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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Voigtländer oder Erzgebirger" sich einen Angehörigen des Zwickauer Kreis-
directionsbezirkes nennen wollte. An die Stelle der Kreisdirection sollte an
die Spitze des Kreises (mit Ausnahme der Lausitz, welche ihre besondere Ver¬
fassung behalten könnte) ein Kreishauptmann treten. Er wäre aus der Kreis¬
kasse zu besolden, müßte juristisch befähigt sein und würde von der Krone
aus drei von den Kreisständen vorgeschlagenen Kandidaten gewählt. Ihm
zur Seite stehen besoldete, auf Lebenszeit angestellte, ebenfalls juristisch befähigte
Kreisräthe zunächst zur Besorgung der einen Aufschub nicht erleidender Geschäfte,
außerdem noch unbesoldete, auf Zeit gewählte Kreisrüthe, welche sich zu den be¬
soldeten der Zahl nach mindestens wie sechs zu eins verhalten; sie werden die Be¬
hörde vor Verknöcherung und Versinken in todtes Actenwesen bewahren und sie mit
Volke vermitteln; sie werden das wahrhaft sein, was die Friedensrichter nach
dem der Absicht der Regierung sein sollen; sie werden die begutachtende Stellung,
welche die Amtshauptmannschaften den Kreisdirectionen gegenüber einnehmen,
in vielen Fällen überflüssig machen. Beide Gattungen, die besoldeten und
die unbesoldeten Kreisräthe werden von den Kreisständen gewählt und von
der Regierung bestätigt. Sie bilden mit dem Kreishauptmann eine collegialc
Behörde: den Kreisvorstand. Dieser beaufsichtigt und leitet die gemeinsamen
Angelegenheiten des Kreises und verwaltet dessen Vermögen unter Controle
der Kreisstände; denen er zu regelmäßig wiederkehrenden Zeiten Rechnung ab¬
legt; er führt insofern eine Aufsicht über die Gemeinden des Kreises, als er
von ihren Jahrcsrechnungen in Auszügen Kenntniß nimmt und darüber wacht,
daß das Grundvermögen nicht verringert wird;^ er ist endlich Berufungs-,
Beschwerde- und Dispensationsinstanz gegen alle Entscheidungen der untern
Behörden in Verwaltungssachen. -- Er stellt seine Unterbeamten selbst an. --
Sein Sitz ist in der Kreisstadt. Er hält regelmäßige collegiale Sitzungen,
zu welchen sich die unbesoldeten Kreisräthe einzusinken haben; wohnen sie
nicht selbst in der Kreisstadt, so erhalten sie auf Verlangen Diäten aus der
Kreiskasse. Kreisräthe, welche schon in 1. Instanz an einem Beschlusse theil¬
genommen haben, tonnen nicht an der Berathung über denselben Gegenstand
in 2. Instanz theilnehmen. -- Die Sitzungen werden gegen die der Kreis¬
directionen sich mit Verminderung der Geschäfte vermindern, und dem Kreis¬
hauptmann zu vielfachem persönlichen Verkehr mit den Behörden und Ge¬
meinden seines Kreises Zeit bleiben, die der jetzige Kreisdirector nicht hat.

Ein großer Theil der Geschäfte, welche jetzt die Kreisdirectionen in erster
Instanz besorgen, wird den Unterbehörden überwiesen; in der politischen
Sphäre sind deren zwar nicht viele, und es dürften nur etwa Ausstellung von
Leichenpässen, Auslandheimathscheinen, alle Arten persönlicher Concessions¬
ertheilungen, die Beaufsichtigung von Actienvereinen hierher zu rechnen sein.
Aber wahrhaft grauenerregend ist jetzt die Bevormundung und die daraus


Voigtländer oder Erzgebirger" sich einen Angehörigen des Zwickauer Kreis-
directionsbezirkes nennen wollte. An die Stelle der Kreisdirection sollte an
die Spitze des Kreises (mit Ausnahme der Lausitz, welche ihre besondere Ver¬
fassung behalten könnte) ein Kreishauptmann treten. Er wäre aus der Kreis¬
kasse zu besolden, müßte juristisch befähigt sein und würde von der Krone
aus drei von den Kreisständen vorgeschlagenen Kandidaten gewählt. Ihm
zur Seite stehen besoldete, auf Lebenszeit angestellte, ebenfalls juristisch befähigte
Kreisräthe zunächst zur Besorgung der einen Aufschub nicht erleidender Geschäfte,
außerdem noch unbesoldete, auf Zeit gewählte Kreisrüthe, welche sich zu den be¬
soldeten der Zahl nach mindestens wie sechs zu eins verhalten; sie werden die Be¬
hörde vor Verknöcherung und Versinken in todtes Actenwesen bewahren und sie mit
Volke vermitteln; sie werden das wahrhaft sein, was die Friedensrichter nach
dem der Absicht der Regierung sein sollen; sie werden die begutachtende Stellung,
welche die Amtshauptmannschaften den Kreisdirectionen gegenüber einnehmen,
in vielen Fällen überflüssig machen. Beide Gattungen, die besoldeten und
die unbesoldeten Kreisräthe werden von den Kreisständen gewählt und von
der Regierung bestätigt. Sie bilden mit dem Kreishauptmann eine collegialc
Behörde: den Kreisvorstand. Dieser beaufsichtigt und leitet die gemeinsamen
Angelegenheiten des Kreises und verwaltet dessen Vermögen unter Controle
der Kreisstände; denen er zu regelmäßig wiederkehrenden Zeiten Rechnung ab¬
legt; er führt insofern eine Aufsicht über die Gemeinden des Kreises, als er
von ihren Jahrcsrechnungen in Auszügen Kenntniß nimmt und darüber wacht,
daß das Grundvermögen nicht verringert wird;^ er ist endlich Berufungs-,
Beschwerde- und Dispensationsinstanz gegen alle Entscheidungen der untern
Behörden in Verwaltungssachen. — Er stellt seine Unterbeamten selbst an. —
Sein Sitz ist in der Kreisstadt. Er hält regelmäßige collegiale Sitzungen,
zu welchen sich die unbesoldeten Kreisräthe einzusinken haben; wohnen sie
nicht selbst in der Kreisstadt, so erhalten sie auf Verlangen Diäten aus der
Kreiskasse. Kreisräthe, welche schon in 1. Instanz an einem Beschlusse theil¬
genommen haben, tonnen nicht an der Berathung über denselben Gegenstand
in 2. Instanz theilnehmen. — Die Sitzungen werden gegen die der Kreis¬
directionen sich mit Verminderung der Geschäfte vermindern, und dem Kreis¬
hauptmann zu vielfachem persönlichen Verkehr mit den Behörden und Ge¬
meinden seines Kreises Zeit bleiben, die der jetzige Kreisdirector nicht hat.

