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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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etwas erreicht wird, und so erholten sich die Fanatiker bald von ihrem Schre¬
cken, indem sie sich an den Ausdruck klammerten, der Antrag des Bischofes
sei wegen eines Formfehlers beseitigt worden. Nun begann die Wühlerei
von Neuem, denn man darf das Volk nicht einschlafen lassen, damit man
auch für den nächsten Landtag, wo die Frage noch einmal verhandelt wird,
eine stattliche Herde von Marionetten auftreiben kann. Gleichzeitig verhöhnt
man das Ministerium Schmerling, vergleicht es mit der Wirthschaft eines
Montgelas. wo Mieg und Hofstetten durch ihre frechen Eingriffe in das
Volksleben die Erhebung von 1809 mit verursachten, ja man droht offen
und versteckt mit einem zweiten Jahr 1809, wozu freilich der dümmste Bauer,
welcher sich an die traurigen Folgen jenes Aufstandes erinnert, bedenklich den
Kopf schüttelt. Man erkühnt sich, den Leuten weißzumachen, die Regierung
sei mit den Radikalen, welche den katholischen Glauben zerstören und dafür
den Protestantismus einführen wollen, einverstanden, und verschmäht kein
Mittel perfider Parteiwuth, jede Versöhnung unmöglich zu machen. Als
Probe dafür erwähnen wir ein Bildchen, welches zum Andenken eines Ver¬
storbenen letzthin zu Meran veröffentlicht wurde. Es trägt das Motto:


"Lieber sterben, als noch länger zu Meran, wo mehr und mehr das Lu-
therthum eindringt, leben."

Das seien die letzten Worte des Todten gewesen. Die Regierung konnte
diesem Treiben nicht länger zusehen; der Erzherzog-Statthalter, den die Kleri¬
kalen bisher als ihre Stütze betrachtet, wurde veranlaßt, zwei scharfe Schrei¬
ben an die Bezirksgerichte zu senden, worin der gemessenste Auftrag ertheilt
wurde, jede Agitation zu verhindern. Infolge dessen wurden auch zwei
Geistliche, der eine, weil er ein Decret der Regierung vom schwarzen Brette
abgenommen, der andere, weil er Holzfrevel verursacht, zur Verantwortung ge¬
igen und veruttheilt. Möge man nur auch überall Ernst machen. Ovwol
die Verhältnisse in Tirol derart sind, daß den Agitationen des Klerus in kei-
ner Weise Vorschub geleistet werden sollte, so läßt man dennoch Leute, wie
Haselwandter. Pelzer, Scheuchenstuel an der Spitze der Behörden, von denen man
doch menschlicherweise nicht voraussetzen darf, daß sie als Ultramontane ihrer
eigenen Partei in das Gesicht schlagen werden. Die ultramontane Presse
tritt gegen die Regierung mit einer Frechheit auf, die Alles überbietet, was
Uralt gesetzlich für erlaubt halten möchte, hört man aber je von einem Pre߬
processe, der eingeleitet worden wäre? Ist ein Artikel der "Tirolerstimmen" zu
toll, sodaß man allgemeinen Scandal erwarten müßte, so erscheint bei der
Redaction ganz höflich ein Polizeibeamter und ersucht sie. vor Ausgabe des
Blattes den betreffenden Aufsatz entweder herauszunehmen oder zu modicifiren.
Was der Klerus in Oestreich wagen darf, dafür wissen wir keinen bessern
Beleg, als das neuerlaeneaoralreiben des Bios von Buen, bei


Grenzboten III. 1361. 24

etwas erreicht wird, und so erholten sich die Fanatiker bald von ihrem Schre¬
cken, indem sie sich an den Ausdruck klammerten, der Antrag des Bischofes
sei wegen eines Formfehlers beseitigt worden. Nun begann die Wühlerei
von Neuem, denn man darf das Volk nicht einschlafen lassen, damit man
auch für den nächsten Landtag, wo die Frage noch einmal verhandelt wird,
eine stattliche Herde von Marionetten auftreiben kann. Gleichzeitig verhöhnt
man das Ministerium Schmerling, vergleicht es mit der Wirthschaft eines
Montgelas. wo Mieg und Hofstetten durch ihre frechen Eingriffe in das
Volksleben die Erhebung von 1809 mit verursachten, ja man droht offen
und versteckt mit einem zweiten Jahr 1809, wozu freilich der dümmste Bauer,
welcher sich an die traurigen Folgen jenes Aufstandes erinnert, bedenklich den
Kopf schüttelt. Man erkühnt sich, den Leuten weißzumachen, die Regierung
sei mit den Radikalen, welche den katholischen Glauben zerstören und dafür
den Protestantismus einführen wollen, einverstanden, und verschmäht kein
Mittel perfider Parteiwuth, jede Versöhnung unmöglich zu machen. Als
Probe dafür erwähnen wir ein Bildchen, welches zum Andenken eines Ver¬
storbenen letzthin zu Meran veröffentlicht wurde. Es trägt das Motto:


„Lieber sterben, als noch länger zu Meran, wo mehr und mehr das Lu-
therthum eindringt, leben."

Das seien die letzten Worte des Todten gewesen. Die Regierung konnte
diesem Treiben nicht länger zusehen; der Erzherzog-Statthalter, den die Kleri¬
kalen bisher als ihre Stütze betrachtet, wurde veranlaßt, zwei scharfe Schrei¬
ben an die Bezirksgerichte zu senden, worin der gemessenste Auftrag ertheilt
wurde, jede Agitation zu verhindern. Infolge dessen wurden auch zwei
Geistliche, der eine, weil er ein Decret der Regierung vom schwarzen Brette
abgenommen, der andere, weil er Holzfrevel verursacht, zur Verantwortung ge¬
igen und veruttheilt. Möge man nur auch überall Ernst machen. Ovwol
die Verhältnisse in Tirol derart sind, daß den Agitationen des Klerus in kei-
ner Weise Vorschub geleistet werden sollte, so läßt man dennoch Leute, wie
Haselwandter. Pelzer, Scheuchenstuel an der Spitze der Behörden, von denen man
doch menschlicherweise nicht voraussetzen darf, daß sie als Ultramontane ihrer
eigenen Partei in das Gesicht schlagen werden. Die ultramontane Presse
tritt gegen die Regierung mit einer Frechheit auf, die Alles überbietet, was
Uralt gesetzlich für erlaubt halten möchte, hört man aber je von einem Pre߬
processe, der eingeleitet worden wäre? Ist ein Artikel der „Tirolerstimmen" zu
toll, sodaß man allgemeinen Scandal erwarten müßte, so erscheint bei der
Redaction ganz höflich ein Polizeibeamter und ersucht sie. vor Ausgabe des
Blattes den betreffenden Aufsatz entweder herauszunehmen oder zu modicifiren.
Was der Klerus in Oestreich wagen darf, dafür wissen wir keinen bessern
Beleg, als das neuerlaeneaoralreiben des Bios von Buen, bei


Grenzboten III. 1361. 24
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/195>, abgerufen am 23.07.2024.