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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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hervorgehende Vielschrciberei in Kirchen- und Schulischen. So geht z. B.
der Beschluß einer Gemeinde, eine Hilfslehrerstelle zu einer ständigen zu er¬
heben, oder überhaupt eine ständige Lehrerstelle zu gründen, eine <suche. die
doch wahrlich nur den Geldbeutel der Gemeindeglieder angeht, zunächst an
den Superintendenten, sodann mittels Berichts an die Kreisdirection von da
endlich an das Cultusministcrium. um denselben Weg von oben nach unten
wieder zurückzumachen. So ließen sich noch viele andere Beispiele gleicher
Weitschweifigkeit anführen, es würde aber den Raum und den Zweck dieses
Aufsatzes weit überschreiten. Welche Kraft-, Zeit- und Papierverschwendung!
Und dabei wiegen sich Alle, welche bei diesen rein überflüssigen Formen zu
thun haben, in dem holden Wahne, sie hätten das Wohl des Vaterlandes nur
solchen Nichtigkeiten besorgt! Geschieht es nun um das Schutz- und Schum-
>echt des Staats in Bezug auf Kirche und Schule geltend zu machen oder
um die unbefugte Ausdehnung der Patronatsrechte zu überwachen, immer¬
hin wäre es vollständig genügend, wenn in allen Kirchen- und Schul¬
sachen die Beschlüsse der Gemeinden und weltlichen Behörden lediglich den
Superintendenten als den in Wahrung des ^us circa Sö-era, Seiten des Staats
ständig Beauftragten zur Bestätigung vorgelegt zu werden brauchten und über¬
haupt den Angelegenheiten der politischen Gemeinde analog behandelt würden.
Welch unnützer und weitschweifiger Formenkram würde dadurch abgeschnitten
werden: der künftige Kreisvorstand würde mit solcher Bevormundung nicht
wehr zu behelligen sein, sondern in der Hauptsache auch in Kirchen- und
Schulsachen nur da, wo die Kreisdirection jetzt in den rein politischen An¬
gelegenheiten cognoscirt, und auf eingewendete Berufung oder erhobene Be¬
schwerde entscheiden.

Es ist zu weit gegangen, wenn man die Kreisdirectionen zwar aufheben,
jedoch nichts Anderes an ihre Stelle setzen und ihre sämmtlichen Geschäfte
beim Ministerium concentriren will, welches den Personen und Dingen viel
ferner steht, als die ohnehin dem Leben entrückte Kreisdirection. Im Gegen¬
theile halten wir sie für vollständig befähigt, fast alle von den achtzehn Angele¬
genheiten zu besorgen, in welchen nach Vorschrift eines Regulativs sie nicht
selbst zu entscheiden, sondern an das Ministerium des Innern zu berichten
haben. Es wäre zur Erhaltung der Einheit in der Verwaltung nur nöthig.
d"b das Ministerium die obersten Grundsätze vorschriebe, nach denen im All¬
gemeinen zu verfahren; nicht aber sich in Sachen erst Vortrag*) erstatten ließe,
deren Beurtheilung in der Regel sehr einfach und weder an großen Scharfsinn
noch an besonders tiefe Gelehrsamkeit gebunden ist. Dieses Berichterstatter
raubt nicht nur viel Zeit. Geld und Arbeitskraft, sondern entwöhnt auch die



') Von der Kreisdirection. welche wiederum erst das Gutachten der Amtshauptnwnnschoft
eins,^

hervorgehende Vielschrciberei in Kirchen- und Schulischen. So geht z. B.
der Beschluß einer Gemeinde, eine Hilfslehrerstelle zu einer ständigen zu er¬
heben, oder überhaupt eine ständige Lehrerstelle zu gründen, eine <suche. die
doch wahrlich nur den Geldbeutel der Gemeindeglieder angeht, zunächst an
den Superintendenten, sodann mittels Berichts an die Kreisdirection von da
endlich an das Cultusministcrium. um denselben Weg von oben nach unten
wieder zurückzumachen. So ließen sich noch viele andere Beispiele gleicher
Weitschweifigkeit anführen, es würde aber den Raum und den Zweck dieses
Aufsatzes weit überschreiten. Welche Kraft-, Zeit- und Papierverschwendung!
Und dabei wiegen sich Alle, welche bei diesen rein überflüssigen Formen zu
thun haben, in dem holden Wahne, sie hätten das Wohl des Vaterlandes nur
solchen Nichtigkeiten besorgt! Geschieht es nun um das Schutz- und Schum-
>echt des Staats in Bezug auf Kirche und Schule geltend zu machen oder
um die unbefugte Ausdehnung der Patronatsrechte zu überwachen, immer¬
hin wäre es vollständig genügend, wenn in allen Kirchen- und Schul¬
sachen die Beschlüsse der Gemeinden und weltlichen Behörden lediglich den
Superintendenten als den in Wahrung des ^us circa Sö-era, Seiten des Staats
ständig Beauftragten zur Bestätigung vorgelegt zu werden brauchten und über¬
haupt den Angelegenheiten der politischen Gemeinde analog behandelt würden.
Welch unnützer und weitschweifiger Formenkram würde dadurch abgeschnitten
werden: der künftige Kreisvorstand würde mit solcher Bevormundung nicht
wehr zu behelligen sein, sondern in der Hauptsache auch in Kirchen- und
Schulsachen nur da, wo die Kreisdirection jetzt in den rein politischen An¬
gelegenheiten cognoscirt, und auf eingewendete Berufung oder erhobene Be¬
schwerde entscheiden.