Ein großer Theil der Geschäfte, welche jetzt die Kreisdirectionen in erster
Instanz besorgen, wird den Unterbehörden überwiesen; in der politischen
Sphäre sind deren zwar nicht viele, und es dürften nur etwa Ausstellung von
Leichenpässen, Auslandheimathscheinen, alle Arten persönlicher Concessions¬
ertheilungen, die Beaufsichtigung von Actienvereinen hierher zu rechnen sein.
Aber wahrhaft grauenerregend ist jetzt die Bevormundung und die daraus


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[0112] Voigtländer oder Erzgebirger" sich einen Angehörigen des Zwickauer Kreis- directionsbezirkes nennen wollte. An die Stelle der Kreisdirection sollte an die Spitze des Kreises (mit Ausnahme der Lausitz, welche ihre besondere Ver¬ fassung behalten könnte) ein Kreishauptmann treten. Er wäre aus der Kreis¬ kasse zu besolden, müßte juristisch befähigt sein und würde von der Krone aus drei von den Kreisständen vorgeschlagenen Kandidaten gewählt. Ihm zur Seite stehen besoldete, auf Lebenszeit angestellte, ebenfalls juristisch befähigte Kreisräthe zunächst zur Besorgung der einen Aufschub nicht erleidender Geschäfte, außerdem noch unbesoldete, auf Zeit gewählte Kreisrüthe, welche sich zu den be¬ soldeten der Zahl nach mindestens wie sechs zu eins verhalten; sie werden die Be¬ hörde vor Verknöcherung und Versinken in todtes Actenwesen bewahren und sie mit Volke vermitteln; sie werden das wahrhaft sein, was die Friedensrichter nach dem der Absicht der Regierung sein sollen; sie werden die begutachtende Stellung, welche die Amtshauptmannschaften den Kreisdirectionen gegenüber einnehmen, in vielen Fällen überflüssig machen. Beide Gattungen, die besoldeten und die unbesoldeten Kreisräthe werden von den Kreisständen gewählt und von der Regierung bestätigt. Sie bilden mit dem Kreishauptmann eine collegialc Behörde: den Kreisvorstand. Dieser beaufsichtigt und leitet die gemeinsamen Angelegenheiten des Kreises und verwaltet dessen Vermögen unter Controle der Kreisstände; denen er zu regelmäßig wiederkehrenden Zeiten Rechnung ab¬ legt; er führt insofern eine Aufsicht über die Gemeinden des Kreises, als er von ihren Jahrcsrechnungen in Auszügen Kenntniß nimmt und darüber wacht, daß das Grundvermögen nicht verringert wird;^ er ist endlich Berufungs-, Beschwerde- und Dispensationsinstanz gegen alle Entscheidungen der untern Behörden in Verwaltungssachen. — Er stellt seine Unterbeamten selbst an. — Sein Sitz ist in der Kreisstadt. Er hält regelmäßige collegiale Sitzungen, zu welchen sich die unbesoldeten Kreisräthe einzusinken haben; wohnen sie nicht selbst in der Kreisstadt, so erhalten sie auf Verlangen Diäten aus der Kreiskasse. Kreisräthe, welche schon in 1. Instanz an einem Beschlusse theil¬ genommen haben, tonnen nicht an der Berathung über denselben Gegenstand in 2. Instanz theilnehmen. — Die Sitzungen werden gegen die der Kreis¬ directionen sich mit Verminderung der Geschäfte vermindern, und dem Kreis¬ hauptmann zu vielfachem persönlichen Verkehr mit den Behörden und Ge¬ meinden seines Kreises Zeit bleiben, die der jetzige Kreisdirector nicht hat. Ein großer Theil der Geschäfte, welche jetzt die Kreisdirectionen in erster Instanz besorgen, wird den Unterbehörden überwiesen; in der politischen Sphäre sind deren zwar nicht viele, und es dürften nur etwa Ausstellung von Leichenpässen, Auslandheimathscheinen, alle Arten persönlicher Concessions¬ ertheilungen, die Beaufsichtigung von Actienvereinen hierher zu rechnen sein. Aber wahrhaft grauenerregend ist jetzt die Bevormundung und die daraus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/112>, abgerufen am 22.07.2024.