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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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beste Bedenken hegen, dafür zu stimmen, daß die deutsche Bundesversammlung
ebenso befugt als verpflichtet sei. auf das Gesuch der Landstände des Herzog-
thums Braunschweig einzugehen, und conformircn sich daher Allerhöchstdiesel-
ben dem von der Reclamationscommission gestellten Antrage ohne einige Be¬
schränkung.

Was die nach Verlesung des Vortrags der Commission in der 23. dies¬
jährigen Sitzung zu Protocoll gegebene Erklärung der Herzoglich Braunschwei¬
gischen Bundestagsgesandtschaft anbetrifft, so ist sie nicht geeignet, gegen den
gesetzlichen Grund des gestellten Antrags erhebliche Zweifel zu erwecken.

Alles dasjenige, was über den factischen Zustand einer anerkannten Wirk¬
samkeit der Landschaftsordnung vom Jahre 1820 vorgebracht worden, findet
in dem Gutachten der Commission zum Voraus seine gründliche Erledigung.
Wenn man aber dem von der Herzoglich Braunschweigischen Gesandtschaft auf¬
gestellten Begriffe der "anerkannten Wirksamkeit" beitreten wollte, so würde
das Bestehen ständischer Verfassungen, dem Geiste und den Worten der Bun¬
desgesetze zuwider, der freien Willkür der Regierungen, oder wenigstens eines
jeden zur Erbfolge berufenen neuen Regenten anheimgestellt sein.

Erforderte man nämlich zu dem einzigen in dem Artikel 56 der Schlu߬
acte festgesetzten Requisite der Unverletzlichkeit einer Verfassung, der anerkann¬
ten, das heißt der von Niemandem mit Grunde zu verkennenden, Wirksamkeit
derselben, noch einen willkürlichen Act der Anerkennung eines die Regierung
antretenden Regenten, so hinge es nur von ihm ab, diese ausdrücklich, durch
eingelegte Protestation, oder stillschweigend, durch Nichtberufung der Landstände
zur gesetzlichen Frist, nach Gutdünken zu vernichten. Keine Spur, einer solchen
Vorschrift enthält der §. 19 der erneuerten Landschaftsordnung, dessen offen¬
kundiger Zweck vielmehr gerade dahin geht, den Rechtsbestand der Willkür des
Regierungsnachfolgers zu entziehen.

Richtig ist die Bemerkung, daß die Landschnstsordnung von dem Vor¬
munde in der Ueberzeugung gegeben worden sei, daß sie dem Besten und
den wahren Bedürfnissen des Landes entspreche, indem als Grundsatz
dabei die Regierungsmaxime des königlichen Hauses befolgt ist, nie das
Wohl der Unterthanen von dem des Herrn getrennt zu denken und das
Glück des letzteren nur in dem der ersteren zu suchen und zu finden."")
Dieses Votum ist für unsere Zwecke um so wichtiger, als es sich gegen¬

wärtig um die Vertheidigung der braunschweigischen Verfassung gegen etwaige
Gelüste gerade Hannovers handelt und als das Recht Braunschweigs auf seine



*) Vgl. "Die Verhandlungen der Bundesversammlung von den revolutionären Bewe¬
gungen des Jahres 1830 bis zu den geheimen Wiener Ministerialconftrenzcn, ihrem wesentli¬
chen Inhalte nach mitgetheilt aus den Protocollen des Bundes. Heidelberg, Verlag von Ju¬
lius Groos. 1L46." S. öl fig.

beste Bedenken hegen, dafür zu stimmen, daß die deutsche Bundesversammlung
ebenso befugt als verpflichtet sei. auf das Gesuch der Landstände des Herzog-
thums Braunschweig einzugehen, und conformircn sich daher Allerhöchstdiesel-
ben dem von der Reclamationscommission gestellten Antrage ohne einige Be¬
schränkung.

Was die nach Verlesung des Vortrags der Commission in der 23. dies¬
jährigen Sitzung zu Protocoll gegebene Erklärung der Herzoglich Braunschwei¬
gischen Bundestagsgesandtschaft anbetrifft, so ist sie nicht geeignet, gegen den
gesetzlichen Grund des gestellten Antrags erhebliche Zweifel zu erwecken.

Alles dasjenige, was über den factischen Zustand einer anerkannten Wirk¬
samkeit der Landschaftsordnung vom Jahre 1820 vorgebracht worden, findet
in dem Gutachten der Commission zum Voraus seine gründliche Erledigung.
Wenn man aber dem von der Herzoglich Braunschweigischen Gesandtschaft auf¬
gestellten Begriffe der „anerkannten Wirksamkeit" beitreten wollte, so würde
das Bestehen ständischer Verfassungen, dem Geiste und den Worten der Bun¬
desgesetze zuwider, der freien Willkür der Regierungen, oder wenigstens eines
jeden zur Erbfolge berufenen neuen Regenten anheimgestellt sein.

