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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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das Rumfläschchen, beim Vespermahl abermals der Klare und beim Abend¬
essen nochmals ein Dramen und zwar wieder ein tüchtiger unentbehrlich, so
waren das Schwachheiten, die allen Bewohnern hyperboräischcr Gegenden
eigen sind, und die allerdings nicht sehr zur Entwickelung seiner geistigen
Fähigkeiten beigetragen, ihm aber auch nicht die Thür zur Seligkeit, wenig¬
stens nicht zu einer gewissen Sorte Seligkeit, verschlossen haben werden. Zu¬
dem waren damals die Mäßigkeitsvereine noch nicht erfunden, auch war der
alte Sören zwar von Ausstehen bis Schlafengehen fast immer in einem ge¬
linden Nebel, aber nur in seltenen Fällen will man beobachtet haben, daß
ihm der Haarbeutel zu schwer wurde und er darüber das Gleichgewicht verlor.
Er vertrug eben mehr und hatte breitere Füße als die. welche ihn darum ta¬
delten. Was endlich seine überreichlicher Verstöße gegen das Gebot betrifft,
welches den Namen Gottes unnützlich zu führen verbietet, so werden wir auch
das in die Bagntellstube verweisen können, da solcher Mißbrauch in der See¬
luft zu liegen scheint und Sören in seiner Jugend mehr auf dem Wasser als
auf dem Land gewesen und auch später. schon seines Kramhandels wegen,
viel mit dem Schiffervolke umgegangen war.

In allen übrigen Stücken war unser Sören -- man bemerke: nicht
Herr Sören; denn Herr war dazumal nur der König von Dänemark, der in
Erinnerung dieser schönen Tage noch jetzt alle seine Leute, auch die Minister,
Bischöfe und Generale, Du nennt, wie wir unsere Dienstboten -- im Uebrigen
also war Gevatter Sören zwar nicht gerade der Normalmensch, aber eine gute
Mittelsorte von Mensch, mit der sich's leben ließ. Ohne andere Prätensionen
als etwa die auf gutes Essen und Trinken und ungestörten Fortgang seines
Colonial- und Fettwaarenhandels, war er ein getreuer Unterthan, ziemlich
verträglich, ausgenommen gegen den Nachbar Schwede, dem er's nicht ver¬
gessen konnte, daß er ihm einmal ein schönes Stück Acker jenseits des Sundes
abgestritten, nicht übertrieben eigennützig, abgesehen von Norwegen, einem
andern seiner Güter, welches er nicht immer nach den Grundsätzen der Billig¬
keit ausbeutete, ehrlich, soweit es der Handel zuließ, ein wenig kleinstädtisch,
so in der Art der Büsumer und Scheppenstcdter, aber nichts weniger als ohne
Verstand und sehr gelehrig, namentlich seinem südlichen Nachbar gegenüber.

Dieser Nachbar hatte ihm im Lauf der Zeiten fast alles geliefert, was
über Zucker und Kaffee, Fettwaaren und Heringe hinaus geht. Er hatte ihm
seinen allergnädigsten König gegeben. Er besorgte ihm. wenn es nöthig war,
seine Minister und Gesandten und versah ihn mit dem, was er an Religion,
Wissen und Kunst für seinen Haushalt brauchte, er lehrte ihn schreiben und
lieh ihm, als der strebsame Alte in seinen letzten Jahren das Bedürfniß em¬
pfand, sich er die gute Gesellschaft zu mischen, aus seiner Sprache eine be¬
trächtliche Anzahl von Ausdrücken, wie sie in gebildeten Kreisen üblich sind.


das Rumfläschchen, beim Vespermahl abermals der Klare und beim Abend¬
essen nochmals ein Dramen und zwar wieder ein tüchtiger unentbehrlich, so
waren das Schwachheiten, die allen Bewohnern hyperboräischcr Gegenden
eigen sind, und die allerdings nicht sehr zur Entwickelung seiner geistigen
Fähigkeiten beigetragen, ihm aber auch nicht die Thür zur Seligkeit, wenig¬
stens nicht zu einer gewissen Sorte Seligkeit, verschlossen haben werden. Zu¬
dem waren damals die Mäßigkeitsvereine noch nicht erfunden, auch war der
alte Sören zwar von Ausstehen bis Schlafengehen fast immer in einem ge¬
linden Nebel, aber nur in seltenen Fällen will man beobachtet haben, daß
ihm der Haarbeutel zu schwer wurde und er darüber das Gleichgewicht verlor.
Er vertrug eben mehr und hatte breitere Füße als die. welche ihn darum ta¬
delten. Was endlich seine überreichlicher Verstöße gegen das Gebot betrifft,
welches den Namen Gottes unnützlich zu führen verbietet, so werden wir auch
das in die Bagntellstube verweisen können, da solcher Mißbrauch in der See¬
luft zu liegen scheint und Sören in seiner Jugend mehr auf dem Wasser als
auf dem Land gewesen und auch später. schon seines Kramhandels wegen,
viel mit dem Schiffervolke umgegangen war.

