Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.sie will sich dauernd in seine Existenz eingraben und dazu, das hat sie wo! Minder glücklich indessen sind die Versuche, das Alte mit dem Neuen, sie will sich dauernd in seine Existenz eingraben und dazu, das hat sie wo! Minder glücklich indessen sind die Versuche, das Alte mit dem Neuen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0151" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112121"/> <p xml:id="ID_490" prev="#ID_489"> sie will sich dauernd in seine Existenz eingraben und dazu, das hat sie wo!<lb/> begriffen, muß sie die Erinnerungen seiner Cultur schonen und pflegen. In<lb/> der Politik mag sie seiner Selbständigkeit Gewalt anthun und das Unterste<lb/> zu oberst kehren; in der Cultur muß sie umsomehr das Alte schützen, als sie nichts<lb/> Neues an seine Stelle zu setzen hat. In diesem Falle besonders, da es sich<lb/> um das Schooßkind der Franzosen, um Paris handelt. Die alten Häuser<lb/> mögen fallen; die alten Monumente müssen bleiben. Und um ihre Erhaltung<lb/> hat die Regierung wirkliche Verdienste. Sie befreit dieselben von der häßlichen<lb/> Hülle, welche Umstände und Zufälle um sie gezogen haben, um sie dem Blick<lb/> von allen Seiten freizugeben; sie stützt, was den Einbruch droht, stellt wieder<lb/> her, putzt, wetzt die Scharten, welche die Zeit geschlagen, wieder aus. So sind unter<lb/> andern Kirchen die Notre-dame und die Sainte-Chapelle, dann das Hotel de<lb/> ville und Hotel de Saint-Cluny in alter Pracht aus dem Schutt ihrer Umgebung<lb/> wieder emporgestiegen. Zugleich hat man an geeigneten Punkten für heitere<lb/> Plätze gesorgt, um dem Verkehr und den Gebäuden Raum zu geben. Dazu<lb/> bringt man, wo es nur möglich ist, ein Stück Natur, einen Strauch, einen<lb/> Baum an, um in die Eintönigkeit der Häusermassen eine malerische Abwechs¬<lb/> lung zu bringen. So thut die Regierung Alles, um die Weltstadt zu einem<lb/> Ganzen abzurunden, in welchem das Alte ebenso sehr zu seinem vollen Rechte<lb/> kommt, als es durch die neue Umgebung ergänzt wird. Alle neue Regierun¬<lb/> gen sind fleißige Baumeister, doch achten sie meistens das Ueberkommen<lb/> nicht; das Kaiserreich ist klüger, es handelt als Universalerbe aller früheren<lb/> Dynastien und weiß mit ziemlich viel Geschick ihre Werke zu den seinigen zu<lb/> Machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_491" next="#ID_492"> Minder glücklich indessen sind die Versuche, das Alte mit dem Neuen,<lb/> das nebenan entstanden' oder entsteht, zu verbinden. Hier zeigt sich die bau¬<lb/> sche Unfruchtbarkeit der Zeit. Es handelt sich meistens darum, den Uebergang<lb/> aus einem Styl in den andern zu machen, z. B. die Vermittlung zu bilden<lb/> Zwischen einem Werk der Gothik und einem Renaissancebau. Ein rohes, ganz<lb/> äußerliches Aufpappen oder Einschieben eines beliebigen Merkmals des einen<lb/> ^>tyls auf oder in den Bau des andern: damit glaubt man einen architekto¬<lb/> nischen Zusammenhang herzustellen. Die Kirche Saint-Germain l'Auxerrois<lb/> Styl der spätern französischen Gothik, die schon hie und da zu fremden<lb/> Ornamenten greift, wird mit großem Aufwand wieder hergerichtet; daneben ist<lb/> die Mairie des ersten Arrondissement fast durchgehends in der reichen Weise<lb/> der spätern Renaissance aufgeführt. Zwischen beiden Bauten, beide mittelst<lb/> Gallerien verbindend, erhebt sich ein neuer Thurm, gothisch, verwandter Art<lb/> w't der Kirche — beiläufig bemerkt, eine Spielerei, die man besser unterlas¬<lb/> sen hätte; damit sollte nun das moderne Haus des Bürgermeisters architek¬<lb/> tonisch verbunden werden. Die Aufgabe wurde auf eine unglaublich einfache</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0151]
sie will sich dauernd in seine Existenz eingraben und dazu, das hat sie wo!
