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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Die Pariser Kunstausstellung von 1861 und die bildende Kunst
des 19. Jahrhunderts in Frankreich.
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Das Kaiserreich und die Architektur. Der Baustyl des 19. Jahr¬
hunderts. --

Unstreitig nimmt gegenwärtig in Frankreich die Malerei -- mit der wir
es hier vorzugsweise zu thun haben unter den Künsten, sowol was die
Masse als was den Werth der Production anbelangt, die erste Stelle ein; in ihr
hat sich der künstlerische Ci/arakter der Zeit am schärfsten ausgeprägt. Aber
auch in sie sind die Verfeinerung und das Bedürfniß nach immer neuen Reiz¬
mitteln eingedrungen, welches die unruhige, rasch consumirende Phantasie
der modernen Periode nirgends eine bleibende Befriedigung finden läßt. Sie
ist. obwol die hervorragende Kunst, in das Gesammtleben der Cultur eng
verflochten, und wenn auf diese der politische und sittliche Zustand der Nation
nicht ohne Einfluß gewesen ist. so ist auch sie von demselben nicht verschont
geblieben. Die Aenderungen, welche die neueste Zeit in die übrigen Cultur¬
verhältnisse gebracht hat, sind daher auch sür unsern Gesichtspunkt von In¬
teresse und ihre Kenntniß erleichtert die Arbeit auf unserm Gebiete.

Eine Regierung, welche gegen den hergebrachten und regelmäßigen Lauf
der Dinge durch die Combination besonderer Umstände mit einer besonderen
Kraft zur Macht gelangt ist, wird nicht nur die staatliche Existenz des Landes
tief eingreifend umgestalten; sie wird auch, einschneidend in die bisherige Gewöh¬
nung, in der Cultur, dem öffentlichen und privaten Leben mancherlei ändern. Ein¬
mal will die neue Gewalt sich in allen Dingen bewähren; und dann liegt es in der
Natur der Sache, daß die Nation, die sich willig in eine neue Staatsform gießen
'äßt, auch ihren alten Culturzustand allmälig ansieht und zu einem neuen drängt,
^me andere Frage freilich ist, ob sich dieser so rasch einstellt, als jene. In
^r Politik ist ein wirkliches Interregnum auf die Dauer nicht denkbar; in
der Cultur aber sind die Mittelzustände zwischen einer sich auflebenden und
einer beginnenden Epoche nichts Seltenes. Daher das Anfangs erwähnte
Verhältniß: die Politik macht oft in die Geschichte einer Nation andere Ein¬
schnitte als die Kunst. Diese verläuft, einmal begonnen, ebensowol und
"°es mehr nach ihren eigenen Gesetzen, als nach äußern Wirkungen. Und so'ann eine Regierung auf das Kunstleben in der verschiedensten Weise ein-
wirken, durch directes Eingreifen oder durch unmittelbaren Einfluß, ohne etwas


Die Pariser Kunstausstellung von 1861 und die bildende Kunst
des 19. Jahrhunderts in Frankreich.
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Das Kaiserreich und die Architektur. Der Baustyl des 19. Jahr¬
hunderts. —

Unstreitig nimmt gegenwärtig in Frankreich die Malerei — mit der wir
es hier vorzugsweise zu thun haben unter den Künsten, sowol was die
Masse als was den Werth der Production anbelangt, die erste Stelle ein; in ihr
hat sich der künstlerische Ci/arakter der Zeit am schärfsten ausgeprägt. Aber
auch in sie sind die Verfeinerung und das Bedürfniß nach immer neuen Reiz¬
mitteln eingedrungen, welches die unruhige, rasch consumirende Phantasie
der modernen Periode nirgends eine bleibende Befriedigung finden läßt. Sie
ist. obwol die hervorragende Kunst, in das Gesammtleben der Cultur eng
verflochten, und wenn auf diese der politische und sittliche Zustand der Nation
nicht ohne Einfluß gewesen ist. so ist auch sie von demselben nicht verschont
geblieben. Die Aenderungen, welche die neueste Zeit in die übrigen Cultur¬
verhältnisse gebracht hat, sind daher auch sür unsern Gesichtspunkt von In¬
teresse und ihre Kenntniß erleichtert die Arbeit auf unserm Gebiete.

