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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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einige in den mehrgedachten beiden Flugschriften dargestellte Einreden zu be¬
sprechen.

Wenn zunächst in der Schrift: "die Negierungsfolge im Herzogthume
Braunschweig," geltend gemacht wird, daß der Fortbestand des Herzogthums
als eigener Staat neben dem Königreiche Hannover schon wegen der geogra¬
phischen Lage beider Länder unmöglich sei (S. 31.), so fragen wir dagegen
einfach, wie denn der Bestand des Herzogthums neben dem Königreiche bisher
seit Jahrhunderten möglich gewesen? Und wenn uns geantwortet wird, weil
jenes eine eigene Regierung gehabt, so wird damit auch die fernere Möglich¬
keit zugegeben, denn Braunschweig hat auch ferner ein unbestreitbares Recht
auf eine eigene Regierung. -- Aber, wendet hiergegen die citirte Brochüre
S. 32 und 33 ein, das königliche Haus von Hannover hat die Verbindlich¬
keit übernommen, seine Residenz in Hannover zu behalten, wahrend die braun-
schweigische Verfassung vorschreibt, daß der Sitz der Negierung nicht außer
Landes verlegt werden soll. Wir müssen gestehen, daß uns eine solche Ver¬
bindlichkeit des königlichen Hauses unbekannt ist; gesetzt aber, sie Ware vor¬
handen, so würde das keineswegs die Ausführung des §. 13. der braun-
schweig'schen Verfassung unmöglich machen, da der Herzog zwar die gesammte
Staatsgewalt in sich vereinigt, solche jedoch nur aus verfassungsmäßige Weise
ausübt (§. 3. der neuen Landschastsordnung), das heißt unter Contrasignatur
des verantwortlichen Staatsministerii (,§§. 155. und fig.). Das Staatsmini¬
sterium ist unmittelbar unter dem Landesfürsten mit der obersten cvUegialischen
Leitung der Landesverwaltung ausschließlich beauftragt, und der Sitz der Ne¬
gierung befindet sich mithin da, wo das Staatsministerium domicilirt "se.
Wir wollen übrigens der Stadt Braunschweig zur Beruhigung sagen, daß uns
kein Bedenken bekannt ist, welches den demnächstigen Herzog von Braunschweig,
falls er zugleich König von Hannover ist, abhalten könnte, wenigstens eine
Zeitlang alljährlich in dem herrlichen Nesidcnzschwsse zu Braunschweig, dem
genialen Bauwerke des unsterblichen Olhmer, Hof zu halten.

-Eine zweite Einrede gegen die Successionsbercchtigung des hannöverschen
Hauses finden wir in der anderen Broschüre (Andeutungen :c. von einem
braunschweigischen Juristen) wo Seite 22 die Behauptung aufgestellt ist, daß,
da die hannöversche Dynastie von Eleonore d'Olbreuse abstamme, die dem
hohen Adel nicht angehört habe, die in §. 14. der neuen Landschastsordnung
vorausgesetzte ebenbürtige Abstammung bei derselben nicht vorhanden sei. Wir
bemerken dagegen Folgendes:

Eleonore d'Esmieres, die Tochter des Herrn d'Olbreuse, verheirathete sich
mit dem Herzoge Georg Wilhelm von Celle. aus welcher Ehe als einziges
Kind Sophia Dorothea geboren wurde, nachdem schon vorher der deutsche
Kaiser die schöne Eleonore in den Fürstenstand erhoben und der Bruder Georg


einige in den mehrgedachten beiden Flugschriften dargestellte Einreden zu be¬
sprechen.

Wenn zunächst in der Schrift: „die Negierungsfolge im Herzogthume
Braunschweig," geltend gemacht wird, daß der Fortbestand des Herzogthums
als eigener Staat neben dem Königreiche Hannover schon wegen der geogra¬
phischen Lage beider Länder unmöglich sei (S. 31.), so fragen wir dagegen
einfach, wie denn der Bestand des Herzogthums neben dem Königreiche bisher
seit Jahrhunderten möglich gewesen? Und wenn uns geantwortet wird, weil
jenes eine eigene Regierung gehabt, so wird damit auch die fernere Möglich¬
keit zugegeben, denn Braunschweig hat auch ferner ein unbestreitbares Recht
auf eine eigene Regierung. — Aber, wendet hiergegen die citirte Brochüre
S. 32 und 33 ein, das königliche Haus von Hannover hat die Verbindlich¬
keit übernommen, seine Residenz in Hannover zu behalten, wahrend die braun-
schweigische Verfassung vorschreibt, daß der Sitz der Negierung nicht außer
Landes verlegt werden soll. Wir müssen gestehen, daß uns eine solche Ver¬
bindlichkeit des königlichen Hauses unbekannt ist; gesetzt aber, sie Ware vor¬
handen, so würde das keineswegs die Ausführung des §. 13. der braun-
schweig'schen Verfassung unmöglich machen, da der Herzog zwar die gesammte
Staatsgewalt in sich vereinigt, solche jedoch nur aus verfassungsmäßige Weise
ausübt (§. 3. der neuen Landschastsordnung), das heißt unter Contrasignatur
des verantwortlichen Staatsministerii (,§§. 155. und fig.). Das Staatsmini¬
sterium ist unmittelbar unter dem Landesfürsten mit der obersten cvUegialischen
Leitung der Landesverwaltung ausschließlich beauftragt, und der Sitz der Ne¬
gierung befindet sich mithin da, wo das Staatsministerium domicilirt «se.
Wir wollen übrigens der Stadt Braunschweig zur Beruhigung sagen, daß uns
kein Bedenken bekannt ist, welches den demnächstigen Herzog von Braunschweig,
falls er zugleich König von Hannover ist, abhalten könnte, wenigstens eine
Zeitlang alljährlich in dem herrlichen Nesidcnzschwsse zu Braunschweig, dem
genialen Bauwerke des unsterblichen Olhmer, Hof zu halten.

