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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Concil oder der Landtag wäre. In der Sitzung dieses Rumpfparlamentes,
dessen Mitglieder zu namenlos sind, um der Geißel der Satyre anheim zu fal¬
len, wurde beschlossen den Papst zu bitten, daß er für Tirol bete, "damit
der Herr unser Flehen erhöre, unsere Geduld im Ausharren stärke, damit nichts
unsere -Treue (!) gegen unsern jetzt so schwer heimgesuchten allergnädigsten Mo¬
narchen zu erschüttern vermöge." Nun da haben doch unsere schwarzen Wüh¬
ler eine gute Ausrede; wenn sie dem Kaiser die Treue brechen, können sie sa¬
gen: "das Gebet des Papstes hat nicht geholfen, wir sind unschuldig!" Auch
an den Kaiser wurde eine Zuschrift verfaßt, worin nichts Geringeres verlangt
wird, als: er möge das Protestantenpatent vom 8. April einstweilen für Tirol
suspendiren, -- ein Reichsgesetz wegen einiger Pfaffen und ihres Anhangs,
der nur deßwegen groß erscheint, weil er großen Lärm macht! An die Redac¬
tionen der Journale, welche in einem den Umtrieben des Klerus ungünstigen
Sinne Berichte gebracht hatten, erließ man Erklärungen, daß an allen diesen
Angaben nichts Wahres sei. Das heißt doch die Frechheit auf den Gipfel
treiben, Dinge, welche durch Thatsachen vor ganz Deutschland erwiesen sind,
in Abrede zu stellen. Eine besondere Auszeichnung erhielt Dr. Pfretzschner,
indem sich diese Leute Herausnahmen, ihm ein Mißtrauensvotum zu senden.
"Die Tiroler sind grob!" ist ein alter Satz der Ethnologie; die Bosheit setzt
bei "die Tiroler werden erst mit vierzig Jahren klug." Was die Grobheit,
um nicht zu sagen, Rohheit betrifft, so haben sich die Convcntikler beim gol¬
denen Stern durch ihre Zuschrift an einen Mann wie Pfretzschner zweifelsohne als
ächte Alpensöhne legitimirt, was jedoch das Sprichwort anlangt, so schien es
bei ihnen, obwol die Mehrzahl die verhängnißvollen Vierzig schon überschritten,
nicht einzutreffen. Oder will man vielleicht ein Gewebe von Unwahrheit und
Schimpf ein Meisterstück heißen? Der Leser wird nicht zürnen, wenn wir ihm
dasselbe vorenthalten, hat er doch schon an den Stylübungen des Bischofs
von Brixen genug.

Pfretzschner hat geantwortet; ohne die Würde zu verletzen, welche er sich
und seiner Partei schuldig ist. gab er das Treiben der Klerikalen dem ver¬
dienten Spotte preis und stieg dadurch in der Achtung aller Gebildeten um
^ höher, da er überall das zutreffende Wort fand. Wir fügen nur den Schluß
bei. "Sie sagen, Sie hatten zu Innsbruck berathen, was in dieser ""das Heil
und die Ehre Tirols tief berührenden Angelegenheit"" zu geschehen habe? Nach
der Probe Ihrer Berathungen, welche Sie mir in Ihrer Zuschrift abgelegt ha-
^u, gestehe ich offen, daß ich es im innersten Herzen bedauern müßte, wenn
ich nicht wüßte, daß Sie sich nur vorübergehend eine Bedeutung angemaßt,
"-'Ihnen nicht gebührt; wenn ich annehmen könnte, das ""Heil und die Ehre
Pirols"" sei wirklich Ihren Händen anvertraut. Sie stellen sich offen auf die
^ne jener gewissenlosen Partei, welcher es. unter dem Vorwande, es handle


Concil oder der Landtag wäre. In der Sitzung dieses Rumpfparlamentes,
dessen Mitglieder zu namenlos sind, um der Geißel der Satyre anheim zu fal¬
len, wurde beschlossen den Papst zu bitten, daß er für Tirol bete, „damit
der Herr unser Flehen erhöre, unsere Geduld im Ausharren stärke, damit nichts
unsere -Treue (!) gegen unsern jetzt so schwer heimgesuchten allergnädigsten Mo¬
narchen zu erschüttern vermöge." Nun da haben doch unsere schwarzen Wüh¬
ler eine gute Ausrede; wenn sie dem Kaiser die Treue brechen, können sie sa¬
gen: „das Gebet des Papstes hat nicht geholfen, wir sind unschuldig!" Auch
an den Kaiser wurde eine Zuschrift verfaßt, worin nichts Geringeres verlangt
wird, als: er möge das Protestantenpatent vom 8. April einstweilen für Tirol
suspendiren, — ein Reichsgesetz wegen einiger Pfaffen und ihres Anhangs,
der nur deßwegen groß erscheint, weil er großen Lärm macht! An die Redac¬
tionen der Journale, welche in einem den Umtrieben des Klerus ungünstigen
Sinne Berichte gebracht hatten, erließ man Erklärungen, daß an allen diesen
Angaben nichts Wahres sei. Das heißt doch die Frechheit auf den Gipfel
treiben, Dinge, welche durch Thatsachen vor ganz Deutschland erwiesen sind,
in Abrede zu stellen. Eine besondere Auszeichnung erhielt Dr. Pfretzschner,
indem sich diese Leute Herausnahmen, ihm ein Mißtrauensvotum zu senden.
»Die Tiroler sind grob!" ist ein alter Satz der Ethnologie; die Bosheit setzt
bei „die Tiroler werden erst mit vierzig Jahren klug." Was die Grobheit,
um nicht zu sagen, Rohheit betrifft, so haben sich die Convcntikler beim gol¬
denen Stern durch ihre Zuschrift an einen Mann wie Pfretzschner zweifelsohne als
ächte Alpensöhne legitimirt, was jedoch das Sprichwort anlangt, so schien es
bei ihnen, obwol die Mehrzahl die verhängnißvollen Vierzig schon überschritten,
nicht einzutreffen. Oder will man vielleicht ein Gewebe von Unwahrheit und
Schimpf ein Meisterstück heißen? Der Leser wird nicht zürnen, wenn wir ihm
dasselbe vorenthalten, hat er doch schon an den Stylübungen des Bischofs
von Brixen genug.

