Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.sehen Reiches sich nach Ptolemäus Germanien bis zur Weichsel erstreckte, so Die eigentlichen Germanen, hatten wie oben gezeigt, ihre besondere Sprache, Wir finden sonach bei zwei ganz verschiedenen Stämmen die deutsche sehen Reiches sich nach Ptolemäus Germanien bis zur Weichsel erstreckte, so Die eigentlichen Germanen, hatten wie oben gezeigt, ihre besondere Sprache, Wir finden sonach bei zwei ganz verschiedenen Stämmen die deutsche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0094" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111526"/> <p xml:id="ID_276" prev="#ID_275"> sehen Reiches sich nach Ptolemäus Germanien bis zur Weichsel erstreckte, so<lb/> lag doch der eigentlich nationale Kern zwischen Rhein und Elbe, und aus<lb/> einer Nachricht bei Strabo scheint hervorzugehen, daß mehrere germanische<lb/> Nationen, hauptsächlich wol um der Unterjochung der Römer zu entgehen, sich<lb/> nicht nur in das Innere Germaniens zurückzogen, sondern selbst jenseits der<lb/> Elbe übersiedelten. Rechts der Elbe hausten zum Theil nichtgermanische Völ¬<lb/> ker, die ihre eigene von den Germanen verschiedene Sprache redeten. Taci-<lb/> tus erwähnt als solche die Gothiner und Osler, die seiner Angabe zufolge<lb/> in dem heutigen Mähren und Gallizien gewohnt zu haben scheinen.</p><lb/> <p xml:id="ID_277"> Die eigentlichen Germanen, hatten wie oben gezeigt, ihre besondere Sprache,<lb/> von den Römern Lerrno Mrmanious genannt. Wir haben diesen Ausdruck<lb/> zweimal erwähnt gefunden; einmal erzählt Sueton, in dem Leben des Cali-<lb/> gula, daß, nachdem dieser Kaiser auf den Einfall gekommen, einen Kriegs¬<lb/> zug gegen die Germanen zu unternehmen, er seine Truppen, als wollte er dem<lb/> Kriege ein Ende machen, am Strande des Oceans in Schlachtreihe antreten<lb/> ließ, plötzlich aber den Befehl gab, alle Taschen und Helme mit Muscheln zu<lb/> füllen. Nunmehr, fährt Sueton fort, verwandte der Kaiser alle seine Sorge<lb/> auf den Triumph. Zu dem Ende suchte er außer den gefangenen und über¬<lb/> gelaufenen Barbaren auch aus Gallien die größten Leute aus, und zwang sie<lb/> nicht allein ihr Haar lang wachsen zu lassen und röthlich zu färben, sondern<lb/> auch die deutsche Sprache (sormonem gormanieum) zu erlernen. Das<lb/> zweite Mal wird von dem Lvrmo Mrinauieus in einem Brief des Sidonius<lb/> Apollinaris an den Syagrius etwa 450 n. Chr. gesprochen. Syagrius war<lb/> nämlich mit Burgundern, die um 435 bis zur Rhone vorgedrungen waren, in<lb/> Berührung gekommen. Sidonius nennt ihn einen neuen Solon als burgun¬<lb/> dischen Gesetzgeber und wundert sich, daß er so leicht die germanische Sprache<lb/> erlernt habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_278" next="#ID_279"> Wir finden sonach bei zwei ganz verschiedenen Stämmen die deutsche<lb/> Sprache erwähnt, einmal bei den Küstenbewohnern, da die Truppen des Cali-<lb/> gula am Strande des Oceans aufgestellt waren, mithin bei den zu den Jngä-<lb/> vonen gehörenden chaukischen Völkern; das andere Mal bei den in der Schweiz<lb/> und Südfrankreich wohnenden Burgundern, die zu dem vindilischen Stamme<lb/> gehörten. Beide Völker sprachen germanisch oder deutsch, und man kann an¬<lb/> nehmen, daß allen Stammgenossen dieselbe Sprache gemein war. Der vin-<lb/> dilische Stamm saß ursprünglich an der Ostsee, denn dort traf Pytheas Gut¬<lb/> tonen oder die späteren Gothen, und nach der bei Jornandes uns erhaltenen<lb/> Volkstradition waren die Gothen von der Insel Sccmzia zu Schiffe nebst den<lb/> Gepiden an die Küste des Oceans gekommen, hatten die dort wohnenden Ul-<lb/> merugicr (die späteren Rugier?) vertrieben, und sich mit den von ihnen besieg¬<lb/> ten Vandalen vereinigt. Sie bildeten mit den Warnern, Carinern und Bur-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0094]
