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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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mer erbt, könnte kraft seiner Geburt erst nach dem Aussterben mehrer dazwischen
liegender Linien geerbt haben, da seine Linie unmittelbar vor der von Holstein-
Gottorp (Rußland) steht. Die Ursache seiner Ernennung ist nicht zweifelhaft.
Sie findet sich im Warschauer Protokoll vom 5. Juni 1851, von welchem das
Londoner Protokoll bloß eine Abschrift und ein unterstützendes Document ist.
Jenes Protokoll enthält die folgenden Schlußbestimmungen:

""Um diesen Festsetzungen, nach denen der Prinz und die Prinzessin von
Glücksburg als die prüsumptiven Thronfolger von Dünemark anerkannt werden
sollen, den Charakter einer europäischen Transaction zu verlei¬
hen, sollen die dazu erforderlichen Verhandlungen in London stattfinden.""

Die durch die Londoner Uebereinkunft aufgestellte Erofolgeordnung wird in
nem Protokoll Dänemark von Rußland aufgenöthigt, weil Rußland nur unter der
Bedingung, daß diese Erbfolge eingeführt wird, gewissen Ansprüchen auf einen
Theil Holsteins von Neuem entsagt. Das heißt, es entsagt ihnen zu Gunsten von
drei Personen: des Prinzen Christian und seiner beiden Söhne von der Prin¬
zessin Louise von Hessen, bei deren Ableben sie, wenn keine männlichen Erben
vorhanden sind, von Neuem aufleben sollen. An sich sind jene Ansprüche sehr
zweifelhafter Natur. Durch dieses Abkommen werden sie zum ersten Mal von
England und den übrigen europäischen Mächten anerkannt. Während die
Uebereinkunft auch bestimmt, daß die Herzogthümer mit Dänemark auf immer
zu verbinden sind, bahnt dieselbe dem Kaiser von Nußland den Weg, um mit¬
telst seiner Ansprüche auf einen Theil das Ganze in Anspruch zu nehmen.
Denn erstens stößt der Vertrag (Protokoll nennen wir's) alles Erbrecht um.
Der Prinz, welcher Thronfolger werden soll, wird es lediglich kraft des Ver¬
trags (Protokolls). Auf diese Art wird in Ermangelung directer männlicher
Erben von ihm (welche überdieß auf die Söhne seiner gegenwärtigen Gemah¬
lin beschränkt werden) die Krone vollständig ohne Nachfolger gelassen.. So/
dann aber hat der Vertrag (Protokoll), statt die Thronsolge zu ordnen, dieselbe
vielmehr verwirrt. Während im Vertrag (Protokoll) als Grund der Ein¬
mischung der Mächte in die Angelegenheit angeführt wird, ""daß die Integrität
Dünemarks für das europäische Gleichgewicht nothwendig ist"", lausen die
Vertragsbestimmungen diesem Zwecke schnurstracks entgegen. Sie vernichten
das Gleichgewicht der Mächte, rüden sie Rußland Aussicht aus Erlangung
der dänischen Krone geben und, hierdurch in gegenwärtigem Augenblick Däne¬
mark unter den Einfluß dieser Macht bringen."




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L, Hcrbig. -- Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

mer erbt, könnte kraft seiner Geburt erst nach dem Aussterben mehrer dazwischen
liegender Linien geerbt haben, da seine Linie unmittelbar vor der von Holstein-
Gottorp (Rußland) steht. Die Ursache seiner Ernennung ist nicht zweifelhaft.
Sie findet sich im Warschauer Protokoll vom 5. Juni 1851, von welchem das
Londoner Protokoll bloß eine Abschrift und ein unterstützendes Document ist.
Jenes Protokoll enthält die folgenden Schlußbestimmungen:

„„Um diesen Festsetzungen, nach denen der Prinz und die Prinzessin von
Glücksburg als die prüsumptiven Thronfolger von Dünemark anerkannt werden
sollen, den Charakter einer europäischen Transaction zu verlei¬
hen, sollen die dazu erforderlichen Verhandlungen in London stattfinden.""

Die durch die Londoner Uebereinkunft aufgestellte Erofolgeordnung wird in
nem Protokoll Dänemark von Rußland aufgenöthigt, weil Rußland nur unter der
Bedingung, daß diese Erbfolge eingeführt wird, gewissen Ansprüchen auf einen
Theil Holsteins von Neuem entsagt. Das heißt, es entsagt ihnen zu Gunsten von
drei Personen: des Prinzen Christian und seiner beiden Söhne von der Prin¬
zessin Louise von Hessen, bei deren Ableben sie, wenn keine männlichen Erben
vorhanden sind, von Neuem aufleben sollen. An sich sind jene Ansprüche sehr
zweifelhafter Natur. Durch dieses Abkommen werden sie zum ersten Mal von
England und den übrigen europäischen Mächten anerkannt. Während die
Uebereinkunft auch bestimmt, daß die Herzogthümer mit Dänemark auf immer
zu verbinden sind, bahnt dieselbe dem Kaiser von Nußland den Weg, um mit¬
telst seiner Ansprüche auf einen Theil das Ganze in Anspruch zu nehmen.
Denn erstens stößt der Vertrag (Protokoll nennen wir's) alles Erbrecht um.
Der Prinz, welcher Thronfolger werden soll, wird es lediglich kraft des Ver¬
trags (Protokolls). Auf diese Art wird in Ermangelung directer männlicher
Erben von ihm (welche überdieß auf die Söhne seiner gegenwärtigen Gemah¬
lin beschränkt werden) die Krone vollständig ohne Nachfolger gelassen.. So/
dann aber hat der Vertrag (Protokoll), statt die Thronsolge zu ordnen, dieselbe
vielmehr verwirrt. Während im Vertrag (Protokoll) als Grund der Ein¬
mischung der Mächte in die Angelegenheit angeführt wird, „„daß die Integrität
Dünemarks für das europäische Gleichgewicht nothwendig ist"", lausen die
Vertragsbestimmungen diesem Zwecke schnurstracks entgegen. Sie vernichten
das Gleichgewicht der Mächte, rüden sie Rußland Aussicht aus Erlangung
der dänischen Krone geben und, hierdurch in gegenwärtigem Augenblick Däne¬
mark unter den Einfluß dieser Macht bringen."




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. L, Hcrbig. — Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/130>, abgerufen am 25.08.2024.