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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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worin er den Thatsachen die leitenden Ideen verwob, die ihn beseelten (1346),
endlich die Gründung des Risorgimento. zu der er sich 1847 mit dem Grafen
Cavour verband. "Dem wirklichen Feldzug mußte ein geistiger vorangehen,
und in diesem ist Graf Cäsar Balbo der Träger der Oriflamme, der Reichs¬
sturmfahne der italienischen Nation gewesen; diese Fahne in der Hand ist er
gestorben."

Es ist nicht die Absicht, das Leben Balbo's hier ausführlich wiederzuer¬
zählen. Die Schrift von Reuchlin ist dazu bestimmt, in weiten Kreisen gelesen
und beherzigt zu werden. Hier mögen nur noch einige anknüpfende Bemerkun¬
gen gestattet sein.

Die Schrift ist. wie sich von selbst versteht, nicht geschrieben ohne eine prak¬
tische Beziehung zu unserem eigenen nationalen Streben. Deutschland und
Italien sagt der Verfasser, fordern uns besonders zur Parallelistrung auf. und
sie ist auch ein Sauerteig im deutschen Leben geworden. Daß gerade im
Wirken Balbo's. sich eine innere Verwandtschaft mit deutscher Art und Weise
zeigt, war für ihn ein Hauptbeweggrund eben ein Leben Balbo's den deut¬
schen Patrioten zu widmen. In dieser Beziehung sagt Reuchlin im Nachwort
"Wird Deutschland auch einmal, wird es bald seinen Garibaldi, wird es sei¬
nen Cavour finden? -- Diese Frage hört man leider nicht selten erheben.
Deutschland wird sie nicht finden, es braucht sie nicht, es könnte sie nicht tra¬
gen, denn der Eine wie der Andre sind nicht unserer Art. Auch durch Gari-
baldi's Beispiel sollen und können deutsche Männer nur in der uneigennützigen
Bereitwilligkeit, in der Entschlossenheit sich bestärken, je nachdem es das natio¬
nale Wohl verlangt, zum Schwert, zum Pflug oder zum Steuerruder zu grei¬
fen. Deutschland muß das, was ihm hochnöthig ist, auf andren Wegen, durch
Männer seiner Art erreichen. Aber einen Cäsar Balbo braucht Deutschland,
denn seine Art ist auch deutsche Art, unser Vaterland braucht im prakti¬
schen Leben gereifte Männer, welche rastlos das Feld der nationalen Eini¬
gung bebauen, zur Vertheidigung des ganzen Vaterlandes die Waffen schmie¬
den. Nicht Einen Balbo braucht Deutschland, sondern ihrer viele, gleich ge¬
legenen Charakters und Willens; mögen auch ihre Rathschläge sich nicht
Mathematisch decken; sollten nicht Zeiten kommen, wo jeder gediegene Rath zur
That werden muß?"

Diese Anschauung hat zwar ihr Richtiges, aber sie ist leicht einem Mißver¬
ständniß ausgesetzt. Gerade, weil Balbo's Art "deutsche Art" ist, läßt sich
anwenden, so fehlt es auch in Deutschland nicht an Männern, welche in ver¬
wandter Weise für die geistige Vorbereitung unsrer nationalen Wiedergeburt
vatig sind. Es sei hier nur an die Wirksamkeit unsrer neueren vaterländi¬
schen Geschichtschreibung erinnert. Ja es ließe sich fragen, ob im Ganzen
""fre Nation, was die geistige Vorarbeit betrifft, nicht zum Mindesten ebenso


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worin er den Thatsachen die leitenden Ideen verwob, die ihn beseelten (1346),
endlich die Gründung des Risorgimento. zu der er sich 1847 mit dem Grafen
Cavour verband. „Dem wirklichen Feldzug mußte ein geistiger vorangehen,
und in diesem ist Graf Cäsar Balbo der Träger der Oriflamme, der Reichs¬
sturmfahne der italienischen Nation gewesen; diese Fahne in der Hand ist er
gestorben."

Es ist nicht die Absicht, das Leben Balbo's hier ausführlich wiederzuer¬
zählen. Die Schrift von Reuchlin ist dazu bestimmt, in weiten Kreisen gelesen
und beherzigt zu werden. Hier mögen nur noch einige anknüpfende Bemerkun¬
gen gestattet sein.

Die Schrift ist. wie sich von selbst versteht, nicht geschrieben ohne eine prak¬
tische Beziehung zu unserem eigenen nationalen Streben. Deutschland und
Italien sagt der Verfasser, fordern uns besonders zur Parallelistrung auf. und
sie ist auch ein Sauerteig im deutschen Leben geworden. Daß gerade im
Wirken Balbo's. sich eine innere Verwandtschaft mit deutscher Art und Weise
zeigt, war für ihn ein Hauptbeweggrund eben ein Leben Balbo's den deut¬
schen Patrioten zu widmen. In dieser Beziehung sagt Reuchlin im Nachwort
»Wird Deutschland auch einmal, wird es bald seinen Garibaldi, wird es sei¬
nen Cavour finden? — Diese Frage hört man leider nicht selten erheben.
Deutschland wird sie nicht finden, es braucht sie nicht, es könnte sie nicht tra¬
gen, denn der Eine wie der Andre sind nicht unserer Art. Auch durch Gari-
baldi's Beispiel sollen und können deutsche Männer nur in der uneigennützigen
Bereitwilligkeit, in der Entschlossenheit sich bestärken, je nachdem es das natio¬
nale Wohl verlangt, zum Schwert, zum Pflug oder zum Steuerruder zu grei¬
fen. Deutschland muß das, was ihm hochnöthig ist, auf andren Wegen, durch
Männer seiner Art erreichen. Aber einen Cäsar Balbo braucht Deutschland,
denn seine Art ist auch deutsche Art, unser Vaterland braucht im prakti¬
schen Leben gereifte Männer, welche rastlos das Feld der nationalen Eini¬
gung bebauen, zur Vertheidigung des ganzen Vaterlandes die Waffen schmie¬
den. Nicht Einen Balbo braucht Deutschland, sondern ihrer viele, gleich ge¬
legenen Charakters und Willens; mögen auch ihre Rathschläge sich nicht
Mathematisch decken; sollten nicht Zeiten kommen, wo jeder gediegene Rath zur
That werden muß?"

Diese Anschauung hat zwar ihr Richtiges, aber sie ist leicht einem Mißver¬
ständniß ausgesetzt. Gerade, weil Balbo's Art „deutsche Art" ist, läßt sich
anwenden, so fehlt es auch in Deutschland nicht an Männern, welche in ver¬
wandter Weise für die geistige Vorbereitung unsrer nationalen Wiedergeburt
vatig sind. Es sei hier nur an die Wirksamkeit unsrer neueren vaterländi¬
schen Geschichtschreibung erinnert. Ja es ließe sich fragen, ob im Ganzen
""fre Nation, was die geistige Vorarbeit betrifft, nicht zum Mindesten ebenso


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/157>, abgerufen am 22.07.2024.