Es ist zu weit gegangen, wenn man die Kreisdirectionen zwar aufheben,
jedoch nichts Anderes an ihre Stelle setzen und ihre sämmtlichen Geschäfte
beim Ministerium concentriren will, welches den Personen und Dingen viel
ferner steht, als die ohnehin dem Leben entrückte Kreisdirection. Im Gegen¬
theile halten wir sie für vollständig befähigt, fast alle von den achtzehn Angele¬
genheiten zu besorgen, in welchen nach Vorschrift eines Regulativs sie nicht
selbst zu entscheiden, sondern an das Ministerium des Innern zu berichten
haben. Es wäre zur Erhaltung der Einheit in der Verwaltung nur nöthig.
d"b das Ministerium die obersten Grundsätze vorschriebe, nach denen im All¬
gemeinen zu verfahren; nicht aber sich in Sachen erst Vortrag*) erstatten ließe,
deren Beurtheilung in der Regel sehr einfach und weder an großen Scharfsinn
noch an besonders tiefe Gelehrsamkeit gebunden ist. Dieses Berichterstatter
raubt nicht nur viel Zeit. Geld und Arbeitskraft, sondern entwöhnt auch die



') Von der Kreisdirection. welche wiederum erst das Gutachten der Amtshauptnwnnschoft
eins,^
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[0113] hervorgehende Vielschrciberei in Kirchen- und Schulischen. So geht z. B. der Beschluß einer Gemeinde, eine Hilfslehrerstelle zu einer ständigen zu er¬ heben, oder überhaupt eine ständige Lehrerstelle zu gründen, eine <suche. die doch wahrlich nur den Geldbeutel der Gemeindeglieder angeht, zunächst an den Superintendenten, sodann mittels Berichts an die Kreisdirection von da endlich an das Cultusministcrium. um denselben Weg von oben nach unten wieder zurückzumachen. So ließen sich noch viele andere Beispiele gleicher Weitschweifigkeit anführen, es würde aber den Raum und den Zweck dieses Aufsatzes weit überschreiten. Welche Kraft-, Zeit- und Papierverschwendung! Und dabei wiegen sich Alle, welche bei diesen rein überflüssigen Formen zu thun haben, in dem holden Wahne, sie hätten das Wohl des Vaterlandes nur solchen Nichtigkeiten besorgt! Geschieht es nun um das Schutz- und Schum- >echt des Staats in Bezug auf Kirche und Schule geltend zu machen oder um die unbefugte Ausdehnung der Patronatsrechte zu überwachen, immer¬ hin wäre es vollständig genügend, wenn in allen Kirchen- und Schul¬ sachen die Beschlüsse der Gemeinden und weltlichen Behörden lediglich den Superintendenten als den in Wahrung des ^us circa Sö-era, Seiten des Staats ständig Beauftragten zur Bestätigung vorgelegt zu werden brauchten und über¬ haupt den Angelegenheiten der politischen Gemeinde analog behandelt würden. Welch unnützer und weitschweifiger Formenkram würde dadurch abgeschnitten werden: der künftige Kreisvorstand würde mit solcher Bevormundung nicht wehr zu behelligen sein, sondern in der Hauptsache auch in Kirchen- und Schulsachen nur da, wo die Kreisdirection jetzt in den rein politischen An¬ gelegenheiten cognoscirt, und auf eingewendete Berufung oder erhobene Be¬ schwerde entscheiden. Es ist zu weit gegangen, wenn man die Kreisdirectionen zwar aufheben, jedoch nichts Anderes an ihre Stelle setzen und ihre sämmtlichen Geschäfte beim Ministerium concentriren will, welches den Personen und Dingen viel ferner steht, als die ohnehin dem Leben entrückte Kreisdirection. Im Gegen¬ theile halten wir sie für vollständig befähigt, fast alle von den achtzehn Angele¬ genheiten zu besorgen, in welchen nach Vorschrift eines Regulativs sie nicht selbst zu entscheiden, sondern an das Ministerium des Innern zu berichten haben. Es wäre zur Erhaltung der Einheit in der Verwaltung nur nöthig. d"b das Ministerium die obersten Grundsätze vorschriebe, nach denen im All¬ gemeinen zu verfahren; nicht aber sich in Sachen erst Vortrag*) erstatten ließe, deren Beurtheilung in der Regel sehr einfach und weder an großen Scharfsinn noch an besonders tiefe Gelehrsamkeit gebunden ist. Dieses Berichterstatter raubt nicht nur viel Zeit. Geld und Arbeitskraft, sondern entwöhnt auch die ') Von der Kreisdirection. welche wiederum erst das Gutachten der Amtshauptnwnnschoft eins,^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/113>, abgerufen am 03.07.2024.