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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Schwulst zeigt sich besonders an öffentlichen Bauten, und hier kommt der wunde
Fleck der Architektur des Kaiserreichs zum Vorschein.

Die kaiserliche Regierung hat selbständige neue Bauten außer Casernen
kaum aufführen lassen; dagegen ist sie um so eifriger, die begonnenen und halb
fertigen Werke früherer Jahrhunderte zu vollenden, wie wenn sie den frühern
Dynastien den Schlußstein aussetzen wollte. VorAllem den Louvre. Der Plan, die¬
sen Palast mit den Tuilerien zu vereinigen, war von von.herein kein glücklicher;
die in leichtem und anmuthigem Schwung aufsteigende, trotz der etwas überlade¬
nen Attika geschmackvolle Westfciyade des Louvrehofes -- 1541 von Pierre
Lescot in dem nur wenig modificirten Styl der italienischen Renaissance auf¬
geführt -- ließ sich mit dem schweren gedrückten, in der Formenbildung schon ent¬
arteten Schloß der Medicis nur ganz äußerlich in architektonischen Zusammen¬
hang bringen. Schon die Tuilerien für sich bilden mit ihren verschiedenen Abthei¬
lungen , die Gliederungen eigentlich nicht heißen können, einen ganz unorga¬
nischen Bau: nur um so schwieriger ist der Anschluß an den Louvre, der wenn
auch ebenfalls in verschiedenen Zeitläuften fortgeführt, doch gleichmäßiger, mit
mehr Sinn für harmonische Disposition behandelt ist. Die eigentliche Verbindung
beider Paläste ist denn auch nicht glücklich ausgefallen. Nach der Rivolistraße zu
stößt an einen ziemlich einfachen Mittelbau, der an die Tuilerien sich anlehnend,
nur da zu sein scheint, um die Gesimse an einanderzusügen, eine reich decorirte
Fährte, welche den Styl des Louvre in einer ganz äußerlichen Weise mit dem
der Tuilerien zu vereinigen sucht: von diesem sind die Rustika-Säulen entlehnt,
an die Ornamente des ersteren erinnern die bloß aufgehefteten ungeheuren Mittel¬
felder zwischen den Fenstern, während die Mansarden in phantastischer Weise über¬
mäßig decorirt sind; die Verhältnisse schwanken zwischen beiden. An den al¬
len Louvre stößt dann wieder ein einfacher Bau, und so bildet das Ganze
^>n buntes Durcheinander, dem die französischen Generale in den Nischen ei¬
nen besonderen Reiz nicht geben können und dem fast nichts gemeinschaftlich
ist. als die durchlaufenden Profile. In den nach innen gekehrten Fanden der
Seitenflügel ist man der Bauart Lescot's so ziemlich treu geblieben und hat
damit wenigstens eine einheitlichere Wirkung erreicht. Aber man hat es noch
^sser machen wollen, als jener; die Ornamente gehäuft, die Verticalgliederung
der oberen Stockwerke durch Halbsäulen dagegen weggelassen, auf die Co-
^omnem der Arkaden berühmte Franzosen als neue Säulenheilige gesetzt, end-
^es das Dach mit einer phantastisch-baroken Decoration aufgeputzt, welche
Bau drückt. Das Dach bleibt immer ein nothwendiges Uebel und am
Wenigsten verträgt sich mit seiner rohen Nützlichkeit der feine, gebildete Styl der
"naissance. Es war überflüssig, diese Zuthat der französischen Bauweise, da
Man sie acht umgehen konnte, noch gleichsam zu verstärken. Auch ist zwischen
en Pavillons und den einfacheren zwischenliegenden Theilen ein offenbares


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Schwulst zeigt sich besonders an öffentlichen Bauten, und hier kommt der wunde
Fleck der Architektur des Kaiserreichs zum Vorschein.

