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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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rieb dem Vierten überreichte, sagt, es habe sie ihm Nostradamus' Neffe, Heinrich
Nostradamus kurz vor seinem Tode vor einigen Jahren gegeben; in keinem
Fall ist das in der Ueberschrift unsres Schmähgedichtes enthaltene Datum:
"vor mehr dann 60 Jahren" zutreffend. Ich bemerke übrigens, daß es eine
Ausgabe der "vönwries" giebt, "sur ig, Loxis lupi'inse ü, Rouen en 1K49"
in der ein Holzschnitt "Is, mort an ä'^nslöterre et. I'inesnäie as Lonüres"
darstellt. -- In der Uebersetzung des letzten Verses: "Uranisch Trank u. s. w."
ist ein Wortspiel gemacht, indem der Orangensaft des Nostradamus auf das
Haus Oranien bezogen wird. Lor oder Lörlwein. auch Leurentrank benannt.
bezeichnet am Oberrhein eine schlechte Weinsorte für die Knechte, etwa: Krätzer.




Es ist bekannt, daß die obenerwähnte Prophezeiung sich nicht erfüllt
hat. England blieb bis zum Tode des genialen und gewaltigen Mannes,
der seine Geschicke damals lenkte, unangefochten auf der Höhe der Macht.
Der Verfasser unsres, im Geiste des Zeitalters sehr rohen Schmähgcdichts zeigte
sich als kurzsichtigen Politiker: er muß übrigens mit einer lebhaften Phantasie
begabt gewesen sein. Nur daraus könnte man sich erklären, daß er Dänemark
und Frankreich mit in den Kreis seiner Berechnungen zog; denn von diesen
beiden Mächten damals (1655) zu vermuthen, daß sie einen Krieg mit dem
Protector beginnen würden, dafür hatte es auch nicht den Schein eines Grundes:
eher ließ sich denken, daß die Holländer vielleicht auf's Neue sich erhöben oder
daß das unterjochte Schottland oder Irland einen Aufstandsversuch machen
könnte.

Wer ist nun aber der Verfasser dieses merkwürdigen Flugblattes? wird
Man fragen. Er hat sich nicht genannt, wenn man nicht die am Ende bei-
gefügten Worte: "C. vom Pas", die ich nicht zu deuten verstehe, für den
Namen des Autors halten will. Dagegen läßt sich vielleicht bestimmen, aus
welcher Gegend Deutschlands sein Blatt hervorgegangen ist. Die Verbindung
von Kupferstich und Dichtung, sowie Einzelnes in der Sprache weist nach
Süddeutschland und da liegt es. wie uns scheint, nahe, den Meister, in dessen
Werkstatt die Verunglimpfung der englischen Republik und ihres Oberhauptes
'n Kupfer gestochen ward, in der Rheinpfalz, etwa in Heidelberg zu suchen.
Hierhin war im Jahre 1649. bald nachdem Karl der Erste hingerichtet wor¬
den, der Kurfürst Karl Ludwig, der Sohn des unglücklichen Friedrich des
Austen. nack dreißigjähriger Verbannung von London aus zurückgekehrt. Er
°is Schwestersohn Karls des Ersten, als Bruder Ruprechts, "des Cavaliers"
^ ganz vornehmlich mit den Geschicken Englands verknüpft. Es erscheint
^her sehr annehmbar, daß gerade in seinem Lande eine besondere Theilnahme
an dem Loose der Stuarts geherrscht habe, und diese dürfte dann auch der
äuße A. C. re Anlaß zur Entstehung unseres Flugblattes gewesen sein.




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rieb dem Vierten überreichte, sagt, es habe sie ihm Nostradamus' Neffe, Heinrich
Nostradamus kurz vor seinem Tode vor einigen Jahren gegeben; in keinem
Fall ist das in der Ueberschrift unsres Schmähgedichtes enthaltene Datum:
„vor mehr dann 60 Jahren" zutreffend. Ich bemerke übrigens, daß es eine
Ausgabe der „vönwries" giebt, „sur ig, Loxis lupi'inse ü, Rouen en 1K49"
in der ein Holzschnitt „Is, mort an ä'^nslöterre et. I'inesnäie as Lonüres"
darstellt. — In der Uebersetzung des letzten Verses: „Uranisch Trank u. s. w."
ist ein Wortspiel gemacht, indem der Orangensaft des Nostradamus auf das
Haus Oranien bezogen wird. Lor oder Lörlwein. auch Leurentrank benannt.
bezeichnet am Oberrhein eine schlechte Weinsorte für die Knechte, etwa: Krätzer.




Es ist bekannt, daß die obenerwähnte Prophezeiung sich nicht erfüllt
hat. England blieb bis zum Tode des genialen und gewaltigen Mannes,
der seine Geschicke damals lenkte, unangefochten auf der Höhe der Macht.
Der Verfasser unsres, im Geiste des Zeitalters sehr rohen Schmähgcdichts zeigte
sich als kurzsichtigen Politiker: er muß übrigens mit einer lebhaften Phantasie
begabt gewesen sein. Nur daraus könnte man sich erklären, daß er Dänemark
und Frankreich mit in den Kreis seiner Berechnungen zog; denn von diesen
beiden Mächten damals (1655) zu vermuthen, daß sie einen Krieg mit dem
Protector beginnen würden, dafür hatte es auch nicht den Schein eines Grundes:
eher ließ sich denken, daß die Holländer vielleicht auf's Neue sich erhöben oder
daß das unterjochte Schottland oder Irland einen Aufstandsversuch machen
könnte.

Wer ist nun aber der Verfasser dieses merkwürdigen Flugblattes? wird
Man fragen. Er hat sich nicht genannt, wenn man nicht die am Ende bei-
gefügten Worte: „C. vom Pas", die ich nicht zu deuten verstehe, für den
Namen des Autors halten will. Dagegen läßt sich vielleicht bestimmen, aus
welcher Gegend Deutschlands sein Blatt hervorgegangen ist. Die Verbindung
von Kupferstich und Dichtung, sowie Einzelnes in der Sprache weist nach
Süddeutschland und da liegt es. wie uns scheint, nahe, den Meister, in dessen
Werkstatt die Verunglimpfung der englischen Republik und ihres Oberhauptes
'n Kupfer gestochen ward, in der Rheinpfalz, etwa in Heidelberg zu suchen.
Hierhin war im Jahre 1649. bald nachdem Karl der Erste hingerichtet wor¬
den, der Kurfürst Karl Ludwig, der Sohn des unglücklichen Friedrich des
Austen. nack dreißigjähriger Verbannung von London aus zurückgekehrt. Er
°is Schwestersohn Karls des Ersten, als Bruder Ruprechts, „des Cavaliers"
^ ganz vornehmlich mit den Geschicken Englands verknüpft. Es erscheint
^her sehr annehmbar, daß gerade in seinem Lande eine besondere Theilnahme
an dem Loose der Stuarts geherrscht habe, und diese dürfte dann auch der
äuße A. C. re Anlaß zur Entstehung unseres Flugblattes gewesen sein.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/245>, abgerufen am 23.12.2024.