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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Kaiser Justinians lebend, mit den germanischen Völkern und Verhältnissen
genau bekannt war.

Er kennt feine Sachsen, wol aber an deren Statt die Warner. "Als",
erzählt er, "die Eruler von den Longobarden besiegt waren, begab sich
ein Theil derselben auf das rechte Donauufer, und wurde von dem Kaiser
Anastasius in das oströmische Reich aufgenommen. Der andere Theil wollte
den Ister (die Donau) nicht überschreiten, sondern sich am Ende des Erdkreises
Sitze suchen. Alle Slavenvolker ließen sie durch ihre Länder marschiren. So
durchschritten sie eine große Wüste und kamen zu den Warnern. Dann gingen
sie durch das Land der Dänen und kein barbarisches Volk widersetzte sich ihrem
Durchzug. Bei dem Ocean angelangt bestiegen sie Schiffe, und fuhren nach
der Insel Thule (dem heutigen Schweden?), wo sie von einem dort wohnenden
Volke der Gaudi (Gothen) aufgenommen und ihnen Sitze gewährt wurden."
Jene Warner an der Niederelbe zwischen den Slaven und Dänen können kein
anderes Volk als die Sachsen gewesen sein. Jornandes berichtet schon nach
der obigen Anführung, daß die Warner sich schon längst von dem e?im Blute
der Gothen getrennt gehabt; und daß der Name "Sachsen" erst später ent¬
standen war, deutet die bei Widukind uns aufbewahrte Volkstradition an.
wonach dieses Volk, als es in dem Lande Hadolaun (dem heutigen Hadeln)
gelandet, und die dortigen Einwohner, welche Thüringer genannt werden,
hinterlistiger Weise überfallen und ermordet hatte, erst dann einen Namen
bekam.

Deutsch, oder den 86rino Fermanieus sprachen die Jngävonen oder Be¬
wohner der Nordseeküste; ebenso sprachen die Burgunder. Burgunder und
Warner oder Sachsen sind Glieder desselben Stammes, sie mußten sich also unter
einander verstehen. Lesen wir nun bei Eutrop, daß die Wandalen vereinigt
mit den Alanen und unter Heranziehung der Germanen, welche der Zeit
Franken genannt wurden, unter ihrem Herrscher Nodogisclus über den Rhein
gegangen wären, und in Spanien Sitze genommen hätten, so müssen diese
Nationen sich untereinander verstündlich gemacht haben können, widrigenfalls
sich die Franken und Alanen gewiß nicht der größeren Menge der Vandalen
angeschlossen haben würden. Zur Zeit Kaiser Karls des Großen finden wir
als deutsche Nationen in Germanien oder dem fränkischen Reiche: Franken,
mit den ihnen unterworfenen Burgundern und Schwaben, resp. Alemannen.
Friesen. Sachsen, Baiern oder Bajuarier und Thüringer; außerdem germanische
Longobarden in Italien und Westgothen in Spanien. Es schreibt aber der
Longobarde Paul Warnefried, um die Zeit Kaiser Karls lebend: Wie der
Name des Longobardenfürsten Alboin so berühmt geworden, daß bis zu
seiner (des Warnefried) Zeit, dessen Ruhm, Glück und Tapferkeit bei den
Baiern. Sachsen und anderen Völkern dieser Sprache in Liedern gepriesen


Kaiser Justinians lebend, mit den germanischen Völkern und Verhältnissen
genau bekannt war.

Er kennt feine Sachsen, wol aber an deren Statt die Warner. „Als",
erzählt er, „die Eruler von den Longobarden besiegt waren, begab sich
ein Theil derselben auf das rechte Donauufer, und wurde von dem Kaiser
Anastasius in das oströmische Reich aufgenommen. Der andere Theil wollte
den Ister (die Donau) nicht überschreiten, sondern sich am Ende des Erdkreises
Sitze suchen. Alle Slavenvolker ließen sie durch ihre Länder marschiren. So
durchschritten sie eine große Wüste und kamen zu den Warnern. Dann gingen
sie durch das Land der Dänen und kein barbarisches Volk widersetzte sich ihrem
Durchzug. Bei dem Ocean angelangt bestiegen sie Schiffe, und fuhren nach
der Insel Thule (dem heutigen Schweden?), wo sie von einem dort wohnenden
Volke der Gaudi (Gothen) aufgenommen und ihnen Sitze gewährt wurden."
Jene Warner an der Niederelbe zwischen den Slaven und Dänen können kein
anderes Volk als die Sachsen gewesen sein. Jornandes berichtet schon nach
der obigen Anführung, daß die Warner sich schon längst von dem e?im Blute
der Gothen getrennt gehabt; und daß der Name „Sachsen" erst später ent¬
standen war, deutet die bei Widukind uns aufbewahrte Volkstradition an.
wonach dieses Volk, als es in dem Lande Hadolaun (dem heutigen Hadeln)
gelandet, und die dortigen Einwohner, welche Thüringer genannt werden,
hinterlistiger Weise überfallen und ermordet hatte, erst dann einen Namen
bekam.