Erforderte man nämlich zu dem einzigen in dem Artikel 56 der Schlu߬
acte festgesetzten Requisite der Unverletzlichkeit einer Verfassung, der anerkann¬
ten, das heißt der von Niemandem mit Grunde zu verkennenden, Wirksamkeit
derselben, noch einen willkürlichen Act der Anerkennung eines die Regierung
antretenden Regenten, so hinge es nur von ihm ab, diese ausdrücklich, durch
eingelegte Protestation, oder stillschweigend, durch Nichtberufung der Landstände
zur gesetzlichen Frist, nach Gutdünken zu vernichten. Keine Spur, einer solchen
Vorschrift enthält der §. 19 der erneuerten Landschaftsordnung, dessen offen¬
kundiger Zweck vielmehr gerade dahin geht, den Rechtsbestand der Willkür des
Regierungsnachfolgers zu entziehen.

Richtig ist die Bemerkung, daß die Landschnstsordnung von dem Vor¬
munde in der Ueberzeugung gegeben worden sei, daß sie dem Besten und
den wahren Bedürfnissen des Landes entspreche, indem als Grundsatz
dabei die Regierungsmaxime des königlichen Hauses befolgt ist, nie das
Wohl der Unterthanen von dem des Herrn getrennt zu denken und das
Glück des letzteren nur in dem der ersteren zu suchen und zu finden."")
Dieses Votum ist für unsere Zwecke um so wichtiger, als es sich gegen¬

wärtig um die Vertheidigung der braunschweigischen Verfassung gegen etwaige
Gelüste gerade Hannovers handelt und als das Recht Braunschweigs auf seine



*) Vgl. „Die Verhandlungen der Bundesversammlung von den revolutionären Bewe¬
gungen des Jahres 1830 bis zu den geheimen Wiener Ministerialconftrenzcn, ihrem wesentli¬
chen Inhalte nach mitgetheilt aus den Protocollen des Bundes. Heidelberg, Verlag von Ju¬
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[0022] beste Bedenken hegen, dafür zu stimmen, daß die deutsche Bundesversammlung ebenso befugt als verpflichtet sei. auf das Gesuch der Landstände des Herzog- thums Braunschweig einzugehen, und conformircn sich daher Allerhöchstdiesel- ben dem von der Reclamationscommission gestellten Antrage ohne einige Be¬ schränkung. Was die nach Verlesung des Vortrags der Commission in der 23. dies¬ jährigen Sitzung zu Protocoll gegebene Erklärung der Herzoglich Braunschwei¬ gischen Bundestagsgesandtschaft anbetrifft, so ist sie nicht geeignet, gegen den gesetzlichen Grund des gestellten Antrags erhebliche Zweifel zu erwecken. Alles dasjenige, was über den factischen Zustand einer anerkannten Wirk¬ samkeit der Landschaftsordnung vom Jahre 1820 vorgebracht worden, findet in dem Gutachten der Commission zum Voraus seine gründliche Erledigung. Wenn man aber dem von der Herzoglich Braunschweigischen Gesandtschaft auf¬ gestellten Begriffe der „anerkannten Wirksamkeit" beitreten wollte, so würde das Bestehen ständischer Verfassungen, dem Geiste und den Worten der Bun¬ desgesetze zuwider, der freien Willkür der Regierungen, oder wenigstens eines jeden zur Erbfolge berufenen neuen Regenten anheimgestellt sein. Erforderte man nämlich zu dem einzigen in dem Artikel 56 der Schlu߬ acte festgesetzten Requisite der Unverletzlichkeit einer Verfassung, der anerkann¬ ten, das heißt der von Niemandem mit Grunde zu verkennenden, Wirksamkeit derselben, noch einen willkürlichen Act der Anerkennung eines die Regierung antretenden Regenten, so hinge es nur von ihm ab, diese ausdrücklich, durch eingelegte Protestation, oder stillschweigend, durch Nichtberufung der Landstände zur gesetzlichen Frist, nach Gutdünken zu vernichten. Keine Spur, einer solchen Vorschrift enthält der §. 19 der erneuerten Landschaftsordnung, dessen offen¬ kundiger Zweck vielmehr gerade dahin geht, den Rechtsbestand der Willkür des Regierungsnachfolgers zu entziehen. Richtig ist die Bemerkung, daß die Landschnstsordnung von dem Vor¬ munde in der Ueberzeugung gegeben worden sei, daß sie dem Besten und den wahren Bedürfnissen des Landes entspreche, indem als Grundsatz dabei die Regierungsmaxime des königlichen Hauses befolgt ist, nie das Wohl der Unterthanen von dem des Herrn getrennt zu denken und das Glück des letzteren nur in dem der ersteren zu suchen und zu finden."") Dieses Votum ist für unsere Zwecke um so wichtiger, als es sich gegen¬ wärtig um die Vertheidigung der braunschweigischen Verfassung gegen etwaige Gelüste gerade Hannovers handelt und als das Recht Braunschweigs auf seine *) Vgl. „Die Verhandlungen der Bundesversammlung von den revolutionären Bewe¬ gungen des Jahres 1830 bis zu den geheimen Wiener Ministerialconftrenzcn, ihrem wesentli¬ chen Inhalte nach mitgetheilt aus den Protocollen des Bundes. Heidelberg, Verlag von Ju¬ lius Groos. 1L46." S. öl fig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/22>, abgerufen am 23.12.2024.