-Eine zweite Einrede gegen die Successionsbercchtigung des hannöverschen
Hauses finden wir in der anderen Broschüre (Andeutungen :c. von einem
braunschweigischen Juristen) wo Seite 22 die Behauptung aufgestellt ist, daß,
da die hannöversche Dynastie von Eleonore d'Olbreuse abstamme, die dem
hohen Adel nicht angehört habe, die in §. 14. der neuen Landschastsordnung
vorausgesetzte ebenbürtige Abstammung bei derselben nicht vorhanden sei. Wir
bemerken dagegen Folgendes:

Eleonore d'Esmieres, die Tochter des Herrn d'Olbreuse, verheirathete sich
mit dem Herzoge Georg Wilhelm von Celle. aus welcher Ehe als einziges
Kind Sophia Dorothea geboren wurde, nachdem schon vorher der deutsche
Kaiser die schöne Eleonore in den Fürstenstand erhoben und der Bruder Georg


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[0026] einige in den mehrgedachten beiden Flugschriften dargestellte Einreden zu be¬ sprechen. Wenn zunächst in der Schrift: „die Negierungsfolge im Herzogthume Braunschweig," geltend gemacht wird, daß der Fortbestand des Herzogthums als eigener Staat neben dem Königreiche Hannover schon wegen der geogra¬ phischen Lage beider Länder unmöglich sei (S. 31.), so fragen wir dagegen einfach, wie denn der Bestand des Herzogthums neben dem Königreiche bisher seit Jahrhunderten möglich gewesen? Und wenn uns geantwortet wird, weil jenes eine eigene Regierung gehabt, so wird damit auch die fernere Möglich¬ keit zugegeben, denn Braunschweig hat auch ferner ein unbestreitbares Recht auf eine eigene Regierung. — Aber, wendet hiergegen die citirte Brochüre S. 32 und 33 ein, das königliche Haus von Hannover hat die Verbindlich¬ keit übernommen, seine Residenz in Hannover zu behalten, wahrend die braun- schweigische Verfassung vorschreibt, daß der Sitz der Negierung nicht außer Landes verlegt werden soll. Wir müssen gestehen, daß uns eine solche Ver¬ bindlichkeit des königlichen Hauses unbekannt ist; gesetzt aber, sie Ware vor¬ handen, so würde das keineswegs die Ausführung des §. 13. der braun- schweig'schen Verfassung unmöglich machen, da der Herzog zwar die gesammte Staatsgewalt in sich vereinigt, solche jedoch nur aus verfassungsmäßige Weise ausübt (§. 3. der neuen Landschastsordnung), das heißt unter Contrasignatur des verantwortlichen Staatsministerii (,§§. 155. und fig.). Das Staatsmini¬ sterium ist unmittelbar unter dem Landesfürsten mit der obersten cvUegialischen Leitung der Landesverwaltung ausschließlich beauftragt, und der Sitz der Ne¬ gierung befindet sich mithin da, wo das Staatsministerium domicilirt «se. Wir wollen übrigens der Stadt Braunschweig zur Beruhigung sagen, daß uns kein Bedenken bekannt ist, welches den demnächstigen Herzog von Braunschweig, falls er zugleich König von Hannover ist, abhalten könnte, wenigstens eine Zeitlang alljährlich in dem herrlichen Nesidcnzschwsse zu Braunschweig, dem genialen Bauwerke des unsterblichen Olhmer, Hof zu halten. -Eine zweite Einrede gegen die Successionsbercchtigung des hannöverschen Hauses finden wir in der anderen Broschüre (Andeutungen :c. von einem braunschweigischen Juristen) wo Seite 22 die Behauptung aufgestellt ist, daß, da die hannöversche Dynastie von Eleonore d'Olbreuse abstamme, die dem hohen Adel nicht angehört habe, die in §. 14. der neuen Landschastsordnung vorausgesetzte ebenbürtige Abstammung bei derselben nicht vorhanden sei. Wir bemerken dagegen Folgendes: Eleonore d'Esmieres, die Tochter des Herrn d'Olbreuse, verheirathete sich mit dem Herzoge Georg Wilhelm von Celle. aus welcher Ehe als einziges Kind Sophia Dorothea geboren wurde, nachdem schon vorher der deutsche Kaiser die schöne Eleonore in den Fürstenstand erhoben und der Bruder Georg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/26>, abgerufen am 23.12.2024.