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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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mere Klasse der Bevölkerung haust. Weiter hinauf betritt man das Geschästs-
viertel, in welchem sich der Bazar, eine Moschee mit einem dürftigen Minaret,
die offnen Werkstätten der Handwerker und der Buttermarkt mit dem Galgen
befinden. Noch weiter hinauf am Flusse, im äußersten Osten der Stadt end¬
lich liegt das Quartier der vornehmen Welt von Chartum, der Palast des
Statthalters, das Gerichtshaus. die Wohnungen der europäischen Consuln
und der reicheren Kaufleute, alle von Gärten umgrünt, die gegen Abend,
wenn sich der Nordwind erhebt, den Duft ihrer Orangen- und Mimosenblü-
Ihen über die ganze Stadt verbreiten. Von einem regelmäßigen Bauplan ist
nirgends die Rede. Bei der Anlage der Stadt siedelte sich jeder neue An¬
kömmling an, wo es ihm beliebte, und umgab dann sein Haus mit einer
hohen Lehmmauer, so daß man, von einem Stadttheil zum andern gehend,
sich fortwährend im Zickzack bewegen muß. Die Häuser haben alle eine Form
und unterscheiden sich fast nur dadurch, daß die der Wohlhabenden größer
als die der Armen sind. Es sind einstöckige Gebäude von der Gestalt einer
Pyramide, der die obere Hälfte abgeschlagen ist, die Wände bestehen aus
graubraunen, an der Sonne getrockneten Lehmziegeln. das Dach ist flach und
besteht aus Balken, über welche dünne Latten dicht an einander gereiht wer¬
den, daraus kommen Palmbastmatten und diese wieder bedeckt man mit einer
dicken Lehmschicht,, die mit Mist und Stroh gemischt und festgestampft wird.
Die Häuser der ärmern Klasse erhalten ihr Licht nur durch ein unregelmäßi¬
ges Loch, welches die Anmaßung hat, sich Thür nennen zu lassen. Die der
Wohlhabenderen besitzen Fenster, welche durch Holzgitterwerk geschlossen sind.
Glasfenster sind ein Luxus, den sich außer dem Pascha und den Consuln nur
sehr Wenige gestatten. Bei dieser Bauart sind alle Arten von Ungeziefer:
Mücken und Hornissen. Skorpionen. Eidechsen und Schlangen in den Häusern
Chartum's häufig gesehene Gäste, zu denen sich in der trocknen Jahreszeit noch
Wind und Staub, in der nassen nicht selten Regengüsse gesellen, welche den
Insassen den Gang nach dem Bade ersparen.

Gebäude von besserer Bauart hat Chartum nur zwei, das eine ist
das Haus Abdallah Effendi's und das andere der Palast des Pascha's.
Beide bestehen aus gebrannten Ziegeln, die zum großen Theil aus den Rui¬
nen von Abu Haraß am Blauen Nil stammen. Der Palast ist ein viereckiges
Gebäude, welches einen weiten Hof von dreihundert Quadratfuß einschließt
und dessen Front die eine Seite eines freien Platzes bildet. Born hat es
einen gewölbten Corridor in italienischem Styl und einen viereckigen Thurm
über dem Thorwege. Für das Sudan ist es ein Wunderbar,, von dem die
benachbarten Schechs, als er vollendet war. nicht glauben konnten, daß er das
Wer? eines Menschen und ohne ganz speciellen Beistand Allah's zu Stande
gekommen sei. Ihr Staunen war erklärlich, haben die Zimmer doch Glas-


mere Klasse der Bevölkerung haust. Weiter hinauf betritt man das Geschästs-
viertel, in welchem sich der Bazar, eine Moschee mit einem dürftigen Minaret,
die offnen Werkstätten der Handwerker und der Buttermarkt mit dem Galgen
befinden. Noch weiter hinauf am Flusse, im äußersten Osten der Stadt end¬
lich liegt das Quartier der vornehmen Welt von Chartum, der Palast des
Statthalters, das Gerichtshaus. die Wohnungen der europäischen Consuln
und der reicheren Kaufleute, alle von Gärten umgrünt, die gegen Abend,
wenn sich der Nordwind erhebt, den Duft ihrer Orangen- und Mimosenblü-
Ihen über die ganze Stadt verbreiten. Von einem regelmäßigen Bauplan ist
nirgends die Rede. Bei der Anlage der Stadt siedelte sich jeder neue An¬
kömmling an, wo es ihm beliebte, und umgab dann sein Haus mit einer
hohen Lehmmauer, so daß man, von einem Stadttheil zum andern gehend,
sich fortwährend im Zickzack bewegen muß. Die Häuser haben alle eine Form
und unterscheiden sich fast nur dadurch, daß die der Wohlhabenden größer
als die der Armen sind. Es sind einstöckige Gebäude von der Gestalt einer
Pyramide, der die obere Hälfte abgeschlagen ist, die Wände bestehen aus
graubraunen, an der Sonne getrockneten Lehmziegeln. das Dach ist flach und
besteht aus Balken, über welche dünne Latten dicht an einander gereiht wer¬
den, daraus kommen Palmbastmatten und diese wieder bedeckt man mit einer
dicken Lehmschicht,, die mit Mist und Stroh gemischt und festgestampft wird.
Die Häuser der ärmern Klasse erhalten ihr Licht nur durch ein unregelmäßi¬
ges Loch, welches die Anmaßung hat, sich Thür nennen zu lassen. Die der
Wohlhabenderen besitzen Fenster, welche durch Holzgitterwerk geschlossen sind.
Glasfenster sind ein Luxus, den sich außer dem Pascha und den Consuln nur
sehr Wenige gestatten. Bei dieser Bauart sind alle Arten von Ungeziefer:
Mücken und Hornissen. Skorpionen. Eidechsen und Schlangen in den Häusern
Chartum's häufig gesehene Gäste, zu denen sich in der trocknen Jahreszeit noch
Wind und Staub, in der nassen nicht selten Regengüsse gesellen, welche den
Insassen den Gang nach dem Bade ersparen.

Gebäude von besserer Bauart hat Chartum nur zwei, das eine ist
das Haus Abdallah Effendi's und das andere der Palast des Pascha's.
Beide bestehen aus gebrannten Ziegeln, die zum großen Theil aus den Rui¬
nen von Abu Haraß am Blauen Nil stammen. Der Palast ist ein viereckiges
Gebäude, welches einen weiten Hof von dreihundert Quadratfuß einschließt
und dessen Front die eine Seite eines freien Platzes bildet. Born hat es
einen gewölbten Corridor in italienischem Styl und einen viereckigen Thurm
über dem Thorwege. Für das Sudan ist es ein Wunderbar,, von dem die
benachbarten Schechs, als er vollendet war. nicht glauben konnten, daß er das
Wer? eines Menschen und ohne ganz speciellen Beistand Allah's zu Stande
gekommen sei. Ihr Staunen war erklärlich, haben die Zimmer doch Glas-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/190>, abgerufen am 23.07.2024.