Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ohnehin mit den Bezirksgerichten nicht glücklich verbundenen, aufhören, dage¬
gen die Bezirksgerichte als Staatsbehörden fortbestehen.

Man wird gegen diesen Plan einwenden, daß er die Autorität des Staats
untergräbt, wol gar das monarchische Princip schwächt, und den Gemeinden
unerschwingliche Lasten auflegt. Gegen den ersten Vorwurf Etwas zu entgeh
nen. halten wir kaum für nöthig. Denn es ist handgreiflich, daß weder
die Staats- noch die monarchische Gewalt wächst, wenn sie ihre Kräfte in
Einzelheiten zersplittert, anstatt bloß das Band zu sein, welches die einzelnen
kräftigen Glieder als Kette verbindet. -- Unerschwinglich können aber die
Kosten der Einrichtung nicht sein, weil sie ja jetzt schon von den Staatsbür¬
gern aufgebracht werden. Nur mit dem Unterschiede wird dies künftig ge¬
schehen, daß die auszubringenden Abgaben nicht in die Staats- sondern in
die Gemeindekassen fließen. Eine Vertheuerung könnte vielleicht durch bessere
Bezahlung der Beamten erwachsen; aber es ist eine unwürdige Erscheinung
im öffentlichen Wesen den Spruch zu vergessen, daß der Arbeiter seines Loh¬
nes werth ist. Wir sind aber auch von der Ueberzeugung durchdrungen, daß
mit Wegfall einer Unmasse von Schreibereien und Berichten, welche die Cen¬
tralisation nothwendig mit sich bringt, mit Einführung der Controle der Ge¬
meinde, welche zu größeren Fleiß und Eifer anspornt, als die Staatsaussicht,
eine Menge von Arbeitskraft und damit eine bedeutende Anzahl von Be¬
amten erspart und der etwaige Mehraufwand für bessere Besoldungen reich¬
lich ausgeglichen werden könnte.

2. Mit Uebergehung der Appellationsgerichte, als jetzt noch mit der innern
Gesetzgebung nothwendig zusammenhängender Behörden, wenden wir uns zu
den Kreisdirectionen, dem Ach und O unserer Landtage. Sie haben zunächst
dus gegen sich, daß sie eine künstliche, dem bisherigen Staats- und Volks¬
lebenfremde Einrichtung sind, ferner daß sie zu viel beaufsichtigen, zu sehr
an dem weitschweifigen Kanzleistyl hängen, und in einer großen Zahl von
Fällen nur Spediteure von Befehlen der obersten Behörden sind.

Sachsen zerfällt mit historischem Rechte in fünf Kreise, mit deutlichen
Schattirungen des Volksthums; namentlich gilt dieß von der Lausitz, dem Erz¬
gebirge und dem Voigtlande; jeder Kreis hatte seine besondere Verfassung
und Vertretung; es gab fünf Kreisstädte. Wie in Frankreich durch die Revo¬
lutionen die alten Provinzialverbände zerstört, und an ihrer Stelle die Devar-
tementseintheilungen gesetzt wurden, nach demselben Principe wurde auch
Sachsen in vier Kreisdirectionsbezirke getheilt. Diese Viertheilung des Landes
'se eine rein papierne und sollte darum wieder wegfallen. Die alten fünf Kreise
sollten und könnten, als auf natürlichem und geschichtlichem Boden beruhend,
wieder aufleben, wie sie denn im Munde des Volks noch gar nicht erstorben
sind, und Jeder belächelt werden würde, der anstatt zu sagen "ich bin ein


ohnehin mit den Bezirksgerichten nicht glücklich verbundenen, aufhören, dage¬
gen die Bezirksgerichte als Staatsbehörden fortbestehen.

Man wird gegen diesen Plan einwenden, daß er die Autorität des Staats
untergräbt, wol gar das monarchische Princip schwächt, und den Gemeinden
unerschwingliche Lasten auflegt. Gegen den ersten Vorwurf Etwas zu entgeh
nen. halten wir kaum für nöthig. Denn es ist handgreiflich, daß weder
die Staats- noch die monarchische Gewalt wächst, wenn sie ihre Kräfte in
Einzelheiten zersplittert, anstatt bloß das Band zu sein, welches die einzelnen
kräftigen Glieder als Kette verbindet. — Unerschwinglich können aber die
Kosten der Einrichtung nicht sein, weil sie ja jetzt schon von den Staatsbür¬
gern aufgebracht werden. Nur mit dem Unterschiede wird dies künftig ge¬
schehen, daß die auszubringenden Abgaben nicht in die Staats- sondern in
die Gemeindekassen fließen. Eine Vertheuerung könnte vielleicht durch bessere
Bezahlung der Beamten erwachsen; aber es ist eine unwürdige Erscheinung
im öffentlichen Wesen den Spruch zu vergessen, daß der Arbeiter seines Loh¬
nes werth ist. Wir sind aber auch von der Ueberzeugung durchdrungen, daß
mit Wegfall einer Unmasse von Schreibereien und Berichten, welche die Cen¬
tralisation nothwendig mit sich bringt, mit Einführung der Controle der Ge¬
meinde, welche zu größeren Fleiß und Eifer anspornt, als die Staatsaussicht,
eine Menge von Arbeitskraft und damit eine bedeutende Anzahl von Be¬
amten erspart und der etwaige Mehraufwand für bessere Besoldungen reich¬
lich ausgeglichen werden könnte.