In allen übrigen Stücken war unser Sören — man bemerke: nicht
Herr Sören; denn Herr war dazumal nur der König von Dänemark, der in
Erinnerung dieser schönen Tage noch jetzt alle seine Leute, auch die Minister,
Bischöfe und Generale, Du nennt, wie wir unsere Dienstboten — im Uebrigen
also war Gevatter Sören zwar nicht gerade der Normalmensch, aber eine gute
Mittelsorte von Mensch, mit der sich's leben ließ. Ohne andere Prätensionen
als etwa die auf gutes Essen und Trinken und ungestörten Fortgang seines
Colonial- und Fettwaarenhandels, war er ein getreuer Unterthan, ziemlich
verträglich, ausgenommen gegen den Nachbar Schwede, dem er's nicht ver¬
gessen konnte, daß er ihm einmal ein schönes Stück Acker jenseits des Sundes
abgestritten, nicht übertrieben eigennützig, abgesehen von Norwegen, einem
andern seiner Güter, welches er nicht immer nach den Grundsätzen der Billig¬
keit ausbeutete, ehrlich, soweit es der Handel zuließ, ein wenig kleinstädtisch,
so in der Art der Büsumer und Scheppenstcdter, aber nichts weniger als ohne
Verstand und sehr gelehrig, namentlich seinem südlichen Nachbar gegenüber.

Dieser Nachbar hatte ihm im Lauf der Zeiten fast alles geliefert, was
über Zucker und Kaffee, Fettwaaren und Heringe hinaus geht. Er hatte ihm
seinen allergnädigsten König gegeben. Er besorgte ihm. wenn es nöthig war,
seine Minister und Gesandten und versah ihn mit dem, was er an Religion,
Wissen und Kunst für seinen Haushalt brauchte, er lehrte ihn schreiben und
lieh ihm, als der strebsame Alte in seinen letzten Jahren das Bedürfniß em¬
pfand, sich er die gute Gesellschaft zu mischen, aus seiner Sprache eine be¬
trächtliche Anzahl von Ausdrücken, wie sie in gebildeten Kreisen üblich sind.


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[0519] das Rumfläschchen, beim Vespermahl abermals der Klare und beim Abend¬ essen nochmals ein Dramen und zwar wieder ein tüchtiger unentbehrlich, so waren das Schwachheiten, die allen Bewohnern hyperboräischcr Gegenden eigen sind, und die allerdings nicht sehr zur Entwickelung seiner geistigen Fähigkeiten beigetragen, ihm aber auch nicht die Thür zur Seligkeit, wenig¬ stens nicht zu einer gewissen Sorte Seligkeit, verschlossen haben werden. Zu¬ dem waren damals die Mäßigkeitsvereine noch nicht erfunden, auch war der alte Sören zwar von Ausstehen bis Schlafengehen fast immer in einem ge¬ linden Nebel, aber nur in seltenen Fällen will man beobachtet haben, daß ihm der Haarbeutel zu schwer wurde und er darüber das Gleichgewicht verlor. Er vertrug eben mehr und hatte breitere Füße als die. welche ihn darum ta¬ delten. Was endlich seine überreichlicher Verstöße gegen das Gebot betrifft, welches den Namen Gottes unnützlich zu führen verbietet, so werden wir auch das in die Bagntellstube verweisen können, da solcher Mißbrauch in der See¬ luft zu liegen scheint und Sören in seiner Jugend mehr auf dem Wasser als auf dem Land gewesen und auch später. schon seines Kramhandels wegen, viel mit dem Schiffervolke umgegangen war. In allen übrigen Stücken war unser Sören — man bemerke: nicht Herr Sören; denn Herr war dazumal nur der König von Dänemark, der in Erinnerung dieser schönen Tage noch jetzt alle seine Leute, auch die Minister, Bischöfe und Generale, Du nennt, wie wir unsere Dienstboten — im Uebrigen also war Gevatter Sören zwar nicht gerade der Normalmensch, aber eine gute Mittelsorte von Mensch, mit der sich's leben ließ. Ohne andere Prätensionen als etwa die auf gutes Essen und Trinken und ungestörten Fortgang seines Colonial- und Fettwaarenhandels, war er ein getreuer Unterthan, ziemlich verträglich, ausgenommen gegen den Nachbar Schwede, dem er's nicht ver¬ gessen konnte, daß er ihm einmal ein schönes Stück Acker jenseits des Sundes abgestritten, nicht übertrieben eigennützig, abgesehen von Norwegen, einem andern seiner Güter, welches er nicht immer nach den Grundsätzen der Billig¬ keit ausbeutete, ehrlich, soweit es der Handel zuließ, ein wenig kleinstädtisch, so in der Art der Büsumer und Scheppenstcdter, aber nichts weniger als ohne Verstand und sehr gelehrig, namentlich seinem südlichen Nachbar gegenüber. Dieser Nachbar hatte ihm im Lauf der Zeiten fast alles geliefert, was über Zucker und Kaffee, Fettwaaren und Heringe hinaus geht. Er hatte ihm seinen allergnädigsten König gegeben. Er besorgte ihm. wenn es nöthig war, seine Minister und Gesandten und versah ihn mit dem, was er an Religion, Wissen und Kunst für seinen Haushalt brauchte, er lehrte ihn schreiben und lieh ihm, als der strebsame Alte in seinen letzten Jahren das Bedürfniß em¬ pfand, sich er die gute Gesellschaft zu mischen, aus seiner Sprache eine be¬ trächtliche Anzahl von Ausdrücken, wie sie in gebildeten Kreisen üblich sind.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/519>, abgerufen am 22.07.2024.