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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band.

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Zur Reform des BelMenwesens.
Mit besonderer Rücksicht auf Sachsen.
2. Vorschläge für die Zukunft.

Bekannt sind die Worte des Ministers von Stein:


"Wir werden von besoldeten, buchgclehrten. interesser- und eigenthums-
losen Burcaumenschen regiert; das geht, so lang es geht. Diese vier Worte
enthalten den Geist unserer und ähnlicher geistloser Regierungsmaschinen: be¬
soldet, also Streben nach Erhaltung und Vermehrung der Besoldeten und
Besoldungen; buchgelehrt, also lebend in der Buchstabenwelt und nicht in der
wirklichen; intcressenlos. denn sie stehen mit keiner den Staat ausmachenden
Bürgerklasse in Verbindung; sie sind eine Klasse für sich -- die Schreiber¬
kaste; cigenthumlos. also alle Bewegungen des Eigenthums treffen sie nicht.
Es regne oder scheine die Sonne, die Abgaben steigen oder fallen, man zer¬
störe alte hergebrachte Rechte oder lasse sie bestehen, alles kümmert sie nicht.
Sie erheben ihren Gehalt nur aus der Staatskasse und schreiben, schreiben
>>n Stillen, in ihren mit verschlossenen Thüren versehenen Bureau's, unbekannt
Unbemerkt, unberühmt und ziehen ihre Kinder wieder zu gleich brauchbaren
Staatsmaschinen heran."

Als Stein dieß schrieb, paßte es unzweifelhaft auf alle deutschen Länder,
wenigstens auf die Mehrzahl derselben. Jetzt können wir dieses harte Urtheil
des unsterblichen Reformators unsres Stüdtewesens wenigstens in Bezug auf
Preußen und Sachsen nicht mehr unterschreiben. Die Verfassung der Städte
ist volksthümlicher geworden, und die Bureaukratie hat sich, namentlich in
Nord- und Mitteldeutschland vielfach gehoben. Der Beamte arbeitet allerdings
ngenthumslos. unbemerkt und unberühmt wie früher in seinen stillen Zimmern,
aber redlich und treu, die Pflicht vor Augen und das Gesetz im Herzen. Nie¬
mand ist geneigter, dieß anzuerkennen, als wir. die wir seit Jahren täglich
Gelegenheit hatten, zu beobachten. Dagegen wollen wir unsere Augen nicht
vor der Thatsache verschließen, daß unser Beamtenstand außerhalb des Volkes
steht, weil er außerhalb der Gemeinde lebt, und weil fast sein ganzes Dasein
von dem Willen eines Mannes, des Ministers. Leben und Seele empfängt.
Einen bedenklichen Zuwachs hat dieser Beamtenstand durch die neue Organi¬
sation der Unterbehörden. d. h. durch Aufhebung der Stadt- und Patrunonial-


Grenzbotm III. 1801. ^
Zur Reform des BelMenwesens.
Mit besonderer Rücksicht auf Sachsen.
2. Vorschläge für die Zukunft.

Bekannt sind die Worte des Ministers von Stein:


„Wir werden von besoldeten, buchgclehrten. interesser- und eigenthums-
losen Burcaumenschen regiert; das geht, so lang es geht. Diese vier Worte
enthalten den Geist unserer und ähnlicher geistloser Regierungsmaschinen: be¬
soldet, also Streben nach Erhaltung und Vermehrung der Besoldeten und
Besoldungen; buchgelehrt, also lebend in der Buchstabenwelt und nicht in der
wirklichen; intcressenlos. denn sie stehen mit keiner den Staat ausmachenden
Bürgerklasse in Verbindung; sie sind eine Klasse für sich — die Schreiber¬
kaste; cigenthumlos. also alle Bewegungen des Eigenthums treffen sie nicht.
Es regne oder scheine die Sonne, die Abgaben steigen oder fallen, man zer¬
störe alte hergebrachte Rechte oder lasse sie bestehen, alles kümmert sie nicht.
Sie erheben ihren Gehalt nur aus der Staatskasse und schreiben, schreiben
>>n Stillen, in ihren mit verschlossenen Thüren versehenen Bureau's, unbekannt
Unbemerkt, unberühmt und ziehen ihre Kinder wieder zu gleich brauchbaren
Staatsmaschinen heran."