2. Mit Uebergehung der Appellationsgerichte, als jetzt noch mit der innern
Gesetzgebung nothwendig zusammenhängender Behörden, wenden wir uns zu
den Kreisdirectionen, dem Ach und O unserer Landtage. Sie haben zunächst
dus gegen sich, daß sie eine künstliche, dem bisherigen Staats- und Volks¬
lebenfremde Einrichtung sind, ferner daß sie zu viel beaufsichtigen, zu sehr
an dem weitschweifigen Kanzleistyl hängen, und in einer großen Zahl von
Fällen nur Spediteure von Befehlen der obersten Behörden sind.

Sachsen zerfällt mit historischem Rechte in fünf Kreise, mit deutlichen
Schattirungen des Volksthums; namentlich gilt dieß von der Lausitz, dem Erz¬
gebirge und dem Voigtlande; jeder Kreis hatte seine besondere Verfassung
und Vertretung; es gab fünf Kreisstädte. Wie in Frankreich durch die Revo¬
lutionen die alten Provinzialverbände zerstört, und an ihrer Stelle die Devar-
tementseintheilungen gesetzt wurden, nach demselben Principe wurde auch
Sachsen in vier Kreisdirectionsbezirke getheilt. Diese Viertheilung des Landes
'se eine rein papierne und sollte darum wieder wegfallen. Die alten fünf Kreise
sollten und könnten, als auf natürlichem und geschichtlichem Boden beruhend,
wieder aufleben, wie sie denn im Munde des Volks noch gar nicht erstorben
sind, und Jeder belächelt werden würde, der anstatt zu sagen „ich bin ein