begriffen, muß sie die Erinnerungen seiner Cultur schonen und pflegen. In
der Politik mag sie seiner Selbständigkeit Gewalt anthun und das Unterste
zu oberst kehren; in der Cultur muß sie umsomehr das Alte schützen, als sie nichts
Neues an seine Stelle zu setzen hat. In diesem Falle besonders, da es sich
um das Schooßkind der Franzosen, um Paris handelt. Die alten Häuser
mögen fallen; die alten Monumente müssen bleiben. Und um ihre Erhaltung
hat die Regierung wirkliche Verdienste. Sie befreit dieselben von der häßlichen
Hülle, welche Umstände und Zufälle um sie gezogen haben, um sie dem Blick
von allen Seiten freizugeben; sie stützt, was den Einbruch droht, stellt wieder
her, putzt, wetzt die Scharten, welche die Zeit geschlagen, wieder aus. So sind unter
andern Kirchen die Notre-dame und die Sainte-Chapelle, dann das Hotel de
ville und Hotel de Saint-Cluny in alter Pracht aus dem Schutt ihrer Umgebung
wieder emporgestiegen. Zugleich hat man an geeigneten Punkten für heitere
Plätze gesorgt, um dem Verkehr und den Gebäuden Raum zu geben. Dazu
bringt man, wo es nur möglich ist, ein Stück Natur, einen Strauch, einen
Baum an, um in die Eintönigkeit der Häusermassen eine malerische Abwechs¬
lung zu bringen. So thut die Regierung Alles, um die Weltstadt zu einem
Ganzen abzurunden, in welchem das Alte ebenso sehr zu seinem vollen Rechte
kommt, als es durch die neue Umgebung ergänzt wird. Alle neue Regierun¬
gen sind fleißige Baumeister, doch achten sie meistens das Ueberkommen
nicht; das Kaiserreich ist klüger, es handelt als Universalerbe aller früheren
Dynastien und weiß mit ziemlich viel Geschick ihre Werke zu den seinigen zu
Machen.
Minder glücklich indessen sind die Versuche, das Alte mit dem Neuen,
das nebenan entstanden' oder entsteht, zu verbinden. Hier zeigt sich die bau¬
sche Unfruchtbarkeit der Zeit. Es handelt sich meistens darum, den Uebergang
aus einem Styl in den andern zu machen, z. B. die Vermittlung zu bilden
Zwischen einem Werk der Gothik und einem Renaissancebau. Ein rohes, ganz
äußerliches Aufpappen oder Einschieben eines beliebigen Merkmals des einen
^>tyls auf oder in den Bau des andern: damit glaubt man einen architekto¬
nischen Zusammenhang herzustellen. Die Kirche Saint-Germain l'Auxerrois
Styl der spätern französischen Gothik, die schon hie und da zu fremden
Ornamenten greift, wird mit großem Aufwand wieder hergerichtet; daneben ist
die Mairie des ersten Arrondissement fast durchgehends in der reichen Weise
der spätern Renaissance aufgeführt. Zwischen beiden Bauten, beide mittelst
Gallerien verbindend, erhebt sich ein neuer Thurm, gothisch, verwandter Art
w't der Kirche — beiläufig bemerkt, eine Spielerei, die man besser unterlas¬
sen hätte; damit sollte nun das moderne Haus des Bürgermeisters architek¬
tonisch verbunden werden. Die Aufgabe wurde auf eine unglaublich einfache
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