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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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geworden war. Jene wollten nicht biegen, also brachen sie. Aehnliches wird
auch bei uns geschehen. Man mag diesen Entwicklungsproceß bedauern,
aber er vollzieht sich mit der Sicherheit eines Naturgesetzes, und schon jetzt
läßt sich behaupten, daß noch im Jahre 1848 manches zur Rettung provinzieller
Selbständigkeit möglich war, was heute nicht mehr möglich ist. Je länger
die Verwirklichung der nationalen Idee sich hinauszieht, um so schärfer
spannen sich ihre Ansprüche, und je anhaltender der Widerstand der particulären
Mächte, um so stärker wird die unitarische Idee über die Idee der Konfödera¬
tion. Mögen dies diejenigen bedenken, deren dringendstes Interesse es ist. daß
sie nicht demjenigen Loose verfallen, welches die Staatskünstler von Parma
und Modena, von Florenz und Neapel ereilt hat.




Die Entdeckung Amerikas durch die Normänner.

Bekannt ist, daß die Entdeckung der transatlantischen Welt durch Colum-
bus nur eine Wiederentdeckung war und daß die Ehre, Amerika zuerst ge¬
sehen und theilweise besetzt zu haben, nicht den Romanen, sondern einem
germanischen Stamm, den Normännern gebührt, die damals im Norden un¬
gefähr die Stelle einnahmen, welche früher im Süden die Phönicier und
später deren Verwandte die Karthager innegehabt hatten. Indeß haben von
den Einzelnheiten dieser ersten Auffindung des großen westlichen Continents
nur die gelehrten Geographen Kenntniß, und da dieselben von nicht gewöhn¬
lichem Interesse sind, so gestatten wir uns, sie in einem Auszug aus der vor
Kurzem erschienenen Geschichte der Erdkunde von Carl Ritter mitzutheilen.*)

Im Jahr 863 hatte der Norweger Naddod, durch Sturm verschlagen,
die Insel Island entdeckt, 847 siedelten sich hier die Landsleute desselben. Jn-
gulf und Leif an. bald folgten ihnen, durch Staatsumwälzungen in Norwegen
und Dänemark zur Auswanderung bewogen, andere Landsleute, und zwar
Familien der edelsten Geschlechter, und so erwuchs im höchsten Norden Europas
schon lange vor dem zweiten Jahrtausend ein Staat, welcher der Mittelpunkt nordi¬
scher Cultur war. Wie Karthago, die Colonie des phönicischen Küstenvolkes, einst
größer, reicher und mächtiger als das Mutterland geworden, wie Italien als



') Geschichte der Erdkunde und der Entdeckungen, -- Vorlesungen an der Universität z"
Berlin gehalten von Carl Ritter, Herausgegeben von H. A. Daniel, Mit Carl Ritter
Bildniß. Berlin. Druck und Verlag von Georg Reimer, 1361. Wir empfehlen das M"
nochmals angelegentlich.

geworden war. Jene wollten nicht biegen, also brachen sie. Aehnliches wird
auch bei uns geschehen. Man mag diesen Entwicklungsproceß bedauern,
aber er vollzieht sich mit der Sicherheit eines Naturgesetzes, und schon jetzt
läßt sich behaupten, daß noch im Jahre 1848 manches zur Rettung provinzieller
Selbständigkeit möglich war, was heute nicht mehr möglich ist. Je länger
die Verwirklichung der nationalen Idee sich hinauszieht, um so schärfer
spannen sich ihre Ansprüche, und je anhaltender der Widerstand der particulären
Mächte, um so stärker wird die unitarische Idee über die Idee der Konfödera¬
tion. Mögen dies diejenigen bedenken, deren dringendstes Interesse es ist. daß
sie nicht demjenigen Loose verfallen, welches die Staatskünstler von Parma
und Modena, von Florenz und Neapel ereilt hat.




Die Entdeckung Amerikas durch die Normänner.

Bekannt ist, daß die Entdeckung der transatlantischen Welt durch Colum-
bus nur eine Wiederentdeckung war und daß die Ehre, Amerika zuerst ge¬
sehen und theilweise besetzt zu haben, nicht den Romanen, sondern einem
germanischen Stamm, den Normännern gebührt, die damals im Norden un¬
gefähr die Stelle einnahmen, welche früher im Süden die Phönicier und
später deren Verwandte die Karthager innegehabt hatten. Indeß haben von
den Einzelnheiten dieser ersten Auffindung des großen westlichen Continents
nur die gelehrten Geographen Kenntniß, und da dieselben von nicht gewöhn¬
lichem Interesse sind, so gestatten wir uns, sie in einem Auszug aus der vor
Kurzem erschienenen Geschichte der Erdkunde von Carl Ritter mitzutheilen.*)

Im Jahr 863 hatte der Norweger Naddod, durch Sturm verschlagen,
die Insel Island entdeckt, 847 siedelten sich hier die Landsleute desselben. Jn-
gulf und Leif an. bald folgten ihnen, durch Staatsumwälzungen in Norwegen
und Dänemark zur Auswanderung bewogen, andere Landsleute, und zwar
Familien der edelsten Geschlechter, und so erwuchs im höchsten Norden Europas
schon lange vor dem zweiten Jahrtausend ein Staat, welcher der Mittelpunkt nordi¬
scher Cultur war. Wie Karthago, die Colonie des phönicischen Küstenvolkes, einst
größer, reicher und mächtiger als das Mutterland geworden, wie Italien als



') Geschichte der Erdkunde und der Entdeckungen, — Vorlesungen an der Universität z»
Berlin gehalten von Carl Ritter, Herausgegeben von H. A. Daniel, Mit Carl Ritter
Bildniß. Berlin. Druck und Verlag von Georg Reimer, 1361. Wir empfehlen das M«
nochmals angelegentlich.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/160>, abgerufen am 13.11.2024.