Als Stein dieß schrieb, paßte es unzweifelhaft auf alle deutschen Länder,
wenigstens auf die Mehrzahl derselben. Jetzt können wir dieses harte Urtheil
des unsterblichen Reformators unsres Stüdtewesens wenigstens in Bezug auf
Preußen und Sachsen nicht mehr unterschreiben. Die Verfassung der Städte
ist volksthümlicher geworden, und die Bureaukratie hat sich, namentlich in
Nord- und Mitteldeutschland vielfach gehoben. Der Beamte arbeitet allerdings
ngenthumslos. unbemerkt und unberühmt wie früher in seinen stillen Zimmern,
aber redlich und treu, die Pflicht vor Augen und das Gesetz im Herzen. Nie¬
mand ist geneigter, dieß anzuerkennen, als wir. die wir seit Jahren täglich
Gelegenheit hatten, zu beobachten. Dagegen wollen wir unsere Augen nicht
vor der Thatsache verschließen, daß unser Beamtenstand außerhalb des Volkes
steht, weil er außerhalb der Gemeinde lebt, und weil fast sein ganzes Dasein
von dem Willen eines Mannes, des Ministers. Leben und Seele empfängt.
Einen bedenklichen Zuwachs hat dieser Beamtenstand durch die neue Organi¬
sation der Unterbehörden. d. h. durch Aufhebung der Stadt- und Patrunonial-


Grenzbotm III. 1801. ^
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[0107] Zur Reform des BelMenwesens. Mit besonderer Rücksicht auf Sachsen. 2. Vorschläge für die Zukunft. Bekannt sind die Worte des Ministers von Stein: „Wir werden von besoldeten, buchgclehrten. interesser- und eigenthums- losen Burcaumenschen regiert; das geht, so lang es geht. Diese vier Worte enthalten den Geist unserer und ähnlicher geistloser Regierungsmaschinen: be¬ soldet, also Streben nach Erhaltung und Vermehrung der Besoldeten und Besoldungen; buchgelehrt, also lebend in der Buchstabenwelt und nicht in der wirklichen; intcressenlos. denn sie stehen mit keiner den Staat ausmachenden Bürgerklasse in Verbindung; sie sind eine Klasse für sich — die Schreiber¬ kaste; cigenthumlos. also alle Bewegungen des Eigenthums treffen sie nicht. Es regne oder scheine die Sonne, die Abgaben steigen oder fallen, man zer¬ störe alte hergebrachte Rechte oder lasse sie bestehen, alles kümmert sie nicht. Sie erheben ihren Gehalt nur aus der Staatskasse und schreiben, schreiben >>n Stillen, in ihren mit verschlossenen Thüren versehenen Bureau's, unbekannt Unbemerkt, unberühmt und ziehen ihre Kinder wieder zu gleich brauchbaren Staatsmaschinen heran." Als Stein dieß schrieb, paßte es unzweifelhaft auf alle deutschen Länder, wenigstens auf die Mehrzahl derselben. Jetzt können wir dieses harte Urtheil des unsterblichen Reformators unsres Stüdtewesens wenigstens in Bezug auf Preußen und Sachsen nicht mehr unterschreiben. Die Verfassung der Städte ist volksthümlicher geworden, und die Bureaukratie hat sich, namentlich in Nord- und Mitteldeutschland vielfach gehoben. Der Beamte arbeitet allerdings ngenthumslos. unbemerkt und unberühmt wie früher in seinen stillen Zimmern, aber redlich und treu, die Pflicht vor Augen und das Gesetz im Herzen. Nie¬ mand ist geneigter, dieß anzuerkennen, als wir. die wir seit Jahren täglich Gelegenheit hatten, zu beobachten. Dagegen wollen wir unsere Augen nicht vor der Thatsache verschließen, daß unser Beamtenstand außerhalb des Volkes steht, weil er außerhalb der Gemeinde lebt, und weil fast sein ganzes Dasein von dem Willen eines Mannes, des Ministers. Leben und Seele empfängt. Einen bedenklichen Zuwachs hat dieser Beamtenstand durch die neue Organi¬ sation der Unterbehörden. d. h. durch Aufhebung der Stadt- und Patrunonial- Grenzbotm III. 1801. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111969/107>, abgerufen am 13.11.2024.