Deutsch, oder den 86rino Fermanieus sprachen die Jngävonen oder Be¬
wohner der Nordseeküste; ebenso sprachen die Burgunder. Burgunder und
Warner oder Sachsen sind Glieder desselben Stammes, sie mußten sich also unter
einander verstehen. Lesen wir nun bei Eutrop, daß die Wandalen vereinigt
mit den Alanen und unter Heranziehung der Germanen, welche der Zeit
Franken genannt wurden, unter ihrem Herrscher Nodogisclus über den Rhein
gegangen wären, und in Spanien Sitze genommen hätten, so müssen diese
Nationen sich untereinander verstündlich gemacht haben können, widrigenfalls
sich die Franken und Alanen gewiß nicht der größeren Menge der Vandalen
angeschlossen haben würden. Zur Zeit Kaiser Karls des Großen finden wir
als deutsche Nationen in Germanien oder dem fränkischen Reiche: Franken,
mit den ihnen unterworfenen Burgundern und Schwaben, resp. Alemannen.
Friesen. Sachsen, Baiern oder Bajuarier und Thüringer; außerdem germanische
Longobarden in Italien und Westgothen in Spanien. Es schreibt aber der
Longobarde Paul Warnefried, um die Zeit Kaiser Karls lebend: Wie der
Name des Longobardenfürsten Alboin so berühmt geworden, daß bis zu
seiner (des Warnefried) Zeit, dessen Ruhm, Glück und Tapferkeit bei den
Baiern. Sachsen und anderen Völkern dieser Sprache in Liedern gepriesen


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[0096] Kaiser Justinians lebend, mit den germanischen Völkern und Verhältnissen genau bekannt war. Er kennt feine Sachsen, wol aber an deren Statt die Warner. „Als", erzählt er, „die Eruler von den Longobarden besiegt waren, begab sich ein Theil derselben auf das rechte Donauufer, und wurde von dem Kaiser Anastasius in das oströmische Reich aufgenommen. Der andere Theil wollte den Ister (die Donau) nicht überschreiten, sondern sich am Ende des Erdkreises Sitze suchen. Alle Slavenvolker ließen sie durch ihre Länder marschiren. So durchschritten sie eine große Wüste und kamen zu den Warnern. Dann gingen sie durch das Land der Dänen und kein barbarisches Volk widersetzte sich ihrem Durchzug. Bei dem Ocean angelangt bestiegen sie Schiffe, und fuhren nach der Insel Thule (dem heutigen Schweden?), wo sie von einem dort wohnenden Volke der Gaudi (Gothen) aufgenommen und ihnen Sitze gewährt wurden." Jene Warner an der Niederelbe zwischen den Slaven und Dänen können kein anderes Volk als die Sachsen gewesen sein. Jornandes berichtet schon nach der obigen Anführung, daß die Warner sich schon längst von dem e?im Blute der Gothen getrennt gehabt; und daß der Name „Sachsen" erst später ent¬ standen war, deutet die bei Widukind uns aufbewahrte Volkstradition an. wonach dieses Volk, als es in dem Lande Hadolaun (dem heutigen Hadeln) gelandet, und die dortigen Einwohner, welche Thüringer genannt werden, hinterlistiger Weise überfallen und ermordet hatte, erst dann einen Namen bekam. Deutsch, oder den 86rino Fermanieus sprachen die Jngävonen oder Be¬ wohner der Nordseeküste; ebenso sprachen die Burgunder. Burgunder und Warner oder Sachsen sind Glieder desselben Stammes, sie mußten sich also unter einander verstehen. Lesen wir nun bei Eutrop, daß die Wandalen vereinigt mit den Alanen und unter Heranziehung der Germanen, welche der Zeit Franken genannt wurden, unter ihrem Herrscher Nodogisclus über den Rhein gegangen wären, und in Spanien Sitze genommen hätten, so müssen diese Nationen sich untereinander verstündlich gemacht haben können, widrigenfalls sich die Franken und Alanen gewiß nicht der größeren Menge der Vandalen angeschlossen haben würden. Zur Zeit Kaiser Karls des Großen finden wir als deutsche Nationen in Germanien oder dem fränkischen Reiche: Franken, mit den ihnen unterworfenen Burgundern und Schwaben, resp. Alemannen. Friesen. Sachsen, Baiern oder Bajuarier und Thüringer; außerdem germanische Longobarden in Italien und Westgothen in Spanien. Es schreibt aber der Longobarde Paul Warnefried, um die Zeit Kaiser Karls lebend: Wie der Name des Longobardenfürsten Alboin so berühmt geworden, daß bis zu seiner (des Warnefried) Zeit, dessen Ruhm, Glück und Tapferkeit bei den Baiern. Sachsen und anderen Völkern dieser Sprache in Liedern gepriesen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/96>, abgerufen am 19.10.2024.