer
Beziehung merkwürdig dazu bestimmt zu sein scheint, das Andenken des
gräflichen Namens fast ebenso sicher wie "der Segen des Mansfelder Berg¬
baues" den fernsten Zeiten zu überliefern und den damit betrauten Referenten
und Decernenten kaum mindern Kummer als den glücklichen Curatoren Freude
und Wohlleben bereitet und den liquidirenden Gläubigern ungemessene Hoff¬
nungen erweckt hat.

Der älteste Graf, welchen die Geschichte kennt, ist Hoyer der Rothe, der
um das Jahr 542 lebte, der erste aber, von welchem die Abstammung histo¬
risch verfolgt werden kann, ist Hoyer mit dem Zunamen: der Ungeborene, weil
^ bei seiner Geburt aus dem Mutterleibe geschnitten werden mußte. Er ist
dadurch berühmt geworden, daß er Kaiser Lothars Heer befehligte und 1135
am Welsesholze bei Gerbstädt erstochen wurde.


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Der älteste Proceß der Welt.

Unter den edlen Geschlechtern Deutschlands nehmen Ac Grafen von
Mansfeld nicht minder durch das Alter ihres Stammbaums, wie durch die
Menge von mannhaften Helden, die aus ihrer Mitte hervorgingen, eine her¬
vorragende Stellung ein. Von ihrem ersten beglaubigten Austreten in der
Geschichte an bis zu dem im I. 1780 erfolgten Erlöschen des Geschlechtes
sind die Grafen von Mansfeld häufiger als irgend eine andere adlige Sippe
auf der politischen Bühne mit mehr oder weniger Glück und Ruhm thätig
gewesen, ja Einzelnen von ihnen war es vergönnt, ihre Namen auf das Engste
mit den großen Ereignissen der Weltgeschichte zu verknüpfen. Und als ob dies
Geschlecht, dessen Mitglieder bei Lebzeiten einen so regen Antheil an ihrer
Zeit und ihrem Lande genommen hatten, auch im Tode nicht ruhen könnte,
ruft noch heute die bloße Nennung des gräflichen Namens wenigstens in der
ominösen Zusammenstellung, die die Ueberschrift dieser Zeilen enthält, — gleich¬
wie einst das Schmettern ihrer Trompeten in der Feldschlacht — bei den Einen
Furcht und Zagen, bei den Anderen Freude und ftoheste Hoffnungen hervor:
nur sind diejenigen, denen jener Name Angstseufzer auspreßt, nicht mehr
geharnischte feindliche Ritter, sondern stille, freundliche Beamte, „in schwarzem
Frack und höflichen Manschetten," und die Andern mit ihrem Frohlocken und
ihren Hoffnungen nicht mehr Freunde und Verbündete des glorreichen Ge¬
schlechtes, sondern dessen grimmigste Feinde und Verfolger, die zuletzt auch
die tapferen Grafen zum Weichen gebracht haben.

Die nachstehenden Zeilen beabsichtigen eine flüchtige Skizze des berühm¬
ten gräflich Mansfeld'schen Creditwesens zu geben, das in mehr als einer
Beziehung merkwürdig dazu bestimmt zu sein scheint, das Andenken des
gräflichen Namens fast ebenso sicher wie „der Segen des Mansfelder Berg¬
baues" den fernsten Zeiten zu überliefern und den damit betrauten Referenten
und Decernenten kaum mindern Kummer als den glücklichen Curatoren Freude
und Wohlleben bereitet und den liquidirenden Gläubigern ungemessene Hoff¬
nungen erweckt hat.

Der älteste Graf, welchen die Geschichte kennt, ist Hoyer der Rothe, der
um das Jahr 542 lebte, der erste aber, von welchem die Abstammung histo¬
risch verfolgt werden kann, ist Hoyer mit dem Zunamen: der Ungeborene, weil
^ bei seiner Geburt aus dem Mutterleibe geschnitten werden mußte. Er ist
dadurch berühmt geworden, daß er Kaiser Lothars Heer befehligte und 1135
am Welsesholze bei Gerbstädt erstochen wurde.


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[0261] Der älteste Proceß der Welt. Unter den edlen Geschlechtern Deutschlands nehmen Ac Grafen von Mansfeld nicht minder durch das Alter ihres Stammbaums, wie durch die Menge von mannhaften Helden, die aus ihrer Mitte hervorgingen, eine her¬ vorragende Stellung ein. Von ihrem ersten beglaubigten Austreten in der Geschichte an bis zu dem im I. 1780 erfolgten Erlöschen des Geschlechtes sind die Grafen von Mansfeld häufiger als irgend eine andere adlige Sippe auf der politischen Bühne mit mehr oder weniger Glück und Ruhm thätig gewesen, ja Einzelnen von ihnen war es vergönnt, ihre Namen auf das Engste mit den großen Ereignissen der Weltgeschichte zu verknüpfen. Und als ob dies Geschlecht, dessen Mitglieder bei Lebzeiten einen so regen Antheil an ihrer Zeit und ihrem Lande genommen hatten, auch im Tode nicht ruhen könnte, ruft noch heute die bloße Nennung des gräflichen Namens wenigstens in der ominösen Zusammenstellung, die die Ueberschrift dieser Zeilen enthält, — gleich¬ wie einst das Schmettern ihrer Trompeten in der Feldschlacht — bei den Einen Furcht und Zagen, bei den Anderen Freude und ftoheste Hoffnungen hervor: nur sind diejenigen, denen jener Name Angstseufzer auspreßt, nicht mehr geharnischte feindliche Ritter, sondern stille, freundliche Beamte, „in schwarzem Frack und höflichen Manschetten," und die Andern mit ihrem Frohlocken und ihren Hoffnungen nicht mehr Freunde und Verbündete des glorreichen Ge¬ schlechtes, sondern dessen grimmigste Feinde und Verfolger, die zuletzt auch die tapferen Grafen zum Weichen gebracht haben. Die nachstehenden Zeilen beabsichtigen eine flüchtige Skizze des berühm¬ ten gräflich Mansfeld'schen Creditwesens zu geben, das in mehr als einer Beziehung merkwürdig dazu bestimmt zu sein scheint, das Andenken des gräflichen Namens fast ebenso sicher wie „der Segen des Mansfelder Berg¬ baues" den fernsten Zeiten zu überliefern und den damit betrauten Referenten und Decernenten kaum mindern Kummer als den glücklichen Curatoren Freude und Wohlleben bereitet und den liquidirenden Gläubigern ungemessene Hoff¬ nungen erweckt hat. Der älteste Graf, welchen die Geschichte kennt, ist Hoyer der Rothe, der um das Jahr 542 lebte, der erste aber, von welchem die Abstammung histo¬ risch verfolgt werden kann, ist Hoyer mit dem Zunamen: der Ungeborene, weil ^ bei seiner Geburt aus dem Mutterleibe geschnitten werden mußte. Er ist dadurch berühmt geworden, daß er Kaiser Lothars Heer befehligte und 1135 am Welsesholze bei Gerbstädt erstochen wurde. 32*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/261>, abgerufen am 22.12.2024.