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0111" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/112081"/>
              <p xml:id="ID_381" prev="#ID_380"> ohnehin mit den Bezirksgerichten nicht glücklich verbundenen, aufhören, dage¬<lb/>
gen die Bezirksgerichte als Staatsbehörden fortbestehen.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_382"> Man wird gegen diesen Plan einwenden, daß er die Autorität des Staats<lb/>
untergräbt, wol gar das monarchische Princip schwächt, und den Gemeinden<lb/>
unerschwingliche Lasten auflegt. Gegen den ersten Vorwurf Etwas zu entgeh<lb/>
nen. halten wir kaum für nöthig. Denn es ist handgreiflich, daß weder<lb/>
die Staats- noch die monarchische Gewalt wächst, wenn sie ihre Kräfte in<lb/>
Einzelheiten zersplittert, anstatt bloß das Band zu sein, welches die einzelnen<lb/>
kräftigen Glieder als Kette verbindet. &#x2014; Unerschwinglich können aber die<lb/>
Kosten der Einrichtung nicht sein, weil sie ja jetzt schon von den Staatsbür¬<lb/>
gern aufgebracht werden. Nur mit dem Unterschiede wird dies künftig ge¬<lb/>
schehen, daß die auszubringenden Abgaben nicht in die Staats- sondern in<lb/>
die Gemeindekassen fließen. Eine Vertheuerung könnte vielleicht durch bessere<lb/>
Bezahlung der Beamten erwachsen; aber es ist eine unwürdige Erscheinung<lb/>
im öffentlichen Wesen den Spruch zu vergessen, daß der Arbeiter seines Loh¬<lb/>
nes werth ist. Wir sind aber auch von der Ueberzeugung durchdrungen, daß<lb/>
mit Wegfall einer Unmasse von Schreibereien und Berichten, welche die Cen¬<lb/>
tralisation nothwendig mit sich bringt, mit Einführung der Controle der Ge¬<lb/>
meinde, welche zu größeren Fleiß und Eifer anspornt, als die Staatsaussicht,<lb/>
eine Menge von Arbeitskraft und damit eine bedeutende Anzahl von Be¬<lb/>
amten erspart und der etwaige Mehraufwand für bessere Besoldungen reich¬<lb/>
lich ausgeglichen werden könnte.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_383"> 2. Mit Uebergehung der Appellationsgerichte, als jetzt noch mit der innern<lb/>
Gesetzgebung nothwendig zusammenhängender Behörden, wenden wir uns zu<lb/>
den Kreisdirectionen, dem Ach und O unserer Landtage. Sie haben zunächst<lb/>
dus gegen sich, daß sie eine künstliche, dem bisherigen Staats- und Volks¬<lb/>
lebenfremde Einrichtung sind, ferner daß sie zu viel beaufsichtigen, zu sehr<lb/>
an dem weitschweifigen Kanzleistyl hängen, und in einer großen Zahl von<lb/>
Fällen nur Spediteure von Befehlen der obersten Behörden sind.</p><lb/>
              <p xml:id="ID_384" next="#ID_385"> Sachsen zerfällt mit historischem Rechte in fünf Kreise, mit deutlichen<lb/>
Schattirungen des Volksthums; namentlich gilt dieß von der Lausitz, dem Erz¬<lb/>
gebirge und dem Voigtlande; jeder Kreis hatte seine besondere Verfassung<lb/>
und Vertretung; es gab fünf Kreisstädte. Wie in Frankreich durch die Revo¬<lb/>
lutionen die alten Provinzialverbände zerstört, und an ihrer Stelle die Devar-<lb/>
tementseintheilungen gesetzt wurden, nach demselben Principe wurde auch<lb/>
Sachsen in vier Kreisdirectionsbezirke getheilt. Diese Viertheilung des Landes<lb/>
'se eine rein papierne und sollte darum wieder wegfallen. Die alten fünf Kreise<lb/>
sollten und könnten, als auf natürlichem und geschichtlichem Boden beruhend,<lb/>
wieder aufleben, wie sie denn im Munde des Volks noch gar nicht erstorben<lb/>
sind, und Jeder belächelt werden würde, der anstatt zu sagen &#x201E;ich bin ein</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0111] ohnehin mit den Bezirksgerichten nicht glücklich verbundenen, aufhören, dage¬ gen die Bezirksgerichte als Staatsbehörden fortbestehen. Man wird gegen diesen Plan einwenden, daß er die Autorität des Staats untergräbt, wol gar das monarchische Princip schwächt, und den Gemeinden unerschwingliche Lasten auflegt. Gegen den ersten Vorwurf Etwas zu entgeh nen. halten wir kaum für nöthig. Denn es ist handgreiflich, daß weder die Staats- noch die monarchische Gewalt wächst, wenn sie ihre Kräfte in Einzelheiten zersplittert, anstatt bloß das Band zu sein, welches die einzelnen kräftigen Glieder als Kette verbindet. — Unerschwinglich können aber die Kosten der Einrichtung nicht sein, weil sie ja jetzt schon von den Staatsbür¬ gern aufgebracht werden. Nur mit dem Unterschiede wird dies künftig ge¬ schehen, daß die auszubringenden Abgaben nicht in die Staats- sondern in die Gemeindekassen fließen. Eine Vertheuerung könnte vielleicht durch bessere Bezahlung der Beamten erwachsen; aber es ist eine unwürdige Erscheinung im öffentlichen Wesen den Spruch zu vergessen, daß der Arbeiter seines Loh¬ nes werth ist. Wir sind aber auch von der Ueberzeugung durchdrungen, daß mit Wegfall einer Unmasse von Schreibereien und Berichten, welche die Cen¬ tralisation nothwendig mit sich bringt, mit Einführung der Controle der Ge¬ meinde, welche zu größeren Fleiß und Eifer anspornt, als die Staatsaussicht, eine Menge von Arbeitskraft und damit eine bedeutende Anzahl von Be¬ amten erspart und der etwaige Mehraufwand für bessere Besoldungen reich¬ lich ausgeglichen werden könnte. 2. Mit Uebergehung der Appellationsgerichte, als jetzt noch mit der innern Gesetzgebung nothwendig zusammenhängender Behörden, wenden wir uns zu den Kreisdirectionen, dem Ach und O unserer Landtage. Sie haben zunächst dus gegen sich, daß sie eine künstliche, dem bisherigen Staats- und Volks¬ lebenfremde Einrichtung sind, ferner daß sie zu viel beaufsichtigen, zu sehr an dem weitschweifigen Kanzleistyl hängen, und in einer großen Zahl von Fällen nur Spediteure von Befehlen der obersten Behörden sind. Sachsen zerfällt mit historischem Rechte in fünf Kreise, mit deutlichen Schattirungen des Volksthums; namentlich gilt dieß von der Lausitz, dem Erz¬ gebirge und dem Voigtlande; jeder Kreis hatte seine besondere Verfassung und Vertretung; es gab fünf Kreisstädte. Wie in Frankreich durch die Revo¬ lutionen die alten Provinzialverbände zerstört, und an ihrer Stelle die Devar- tementseintheilungen gesetzt wurden, nach demselben Principe wurde auch Sachsen in vier Kreisdirectionsbezirke getheilt. Diese Viertheilung des Landes 'se eine rein papierne und sollte darum wieder wegfallen. Die alten fünf Kreise sollten und könnten, als auf natürlichem und geschichtlichem Boden beruhend, wieder aufleben, wie sie denn im Munde des Volks noch gar nicht erstorben sind, und Jeder belächelt werden würde, der anstatt zu sagen „ich bin ein

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/111
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/111>, abgerufen am 22.07.2024.