Eine Regierung, welche gegen den hergebrachten und regelmäßigen Lauf
der Dinge durch die Combination besonderer Umstände mit einer besonderen
Kraft zur Macht gelangt ist, wird nicht nur die staatliche Existenz des Landes
tief eingreifend umgestalten; sie wird auch, einschneidend in die bisherige Gewöh¬
nung, in der Cultur, dem öffentlichen und privaten Leben mancherlei ändern. Ein¬
mal will die neue Gewalt sich in allen Dingen bewähren; und dann liegt es in der
Natur der Sache, daß die Nation, die sich willig in eine neue Staatsform gießen
'äßt, auch ihren alten Culturzustand allmälig ansieht und zu einem neuen drängt,
^me andere Frage freilich ist, ob sich dieser so rasch einstellt, als jene. In
^r Politik ist ein wirkliches Interregnum auf die Dauer nicht denkbar; in
der Cultur aber sind die Mittelzustände zwischen einer sich auflebenden und
einer beginnenden Epoche nichts Seltenes. Daher das Anfangs erwähnte
Verhältniß: die Politik macht oft in die Geschichte einer Nation andere Ein¬
schnitte als die Kunst. Diese verläuft, einmal begonnen, ebensowol und
"°es mehr nach ihren eigenen Gesetzen, als nach äußern Wirkungen. Und so'ann eine Regierung auf das Kunstleben in der verschiedensten Weise ein-
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[0143] Die Pariser Kunstausstellung von 1861 und die bildende Kunst des 19. Jahrhunderts in Frankreich. - - ' ^ ^6 Hu6^ So<j ^in»,' 5,i ^v,-',»»« Das Kaiserreich und die Architektur. Der Baustyl des 19. Jahr¬ hunderts. — Unstreitig nimmt gegenwärtig in Frankreich die Malerei — mit der wir es hier vorzugsweise zu thun haben unter den Künsten, sowol was die Masse als was den Werth der Production anbelangt, die erste Stelle ein; in ihr hat sich der künstlerische Ci/arakter der Zeit am schärfsten ausgeprägt. Aber auch in sie sind die Verfeinerung und das Bedürfniß nach immer neuen Reiz¬ mitteln eingedrungen, welches die unruhige, rasch consumirende Phantasie der modernen Periode nirgends eine bleibende Befriedigung finden läßt. Sie ist. obwol die hervorragende Kunst, in das Gesammtleben der Cultur eng verflochten, und wenn auf diese der politische und sittliche Zustand der Nation nicht ohne Einfluß gewesen ist. so ist auch sie von demselben nicht verschont geblieben. Die Aenderungen, welche die neueste Zeit in die übrigen Cultur¬ verhältnisse gebracht hat, sind daher auch sür unsern Gesichtspunkt von In¬ teresse und ihre Kenntniß erleichtert die Arbeit auf unserm Gebiete. Eine Regierung, welche gegen den hergebrachten und regelmäßigen Lauf der Dinge durch die Combination besonderer Umstände mit einer besonderen Kraft zur Macht gelangt ist, wird nicht nur die staatliche Existenz des Landes tief eingreifend umgestalten; sie wird auch, einschneidend in die bisherige Gewöh¬ nung, in der Cultur, dem öffentlichen und privaten Leben mancherlei ändern. Ein¬ mal will die neue Gewalt sich in allen Dingen bewähren; und dann liegt es in der Natur der Sache, daß die Nation, die sich willig in eine neue Staatsform gießen 'äßt, auch ihren alten Culturzustand allmälig ansieht und zu einem neuen drängt, ^me andere Frage freilich ist, ob sich dieser so rasch einstellt, als jene. In ^r Politik ist ein wirkliches Interregnum auf die Dauer nicht denkbar; in der Cultur aber sind die Mittelzustände zwischen einer sich auflebenden und einer beginnenden Epoche nichts Seltenes. Daher das Anfangs erwähnte Verhältniß: die Politik macht oft in die Geschichte einer Nation andere Ein¬ schnitte als die Kunst. Diese verläuft, einmal begonnen, ebensowol und "°es mehr nach ihren eigenen Gesetzen, als nach äußern Wirkungen. Und so'ann eine Regierung auf das Kunstleben in der verschiedensten Weise ein- wirken, durch directes Eingreifen oder durch unmittelbaren Einfluß, ohne etwas

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/143>, abgerufen am 13.11.2024.