Die kaiserliche Regierung hat selbständige neue Bauten außer Casernen
kaum aufführen lassen; dagegen ist sie um so eifriger, die begonnenen und halb
fertigen Werke früherer Jahrhunderte zu vollenden, wie wenn sie den frühern
Dynastien den Schlußstein aussetzen wollte. VorAllem den Louvre. Der Plan, die¬
sen Palast mit den Tuilerien zu vereinigen, war von von.herein kein glücklicher;
die in leichtem und anmuthigem Schwung aufsteigende, trotz der etwas überlade¬
nen Attika geschmackvolle Westfciyade des Louvrehofes — 1541 von Pierre
Lescot in dem nur wenig modificirten Styl der italienischen Renaissance auf¬
geführt — ließ sich mit dem schweren gedrückten, in der Formenbildung schon ent¬
arteten Schloß der Medicis nur ganz äußerlich in architektonischen Zusammen¬
hang bringen. Schon die Tuilerien für sich bilden mit ihren verschiedenen Abthei¬
lungen , die Gliederungen eigentlich nicht heißen können, einen ganz unorga¬
nischen Bau: nur um so schwieriger ist der Anschluß an den Louvre, der wenn
auch ebenfalls in verschiedenen Zeitläuften fortgeführt, doch gleichmäßiger, mit
mehr Sinn für harmonische Disposition behandelt ist. Die eigentliche Verbindung
beider Paläste ist denn auch nicht glücklich ausgefallen. Nach der Rivolistraße zu
stößt an einen ziemlich einfachen Mittelbau, der an die Tuilerien sich anlehnend,
nur da zu sein scheint, um die Gesimse an einanderzusügen, eine reich decorirte
Fährte, welche den Styl des Louvre in einer ganz äußerlichen Weise mit dem
der Tuilerien zu vereinigen sucht: von diesem sind die Rustika-Säulen entlehnt,
an die Ornamente des ersteren erinnern die bloß aufgehefteten ungeheuren Mittel¬
felder zwischen den Fenstern, während die Mansarden in phantastischer Weise über¬
mäßig decorirt sind; die Verhältnisse schwanken zwischen beiden. An den al¬
len Louvre stößt dann wieder ein einfacher Bau, und so bildet das Ganze
^>n buntes Durcheinander, dem die französischen Generale in den Nischen ei¬
nen besonderen Reiz nicht geben können und dem fast nichts gemeinschaftlich
ist. als die durchlaufenden Profile. In den nach innen gekehrten Fanden der
Seitenflügel ist man der Bauart Lescot's so ziemlich treu geblieben und hat
damit wenigstens eine einheitlichere Wirkung erreicht. Aber man hat es noch
^sser machen wollen, als jener; die Ornamente gehäuft, die Verticalgliederung
der oberen Stockwerke durch Halbsäulen dagegen weggelassen, auf die Co-
^omnem der Arkaden berühmte Franzosen als neue Säulenheilige gesetzt, end-
^es das Dach mit einer phantastisch-baroken Decoration aufgeputzt, welche
Bau drückt. Das Dach bleibt immer ein nothwendiges Uebel und am
Wenigsten verträgt sich mit seiner rohen Nützlichkeit der feine, gebildete Styl der
«naissance. Es war überflüssig, diese Zuthat der französischen Bauweise, da
Man sie acht umgehen konnte, noch gleichsam zu verstärken. Auch ist zwischen
en Pavillons und den einfacheren zwischenliegenden Theilen ein offenbares


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[0149] Schwulst zeigt sich besonders an öffentlichen Bauten, und hier kommt der wunde Fleck der Architektur des Kaiserreichs zum Vorschein. Die kaiserliche Regierung hat selbständige neue Bauten außer Casernen kaum aufführen lassen; dagegen ist sie um so eifriger, die begonnenen und halb fertigen Werke früherer Jahrhunderte zu vollenden, wie wenn sie den frühern Dynastien den Schlußstein aussetzen wollte. VorAllem den Louvre. Der Plan, die¬ sen Palast mit den Tuilerien zu vereinigen, war von von.herein kein glücklicher; die in leichtem und anmuthigem Schwung aufsteigende, trotz der etwas überlade¬ nen Attika geschmackvolle Westfciyade des Louvrehofes — 1541 von Pierre Lescot in dem nur wenig modificirten Styl der italienischen Renaissance auf¬ geführt — ließ sich mit dem schweren gedrückten, in der Formenbildung schon ent¬ arteten Schloß der Medicis nur ganz äußerlich in architektonischen Zusammen¬ hang bringen. Schon die Tuilerien für sich bilden mit ihren verschiedenen Abthei¬ lungen , die Gliederungen eigentlich nicht heißen können, einen ganz unorga¬ nischen Bau: nur um so schwieriger ist der Anschluß an den Louvre, der wenn auch ebenfalls in verschiedenen Zeitläuften fortgeführt, doch gleichmäßiger, mit mehr Sinn für harmonische Disposition behandelt ist. Die eigentliche Verbindung beider Paläste ist denn auch nicht glücklich ausgefallen. Nach der Rivolistraße zu stößt an einen ziemlich einfachen Mittelbau, der an die Tuilerien sich anlehnend, nur da zu sein scheint, um die Gesimse an einanderzusügen, eine reich decorirte Fährte, welche den Styl des Louvre in einer ganz äußerlichen Weise mit dem der Tuilerien zu vereinigen sucht: von diesem sind die Rustika-Säulen entlehnt, an die Ornamente des ersteren erinnern die bloß aufgehefteten ungeheuren Mittel¬ felder zwischen den Fenstern, während die Mansarden in phantastischer Weise über¬ mäßig decorirt sind; die Verhältnisse schwanken zwischen beiden. An den al¬ len Louvre stößt dann wieder ein einfacher Bau, und so bildet das Ganze ^>n buntes Durcheinander, dem die französischen Generale in den Nischen ei¬ nen besonderen Reiz nicht geben können und dem fast nichts gemeinschaftlich ist. als die durchlaufenden Profile. In den nach innen gekehrten Fanden der Seitenflügel ist man der Bauart Lescot's so ziemlich treu geblieben und hat damit wenigstens eine einheitlichere Wirkung erreicht. Aber man hat es noch ^sser machen wollen, als jener; die Ornamente gehäuft, die Verticalgliederung der oberen Stockwerke durch Halbsäulen dagegen weggelassen, auf die Co- ^omnem der Arkaden berühmte Franzosen als neue Säulenheilige gesetzt, end- ^es das Dach mit einer phantastisch-baroken Decoration aufgeputzt, welche Bau drückt. Das Dach bleibt immer ein nothwendiges Uebel und am Wenigsten verträgt sich mit seiner rohen Nützlichkeit der feine, gebildete Styl der «naissance. Es war überflüssig, diese Zuthat der französischen Bauweise, da Man sie acht umgehen konnte, noch gleichsam zu verstärken. Auch ist zwischen en Pavillons und den einfacheren zwischenliegenden Theilen ein offenbares 18*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/149>, abgerufen am 23.07.2024.