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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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scheiden, glatte Holzdecken, geweihte Wände und einen Fußboden von Cement,
und gibt es doch im Empfangssaale sogar Spiegel und ein Portrait Abdul-
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Die Bevölkerung Chartums ist sehr gemischt. Die Mehrzahl besteht aus
Sudanesen, Angehörigen des schwarzbraunen Mischvolkes, welches die weiten
Landschaften zu beiden Seiten des Weißen und Blauen Nil bewohnt. Es
sind wohlgebaute, sehr kräftige Leute, deren Gesichtszüge, namentlich beim weib¬
lichen Geschlecht, an den Negertypus streifen. Die Männer tragen einen kleine,
der Form des Kopfes angepaßte Kappe, weiße kurze Beinkleider von Baum¬
wollenzeug, einen grauen Mantel und Sandalen. Am linken Ellbogen hängt ein
kleines Messer, am rechten Arme gewöhnlich"eine lederne Rolle mit einem Amu-
let, um deu Hals eine Tasche, in welcher man sein Geld aufbewahrt. Das
Kopfhaar wird von ihnen abrasirt. Die Kleidung der Frauen besteht in einem
Schurz um die Hüften und einem U'mschlagettich. Ihr Haar ist mit Gummi
zu einer künstlichen Tour aufgeklebt, den Körper reiben sie mit der nur für
eingeborne Geruchsnerven angenehmen Tell'apommade ein, die wulstigen Lippen
werden mit Indigoschminke blau gefärbt. Die Kinder laufen bis zum fünften
Jahre nackt umher. Dann erhalten die Mädchen den Nachad, einen hüb¬
schen Gürtel, von dem eine Menge Ledcrfranzen bis gegen das Knie herab¬
hängen.

Einen zweiten starken Theil der Einwohner Chartums bilden die Skla¬
ven, die aus den Gebirgsländern jenseits der Grenzen ägyptischer Herrschaft,
aus Abyssinien und den Ländern der Schilluk und Dinka am Weißen Nil hier¬
hergebracht werden. Außerdem wohnen hier Araber von den Stämmen am
Atbara, Nubier, Aegypter, Türken, Griechen und einige Angehörige Westeu¬
ropas, die als Aerzte, Kaufleute, Consulatsbeamte oder Missionäre thätig sind,
und unter denen sich viele übelberusene Subjecte befinden, wie überall in den
Grenzstädten zwischen Barbarei und Civilisation. Mehre von denselben leben
ur Vielweiberei, andere verdienen sich Geld durch Giftmischerei, wieder andere
treiben Sklavenhandel, an welchem noblen Geschäft sich selbst die katholischen
Missionäre früher betheiligten.

Die Sudanesen sind Mohammedaner. Sie sind im Allgemeinen gutherzig.
Mi'tfrei und mildthätig, zeigen viel Familiensinn und sind mehr zum Frieden
^6 zu Zank und Streit geneigt. Aber sie sind eines der trägsten und in ge¬
schlechtlichen Dingen liederlichsten Völker der Welt, abergläubisch wie we-
"ige, lügenhaft und diebisch. Blickt man, zu Kameel durch die Gassen reitend,
über die Lehmmauern der Höfe, so sieht man die ärmere Klasse fast den gan-
Tag müssig herumliegen. Schwärme schmutziger Kinder sitzen nackt im
Staube oder spielen mit dürren gelben Hunden. Von Geräthen ist in diesen
Höhlen nichts zu sehen, als ein Wasserschlauch, einige Töpfe und Krüge, ein


scheiden, glatte Holzdecken, geweihte Wände und einen Fußboden von Cement,
und gibt es doch im Empfangssaale sogar Spiegel und ein Portrait Abdul-
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Die Bevölkerung Chartums ist sehr gemischt. Die Mehrzahl besteht aus
Sudanesen, Angehörigen des schwarzbraunen Mischvolkes, welches die weiten
Landschaften zu beiden Seiten des Weißen und Blauen Nil bewohnt. Es
sind wohlgebaute, sehr kräftige Leute, deren Gesichtszüge, namentlich beim weib¬
lichen Geschlecht, an den Negertypus streifen. Die Männer tragen einen kleine,
der Form des Kopfes angepaßte Kappe, weiße kurze Beinkleider von Baum¬
wollenzeug, einen grauen Mantel und Sandalen. Am linken Ellbogen hängt ein
kleines Messer, am rechten Arme gewöhnlich»eine lederne Rolle mit einem Amu-
let, um deu Hals eine Tasche, in welcher man sein Geld aufbewahrt. Das
Kopfhaar wird von ihnen abrasirt. Die Kleidung der Frauen besteht in einem
Schurz um die Hüften und einem U'mschlagettich. Ihr Haar ist mit Gummi
zu einer künstlichen Tour aufgeklebt, den Körper reiben sie mit der nur für
eingeborne Geruchsnerven angenehmen Tell'apommade ein, die wulstigen Lippen
werden mit Indigoschminke blau gefärbt. Die Kinder laufen bis zum fünften
Jahre nackt umher. Dann erhalten die Mädchen den Nachad, einen hüb¬
schen Gürtel, von dem eine Menge Ledcrfranzen bis gegen das Knie herab¬
hängen.

Einen zweiten starken Theil der Einwohner Chartums bilden die Skla¬
ven, die aus den Gebirgsländern jenseits der Grenzen ägyptischer Herrschaft,
aus Abyssinien und den Ländern der Schilluk und Dinka am Weißen Nil hier¬
hergebracht werden. Außerdem wohnen hier Araber von den Stämmen am
Atbara, Nubier, Aegypter, Türken, Griechen und einige Angehörige Westeu¬
ropas, die als Aerzte, Kaufleute, Consulatsbeamte oder Missionäre thätig sind,
und unter denen sich viele übelberusene Subjecte befinden, wie überall in den
Grenzstädten zwischen Barbarei und Civilisation. Mehre von denselben leben
ur Vielweiberei, andere verdienen sich Geld durch Giftmischerei, wieder andere
treiben Sklavenhandel, an welchem noblen Geschäft sich selbst die katholischen
Missionäre früher betheiligten.

Die Sudanesen sind Mohammedaner. Sie sind im Allgemeinen gutherzig.
Mi'tfrei und mildthätig, zeigen viel Familiensinn und sind mehr zum Frieden
^6 zu Zank und Streit geneigt. Aber sie sind eines der trägsten und in ge¬
schlechtlichen Dingen liederlichsten Völker der Welt, abergläubisch wie we-
"ige, lügenhaft und diebisch. Blickt man, zu Kameel durch die Gassen reitend,
über die Lehmmauern der Höfe, so sieht man die ärmere Klasse fast den gan-
Tag müssig herumliegen. Schwärme schmutziger Kinder sitzen nackt im
Staube oder spielen mit dürren gelben Hunden. Von Geräthen ist in diesen
Höhlen nichts zu sehen, als ein Wasserschlauch, einige Töpfe und Krüge, ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/191>, abgerufen am 23.07.2024.