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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Mittel-und Unterbehörden der Fühigkeit. selbst zu denken und sich selbst zu ent¬
schließen. Noch ist des weitschweifigen Kanzleistyls zu gedenken. Solche Unge¬
heuer von Perioden, wie bei den Justizbehörden gar nicht selten vorkommen,
findet man zwar in der Regel bei den Verwaltungsbehörden nicht, aber doch eine
Menge überflüssiger Formeln, welche verursachen, daß die wenigen Worte,
welche den eigentlichen Kern der Entscheidung bilden, wie Fettaugen in einer
Wassersuppe herumschwimmen. In den meisten Füllen würde ein ganz kurzer
Bescheid ohne langen Kopf und Schweif, mit Datum und Unterschrist genü¬
gen, z. B. "Genehmigt"; "In Hinblick auf---abschlagen"; auch müßte
man diese Resolutionen ohne Weiteres in die Acten der Unterbehörden selbst
eintragen, diese aber nicht erst, außer in schwierigen Fällen, mit Berichter¬
stattungen, die oft nur leere Höflichkeitsformeln enthalten, behelligen, son¬
dern gestatten, daß die Acten, mit einer ganz kurzen Notiz in diese selbst ge¬
bracht, vorgelegt würden, worunter dann sofort der ebenso kurze Beschluß der
Oberbehörde zu schreiben wäre. Man kann hier getrost auch von Oben nach
Unten thun, und umgekehrt, was die Unterbehörden schon unter sich vielfach
zu thun pflegen. -- Allongenperücken brauchen wir nickt mehr; eine männ¬
liche Kürze steht Jedermann wol an und ist die beste Stütze der Würde.

Hand in Hand mit diesen Reformen müßte auch eine Reform der Kreis¬
stände gehen; wir würden uns stets gegen bloße Kopfwahlen außerhalb der
Gemeinde erklären, weil sie die geringsten Garantieen für eine Vertretung der
Interessen bieten, und diese allein sollen doch ihre Vertretung finden, allein
sie ist auf den jetzigen Kreistagen eine zu unvollkommene. Es herrschen aus
ihnen die Rittergüter, neben denen die Städte fast verschwinden. Es ist
durchaus nothwendig, daß zuvörderst die Städte, nicht bloß die alten schrift-
süssigen, sondern auch die Vasallenstädte mit Abstufungen der Stimmen nach
ihrer Einwohnerzahl an Stimmenzahl den Rittergütern gleichgestellt, und au¬
ßerdem das flache Land nach zu bestimmenden Gemeindebezirken vertreten werde,
Den Stadtgemeinden und Landgemeindebezirken ist die Wahl ihrer Vertreter
für jeden Kreistag überlassen. Diese Wahlen werden von den Stadträthen,
und auf dem Lande von Abgeordneten der Gemeinderäthe vorgenommen. Der
Kreisvorsitzende und sein Stellvertreter wird von den Kreisständen gewählt
und von der Krone bestätigt. Die Stunde versammeln sich, um das Budget
für den Kreis zu berathen, die Wahl des Kreisvorstandes vorzunehmen, regel¬
müßig auf Einladung des Vorsitzenden, zu außerordentlichen Kreistagen aber
auf Berufung des Kreishauptmanns oder der Staatsregierung. Die Ab¬
stimmung erfolgt nicht nach Curien, wie ans den alten Landtagen und noch
auf dem schwedischen Reichstage, sondern der Kreistag bildet einen gemein¬
schaftlichen Körper. Eine Ausnahme findet nur Statt bei den ritterschaftlichen
Versammlungen zu den Landtagswahlen. -- Die Kreisstünde wählen stündige


Mittel-und Unterbehörden der Fühigkeit. selbst zu denken und sich selbst zu ent¬
schließen. Noch ist des weitschweifigen Kanzleistyls zu gedenken. Solche Unge¬
heuer von Perioden, wie bei den Justizbehörden gar nicht selten vorkommen,
findet man zwar in der Regel bei den Verwaltungsbehörden nicht, aber doch eine
Menge überflüssiger Formeln, welche verursachen, daß die wenigen Worte,
welche den eigentlichen Kern der Entscheidung bilden, wie Fettaugen in einer
Wassersuppe herumschwimmen. In den meisten Füllen würde ein ganz kurzer
Bescheid ohne langen Kopf und Schweif, mit Datum und Unterschrist genü¬
gen, z. B. „Genehmigt"; „In Hinblick auf---abschlagen"; auch müßte
man diese Resolutionen ohne Weiteres in die Acten der Unterbehörden selbst
eintragen, diese aber nicht erst, außer in schwierigen Fällen, mit Berichter¬
stattungen, die oft nur leere Höflichkeitsformeln enthalten, behelligen, son¬
dern gestatten, daß die Acten, mit einer ganz kurzen Notiz in diese selbst ge¬
bracht, vorgelegt würden, worunter dann sofort der ebenso kurze Beschluß der
Oberbehörde zu schreiben wäre. Man kann hier getrost auch von Oben nach
Unten thun, und umgekehrt, was die Unterbehörden schon unter sich vielfach
zu thun pflegen. — Allongenperücken brauchen wir nickt mehr; eine männ¬
liche Kürze steht Jedermann wol an und ist die beste Stütze der Würde.

