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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Bildung zugeführt. An den Strömen liegen zahlreiche große Städte. Acker-
und Gartenbau ist allgemein. Man trifft schöne Felder bestellt mit Weizen,
Gerste und Hirse, Aaas und andern Früchten. Als Hausthiere werden Rin¬
der, Schafe. Schweine, Pferde, Esel und in der Nachbarschaft der Wüste auch
Kameele gezogen. Armuth und Hunger sind bei der außerordentlichen Fruchtbarkeit
des Landes kaum bekannt. Große Karavanen aus dem Moghreb. dem Fezzan und
Aegypten vermitteln den Verkehr mit dem Norden. Neben Ackerbau und Vieh¬
zucht treiben die Neger des Sudan Baumwollenbau, Weberei, Färberei und
mancherlei andere Handwerke, die nicht bloß für das Inland arbeiten. Die
Karavanen führen Baumwolle und Baumwollenstoffe, Seidenzeuge, feine Wolle,
Häute, Leder, Sattler- und Riemerarbeiten, Straußenfedern, Elfenbein, Zibeth,
allerlei kostbare Gewürze und Räucherwerk, sowie Gold und Goldsand aus.
Dagegen erhält der Sudan vom Norden Teppiche aus den Fabriken von Tri¬
polis, Aegypten und Marokko, englische Kleidungsstoffe. Burnusse aus Fez,
Sohlinger Klingen und andere Eisenwaaren aus Deutschland und England;
ja sogar die Luxusartikel Europas und Asiens finden ihren Weg dahin. Ta¬
bak. Kaffee, Zucker, endlich große Ladungen von ostindischen Muscheln, den so¬
genannten Kauries, die im ganzen Sudan als Scheidemünze gelten. Mit ei¬
nem Wort: der Sudan ist ein Landstrich, dessen Erforschung nicht allein für
die Wissenschaft von höchster Bedeutung ist. sondern der, wenn einmal ein
direct^r Verkehr zwischen ihm und Europa hergestellt ist, auch der nordischen
Industrie außerordentliche Vortheile bieten wird.

Wir kommen jetzt zu den Mitgliedern der Expedition nach Wadai und
dem Tschadsee. Führer derselben ist der wmtembergische Hofrath Theodor
von Heuglin aus Stuttgart. Derselbe ist von allen lebenden Reisenden viel¬
leicht der geeignetste zur erfolgreichen Durchführung des großen Unternehmens.
Von kräftigem Körper, entschlossen und umsichtig, gewöhnt an das Klima Jn-
nerafnka's, bekannt mit dessen Sprachen und Sitten, vertraut mit geographi¬
schen und astronomischen Beobachtungen, gewandt im Zeichnen von Land¬
schaften, naturhistorischen Gegenständen und Karten, hat er vor andern Rei¬
senden noch voraus, daß er durch seine siebenjährige officielle Stellung in den
Nilländern (er war östreichischer Consul in Chartum) reiche Erfahrungen über
Centralafrika gesammelt und wichtige Bekanntschaften mit dortigen Persönlich¬
keiten angeknüpft hat. Durch frühere Reisen in Habesch und Kordofan, c"n
Westrand des Rothen Meeres, von Abdom nach Chartum und im Lande der
Somali hat er hinreichend dargethan, was er zu leisten im Stande ist. Er
übernahm neben der Leitung der ganzen Expedition die Forschungen in der
höhern Zoologie, die kartographischen Arbeiten, das Landschaft- und Thier¬
zeichnen, die allgemeinen geographischen und ethnographischen Untersuchungen,
endlich Statistik und Handelspolitik.


Bildung zugeführt. An den Strömen liegen zahlreiche große Städte. Acker-
und Gartenbau ist allgemein. Man trifft schöne Felder bestellt mit Weizen,
Gerste und Hirse, Aaas und andern Früchten. Als Hausthiere werden Rin¬
der, Schafe. Schweine, Pferde, Esel und in der Nachbarschaft der Wüste auch
Kameele gezogen. Armuth und Hunger sind bei der außerordentlichen Fruchtbarkeit
des Landes kaum bekannt. Große Karavanen aus dem Moghreb. dem Fezzan und
Aegypten vermitteln den Verkehr mit dem Norden. Neben Ackerbau und Vieh¬
zucht treiben die Neger des Sudan Baumwollenbau, Weberei, Färberei und
mancherlei andere Handwerke, die nicht bloß für das Inland arbeiten. Die
Karavanen führen Baumwolle und Baumwollenstoffe, Seidenzeuge, feine Wolle,
Häute, Leder, Sattler- und Riemerarbeiten, Straußenfedern, Elfenbein, Zibeth,
allerlei kostbare Gewürze und Räucherwerk, sowie Gold und Goldsand aus.
Dagegen erhält der Sudan vom Norden Teppiche aus den Fabriken von Tri¬
polis, Aegypten und Marokko, englische Kleidungsstoffe. Burnusse aus Fez,
Sohlinger Klingen und andere Eisenwaaren aus Deutschland und England;
ja sogar die Luxusartikel Europas und Asiens finden ihren Weg dahin. Ta¬
bak. Kaffee, Zucker, endlich große Ladungen von ostindischen Muscheln, den so¬
genannten Kauries, die im ganzen Sudan als Scheidemünze gelten. Mit ei¬
nem Wort: der Sudan ist ein Landstrich, dessen Erforschung nicht allein für
die Wissenschaft von höchster Bedeutung ist. sondern der, wenn einmal ein
direct^r Verkehr zwischen ihm und Europa hergestellt ist, auch der nordischen
Industrie außerordentliche Vortheile bieten wird.