sehen Reiches sich nach Ptolemäus Germanien bis zur Weichsel erstreckte, so
lag doch der eigentlich nationale Kern zwischen Rhein und Elbe, und aus
einer Nachricht bei Strabo scheint hervorzugehen, daß mehrere germanische
Nationen, hauptsächlich wol um der Unterjochung der Römer zu entgehen, sich
nicht nur in das Innere Germaniens zurückzogen, sondern selbst jenseits der
Elbe übersiedelten. Rechts der Elbe hausten zum Theil nichtgermanische Völ¬
ker, die ihre eigene von den Germanen verschiedene Sprache redeten. Taci-
tus erwähnt als solche die Gothiner und Osler, die seiner Angabe zufolge
in dem heutigen Mähren und Gallizien gewohnt zu haben scheinen.
Die eigentlichen Germanen, hatten wie oben gezeigt, ihre besondere Sprache,
von den Römern Lerrno Mrmanious genannt. Wir haben diesen Ausdruck
zweimal erwähnt gefunden; einmal erzählt Sueton, in dem Leben des Cali-
gula, daß, nachdem dieser Kaiser auf den Einfall gekommen, einen Kriegs¬
zug gegen die Germanen zu unternehmen, er seine Truppen, als wollte er dem
Kriege ein Ende machen, am Strande des Oceans in Schlachtreihe antreten
ließ, plötzlich aber den Befehl gab, alle Taschen und Helme mit Muscheln zu
füllen. Nunmehr, fährt Sueton fort, verwandte der Kaiser alle seine Sorge
auf den Triumph. Zu dem Ende suchte er außer den gefangenen und über¬
gelaufenen Barbaren auch aus Gallien die größten Leute aus, und zwang sie
nicht allein ihr Haar lang wachsen zu lassen und röthlich zu färben, sondern
auch die deutsche Sprache (sormonem gormanieum) zu erlernen. Das
zweite Mal wird von dem Lvrmo Mrinauieus in einem Brief des Sidonius
Apollinaris an den Syagrius etwa 450 n. Chr. gesprochen. Syagrius war
nämlich mit Burgundern, die um 435 bis zur Rhone vorgedrungen waren, in
Berührung gekommen. Sidonius nennt ihn einen neuen Solon als burgun¬
dischen Gesetzgeber und wundert sich, daß er so leicht die germanische Sprache
erlernt habe.
Wir finden sonach bei zwei ganz verschiedenen Stämmen die deutsche
Sprache erwähnt, einmal bei den Küstenbewohnern, da die Truppen des Cali-
gula am Strande des Oceans aufgestellt waren, mithin bei den zu den Jngä-
vonen gehörenden chaukischen Völkern; das andere Mal bei den in der Schweiz
und Südfrankreich wohnenden Burgundern, die zu dem vindilischen Stamme
gehörten. Beide Völker sprachen germanisch oder deutsch, und man kann an¬
nehmen, daß allen Stammgenossen dieselbe Sprache gemein war. Der vin-
dilische Stamm saß ursprünglich an der Ostsee, denn dort traf Pytheas Gut¬
tonen oder die späteren Gothen, und nach der bei Jornandes uns erhaltenen
Volkstradition waren die Gothen von der Insel Sccmzia zu Schiffe nebst den
Gepiden an die Küste des Oceans gekommen, hatten die dort wohnenden Ul-
merugicr (die späteren Rugier?) vertrieben, und sich mit den von ihnen besieg¬
ten Vandalen vereinigt. Sie bildeten mit den Warnern, Carinern und Bur-
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