Hand in Hand mit diesen Reformen müßte auch eine Reform der Kreis¬
stände gehen; wir würden uns stets gegen bloße Kopfwahlen außerhalb der
Gemeinde erklären, weil sie die geringsten Garantieen für eine Vertretung der
Interessen bieten, und diese allein sollen doch ihre Vertretung finden, allein
sie ist auf den jetzigen Kreistagen eine zu unvollkommene. Es herrschen aus
ihnen die Rittergüter, neben denen die Städte fast verschwinden. Es ist
durchaus nothwendig, daß zuvörderst die Städte, nicht bloß die alten schrift-
süssigen, sondern auch die Vasallenstädte mit Abstufungen der Stimmen nach
ihrer Einwohnerzahl an Stimmenzahl den Rittergütern gleichgestellt, und au¬
ßerdem das flache Land nach zu bestimmenden Gemeindebezirken vertreten werde,
Den Stadtgemeinden und Landgemeindebezirken ist die Wahl ihrer Vertreter
für jeden Kreistag überlassen. Diese Wahlen werden von den Stadträthen,
und auf dem Lande von Abgeordneten der Gemeinderäthe vorgenommen. Der
Kreisvorsitzende und sein Stellvertreter wird von den Kreisständen gewählt
und von der Krone bestätigt. Die Stunde versammeln sich, um das Budget
für den Kreis zu berathen, die Wahl des Kreisvorstandes vorzunehmen, regel¬
müßig auf Einladung des Vorsitzenden, zu außerordentlichen Kreistagen aber
auf Berufung des Kreishauptmanns oder der Staatsregierung. Die Ab¬
stimmung erfolgt nicht nach Curien, wie ans den alten Landtagen und noch
auf dem schwedischen Reichstage, sondern der Kreistag bildet einen gemein¬
schaftlichen Körper. Eine Ausnahme findet nur Statt bei den ritterschaftlichen
Versammlungen zu den Landtagswahlen. — Die Kreisstünde wählen stündige


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[0114] Mittel-und Unterbehörden der Fühigkeit. selbst zu denken und sich selbst zu ent¬ schließen. Noch ist des weitschweifigen Kanzleistyls zu gedenken. Solche Unge¬ heuer von Perioden, wie bei den Justizbehörden gar nicht selten vorkommen, findet man zwar in der Regel bei den Verwaltungsbehörden nicht, aber doch eine Menge überflüssiger Formeln, welche verursachen, daß die wenigen Worte, welche den eigentlichen Kern der Entscheidung bilden, wie Fettaugen in einer Wassersuppe herumschwimmen. In den meisten Füllen würde ein ganz kurzer Bescheid ohne langen Kopf und Schweif, mit Datum und Unterschrist genü¬ gen, z. B. „Genehmigt"; „In Hinblick auf---abschlagen"; auch müßte man diese Resolutionen ohne Weiteres in die Acten der Unterbehörden selbst eintragen, diese aber nicht erst, außer in schwierigen Fällen, mit Berichter¬ stattungen, die oft nur leere Höflichkeitsformeln enthalten, behelligen, son¬ dern gestatten, daß die Acten, mit einer ganz kurzen Notiz in diese selbst ge¬ bracht, vorgelegt würden, worunter dann sofort der ebenso kurze Beschluß der Oberbehörde zu schreiben wäre. Man kann hier getrost auch von Oben nach Unten thun, und umgekehrt, was die Unterbehörden schon unter sich vielfach zu thun pflegen. — Allongenperücken brauchen wir nickt mehr; eine männ¬ liche Kürze steht Jedermann wol an und ist die beste Stütze der Würde. Hand in Hand mit diesen Reformen müßte auch eine Reform der Kreis¬ stände gehen; wir würden uns stets gegen bloße Kopfwahlen außerhalb der Gemeinde erklären, weil sie die geringsten Garantieen für eine Vertretung der Interessen bieten, und diese allein sollen doch ihre Vertretung finden, allein sie ist auf den jetzigen Kreistagen eine zu unvollkommene. Es herrschen aus ihnen die Rittergüter, neben denen die Städte fast verschwinden. Es ist durchaus nothwendig, daß zuvörderst die Städte, nicht bloß die alten schrift- süssigen, sondern auch die Vasallenstädte mit Abstufungen der Stimmen nach ihrer Einwohnerzahl an Stimmenzahl den Rittergütern gleichgestellt, und au¬ ßerdem das flache Land nach zu bestimmenden Gemeindebezirken vertreten werde, Den Stadtgemeinden und Landgemeindebezirken ist die Wahl ihrer Vertreter für jeden Kreistag überlassen. Diese Wahlen werden von den Stadträthen, und auf dem Lande von Abgeordneten der Gemeinderäthe vorgenommen. Der Kreisvorsitzende und sein Stellvertreter wird von den Kreisständen gewählt und von der Krone bestätigt. Die Stunde versammeln sich, um das Budget für den Kreis zu berathen, die Wahl des Kreisvorstandes vorzunehmen, regel¬ müßig auf Einladung des Vorsitzenden, zu außerordentlichen Kreistagen aber auf Berufung des Kreishauptmanns oder der Staatsregierung. Die Ab¬ stimmung erfolgt nicht nach Curien, wie ans den alten Landtagen und noch auf dem schwedischen Reichstage, sondern der Kreistag bildet einen gemein¬ schaftlichen Körper. Eine Ausnahme findet nur Statt bei den ritterschaftlichen Versammlungen zu den Landtagswahlen. — Die Kreisstünde wählen stündige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/114>, abgerufen am 23.12.2024.