Wir kommen jetzt zu den Mitgliedern der Expedition nach Wadai und
dem Tschadsee. Führer derselben ist der wmtembergische Hofrath Theodor
von Heuglin aus Stuttgart. Derselbe ist von allen lebenden Reisenden viel¬
leicht der geeignetste zur erfolgreichen Durchführung des großen Unternehmens.
Von kräftigem Körper, entschlossen und umsichtig, gewöhnt an das Klima Jn-
nerafnka's, bekannt mit dessen Sprachen und Sitten, vertraut mit geographi¬
schen und astronomischen Beobachtungen, gewandt im Zeichnen von Land¬
schaften, naturhistorischen Gegenständen und Karten, hat er vor andern Rei¬
senden noch voraus, daß er durch seine siebenjährige officielle Stellung in den
Nilländern (er war östreichischer Consul in Chartum) reiche Erfahrungen über
Centralafrika gesammelt und wichtige Bekanntschaften mit dortigen Persönlich¬
keiten angeknüpft hat. Durch frühere Reisen in Habesch und Kordofan, c»n
Westrand des Rothen Meeres, von Abdom nach Chartum und im Lande der
Somali hat er hinreichend dargethan, was er zu leisten im Stande ist. Er
übernahm neben der Leitung der ganzen Expedition die Forschungen in der
höhern Zoologie, die kartographischen Arbeiten, das Landschaft- und Thier¬
zeichnen, die allgemeinen geographischen und ethnographischen Untersuchungen,
endlich Statistik und Handelspolitik.


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[0178] Bildung zugeführt. An den Strömen liegen zahlreiche große Städte. Acker- und Gartenbau ist allgemein. Man trifft schöne Felder bestellt mit Weizen, Gerste und Hirse, Aaas und andern Früchten. Als Hausthiere werden Rin¬ der, Schafe. Schweine, Pferde, Esel und in der Nachbarschaft der Wüste auch Kameele gezogen. Armuth und Hunger sind bei der außerordentlichen Fruchtbarkeit des Landes kaum bekannt. Große Karavanen aus dem Moghreb. dem Fezzan und Aegypten vermitteln den Verkehr mit dem Norden. Neben Ackerbau und Vieh¬ zucht treiben die Neger des Sudan Baumwollenbau, Weberei, Färberei und mancherlei andere Handwerke, die nicht bloß für das Inland arbeiten. Die Karavanen führen Baumwolle und Baumwollenstoffe, Seidenzeuge, feine Wolle, Häute, Leder, Sattler- und Riemerarbeiten, Straußenfedern, Elfenbein, Zibeth, allerlei kostbare Gewürze und Räucherwerk, sowie Gold und Goldsand aus. Dagegen erhält der Sudan vom Norden Teppiche aus den Fabriken von Tri¬ polis, Aegypten und Marokko, englische Kleidungsstoffe. Burnusse aus Fez, Sohlinger Klingen und andere Eisenwaaren aus Deutschland und England; ja sogar die Luxusartikel Europas und Asiens finden ihren Weg dahin. Ta¬ bak. Kaffee, Zucker, endlich große Ladungen von ostindischen Muscheln, den so¬ genannten Kauries, die im ganzen Sudan als Scheidemünze gelten. Mit ei¬ nem Wort: der Sudan ist ein Landstrich, dessen Erforschung nicht allein für die Wissenschaft von höchster Bedeutung ist. sondern der, wenn einmal ein direct^r Verkehr zwischen ihm und Europa hergestellt ist, auch der nordischen Industrie außerordentliche Vortheile bieten wird. Wir kommen jetzt zu den Mitgliedern der Expedition nach Wadai und dem Tschadsee. Führer derselben ist der wmtembergische Hofrath Theodor von Heuglin aus Stuttgart. Derselbe ist von allen lebenden Reisenden viel¬ leicht der geeignetste zur erfolgreichen Durchführung des großen Unternehmens. Von kräftigem Körper, entschlossen und umsichtig, gewöhnt an das Klima Jn- nerafnka's, bekannt mit dessen Sprachen und Sitten, vertraut mit geographi¬ schen und astronomischen Beobachtungen, gewandt im Zeichnen von Land¬ schaften, naturhistorischen Gegenständen und Karten, hat er vor andern Rei¬ senden noch voraus, daß er durch seine siebenjährige officielle Stellung in den Nilländern (er war östreichischer Consul in Chartum) reiche Erfahrungen über Centralafrika gesammelt und wichtige Bekanntschaften mit dortigen Persönlich¬ keiten angeknüpft hat. Durch frühere Reisen in Habesch und Kordofan, c»n Westrand des Rothen Meeres, von Abdom nach Chartum und im Lande der Somali hat er hinreichend dargethan, was er zu leisten im Stande ist. Er übernahm neben der Leitung der ganzen Expedition die Forschungen in der höhern Zoologie, die kartographischen Arbeiten, das Landschaft- und Thier¬ zeichnen, die allgemeinen geographischen und ethnographischen Untersuchungen, endlich Statistik und Handelspolitik.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/178>, abgerufen am 22.07.2024.