Pfretzschner hat geantwortet; ohne die Würde zu verletzen, welche er sich
und seiner Partei schuldig ist. gab er das Treiben der Klerikalen dem ver¬
dienten Spotte preis und stieg dadurch in der Achtung aller Gebildeten um
^ höher, da er überall das zutreffende Wort fand. Wir fügen nur den Schluß
bei. „Sie sagen, Sie hatten zu Innsbruck berathen, was in dieser „„das Heil
und die Ehre Tirols tief berührenden Angelegenheit"" zu geschehen habe? Nach
der Probe Ihrer Berathungen, welche Sie mir in Ihrer Zuschrift abgelegt ha-
^u, gestehe ich offen, daß ich es im innersten Herzen bedauern müßte, wenn
ich nicht wüßte, daß Sie sich nur vorübergehend eine Bedeutung angemaßt,
"-'Ihnen nicht gebührt; wenn ich annehmen könnte, das „„Heil und die Ehre
Pirols"» sei wirklich Ihren Händen anvertraut. Sie stellen sich offen auf die
^ne jener gewissenlosen Partei, welcher es. unter dem Vorwande, es handle


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[0199] Concil oder der Landtag wäre. In der Sitzung dieses Rumpfparlamentes, dessen Mitglieder zu namenlos sind, um der Geißel der Satyre anheim zu fal¬ len, wurde beschlossen den Papst zu bitten, daß er für Tirol bete, „damit der Herr unser Flehen erhöre, unsere Geduld im Ausharren stärke, damit nichts unsere -Treue (!) gegen unsern jetzt so schwer heimgesuchten allergnädigsten Mo¬ narchen zu erschüttern vermöge." Nun da haben doch unsere schwarzen Wüh¬ ler eine gute Ausrede; wenn sie dem Kaiser die Treue brechen, können sie sa¬ gen: „das Gebet des Papstes hat nicht geholfen, wir sind unschuldig!" Auch an den Kaiser wurde eine Zuschrift verfaßt, worin nichts Geringeres verlangt wird, als: er möge das Protestantenpatent vom 8. April einstweilen für Tirol suspendiren, — ein Reichsgesetz wegen einiger Pfaffen und ihres Anhangs, der nur deßwegen groß erscheint, weil er großen Lärm macht! An die Redac¬ tionen der Journale, welche in einem den Umtrieben des Klerus ungünstigen Sinne Berichte gebracht hatten, erließ man Erklärungen, daß an allen diesen Angaben nichts Wahres sei. Das heißt doch die Frechheit auf den Gipfel treiben, Dinge, welche durch Thatsachen vor ganz Deutschland erwiesen sind, in Abrede zu stellen. Eine besondere Auszeichnung erhielt Dr. Pfretzschner, indem sich diese Leute Herausnahmen, ihm ein Mißtrauensvotum zu senden. »Die Tiroler sind grob!" ist ein alter Satz der Ethnologie; die Bosheit setzt bei „die Tiroler werden erst mit vierzig Jahren klug." Was die Grobheit, um nicht zu sagen, Rohheit betrifft, so haben sich die Convcntikler beim gol¬ denen Stern durch ihre Zuschrift an einen Mann wie Pfretzschner zweifelsohne als ächte Alpensöhne legitimirt, was jedoch das Sprichwort anlangt, so schien es bei ihnen, obwol die Mehrzahl die verhängnißvollen Vierzig schon überschritten, nicht einzutreffen. Oder will man vielleicht ein Gewebe von Unwahrheit und Schimpf ein Meisterstück heißen? Der Leser wird nicht zürnen, wenn wir ihm dasselbe vorenthalten, hat er doch schon an den Stylübungen des Bischofs von Brixen genug. Pfretzschner hat geantwortet; ohne die Würde zu verletzen, welche er sich und seiner Partei schuldig ist. gab er das Treiben der Klerikalen dem ver¬ dienten Spotte preis und stieg dadurch in der Achtung aller Gebildeten um ^ höher, da er überall das zutreffende Wort fand. Wir fügen nur den Schluß bei. „Sie sagen, Sie hatten zu Innsbruck berathen, was in dieser „„das Heil und die Ehre Tirols tief berührenden Angelegenheit"" zu geschehen habe? Nach der Probe Ihrer Berathungen, welche Sie mir in Ihrer Zuschrift abgelegt ha- ^u, gestehe ich offen, daß ich es im innersten Herzen bedauern müßte, wenn ich nicht wüßte, daß Sie sich nur vorübergehend eine Bedeutung angemaßt, "-'Ihnen nicht gebührt; wenn ich annehmen könnte, das „„Heil und die Ehre Pirols"» sei wirklich Ihren Händen anvertraut. Sie stellen sich offen auf die ^ne jener gewissenlosen Partei, welcher es. unter dem Vorwande, es handle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/199>, abgerufen am 22.07.2024.