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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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nur wenige Lust, sich der piemontesischen Disciplin zu unterwerfen, von den
Offizieren dagegen schienen viele bleiben zu wollen. Im Ganzen herrschte eine ge¬
drückte Stimmung, die durch manche Ungerechtigkeiten nur verschlimmert wurde.
Sehr übel z. B. wurde es aufgenommen, daß ein Brigadier die Mehrzahl
der Sicilianer, die von Anfang des Feldzugs gedient, aber noch kein Patent
erhalten hatten, ohne Weiteres zur Disposition stellte, die Polen. Ungarn und
Franzosen dagegen dieses Loos nicht erfahren lieh. Wahrscheinlich dachte
man damals noch an einen kosmopolitischen Feldzug. Wenigstens erschien
Klapka um diese Zeit in Neapel, wie wenn er sich erkundigen wollte, was
mit dem Heere zu machen sei" möge, und ein andrer ungarischer Offizier,
Oberst Gall, der schon längere Zeit bei Garibaldi war, arbeitete rastlos für
die Verwirklichung des Garibaldischen Programms.

Inzwischen hatte der König, Caserta. wo die Südarmee sich befand,
umgehend, seinen Einzug in Neapel gehalten, und es hatte dabei allerlei
Feierlichkeiten und besonders eine große Beleuchtung der Stadt gegeben.
Man hat den heutigen Italienern in Betreff solcher Dinge Mangel an Ge¬
schmack vorgeworfen. Nach dem zu urtheile", was hier nach fünfwöchent-
licher Vorbereitung und mit 1,200,000 Ducati Kosten geleistet wurde, Hütte
der Vorwurf einige Berechtigung. Der König schien nicht besonders heiter
gestimmt. Er ließ sich im Ganzen wenig unter dem Volke sehen und schlug
mehrmals einen andern Weg ein, als den durch die Straßen, die man zu
seinem Empfang geschmückt. Auch das Volk kam ihm nicht mit besonders
lauter Begeisterung entgegen. Man hörte ebenso oft Vivas auf ihn. als
auf Garibaldi, und die Hymne des Letzteren war, als er schon lange die
Stadt verlassen, noch immer an der Tagesordnung, Nach Garibaldis Abreise
hatte Sirtori das Commando und die allmälige Entwaffnung der Südarmee
übernommen. Derselbe soll früher einem Jesuitcncollegium angehört haben.
Er ist ein Mann von etwas mehr als Mittelgröße. spärliche graublonde
Haare umgeben ein eckiges Gesicht mit harten Zügen, sein unstäter Blick
schien Mißtrauen und Unentschlossenheit zu verrathen. Selbst thätig in
Bureau-Arbeiten vermochte er es doch nicht, Ordnung und Pünktlichkeit in
die Verwaltung zu bringen, wobei ihm freilich oft übler Wille und Mangel
an Gehorsam von Seiten seiner Untergebenen entgegengetreten sein mögen.

Sein unmittelbarer Vorgesetzter, der Kriegsminister Fanti. erinnerte mich
in seinem Aeußern an einen Major aus der guten, alten Zeit. Seine kurze,
untersetzte Figur zusammen mit seinen raschen Bewegungen gibt seinem Wesen
etwas Gereiztes. Das Mienenspiel seines Gesichts mit dem wohlgepflegten
Schnurrbnrt unter der römischen Nase und dem festen Blick der großen Augen
zeigt den Offizier, der vor der Front groß geworden ist. Rasch zufahrend,
kurz von Worten, läßt er sofort merken, daß er nichts von Gegenvorstellungen


nur wenige Lust, sich der piemontesischen Disciplin zu unterwerfen, von den
Offizieren dagegen schienen viele bleiben zu wollen. Im Ganzen herrschte eine ge¬
drückte Stimmung, die durch manche Ungerechtigkeiten nur verschlimmert wurde.
Sehr übel z. B. wurde es aufgenommen, daß ein Brigadier die Mehrzahl
der Sicilianer, die von Anfang des Feldzugs gedient, aber noch kein Patent
erhalten hatten, ohne Weiteres zur Disposition stellte, die Polen. Ungarn und
Franzosen dagegen dieses Loos nicht erfahren lieh. Wahrscheinlich dachte
man damals noch an einen kosmopolitischen Feldzug. Wenigstens erschien
Klapka um diese Zeit in Neapel, wie wenn er sich erkundigen wollte, was
mit dem Heere zu machen sei« möge, und ein andrer ungarischer Offizier,
Oberst Gall, der schon längere Zeit bei Garibaldi war, arbeitete rastlos für
die Verwirklichung des Garibaldischen Programms.

Inzwischen hatte der König, Caserta. wo die Südarmee sich befand,
umgehend, seinen Einzug in Neapel gehalten, und es hatte dabei allerlei
Feierlichkeiten und besonders eine große Beleuchtung der Stadt gegeben.
Man hat den heutigen Italienern in Betreff solcher Dinge Mangel an Ge¬
schmack vorgeworfen. Nach dem zu urtheile», was hier nach fünfwöchent-
licher Vorbereitung und mit 1,200,000 Ducati Kosten geleistet wurde, Hütte
der Vorwurf einige Berechtigung. Der König schien nicht besonders heiter
gestimmt. Er ließ sich im Ganzen wenig unter dem Volke sehen und schlug
mehrmals einen andern Weg ein, als den durch die Straßen, die man zu
seinem Empfang geschmückt. Auch das Volk kam ihm nicht mit besonders
lauter Begeisterung entgegen. Man hörte ebenso oft Vivas auf ihn. als
auf Garibaldi, und die Hymne des Letzteren war, als er schon lange die
Stadt verlassen, noch immer an der Tagesordnung, Nach Garibaldis Abreise
hatte Sirtori das Commando und die allmälige Entwaffnung der Südarmee
übernommen. Derselbe soll früher einem Jesuitcncollegium angehört haben.
Er ist ein Mann von etwas mehr als Mittelgröße. spärliche graublonde
Haare umgeben ein eckiges Gesicht mit harten Zügen, sein unstäter Blick
schien Mißtrauen und Unentschlossenheit zu verrathen. Selbst thätig in
Bureau-Arbeiten vermochte er es doch nicht, Ordnung und Pünktlichkeit in
die Verwaltung zu bringen, wobei ihm freilich oft übler Wille und Mangel
an Gehorsam von Seiten seiner Untergebenen entgegengetreten sein mögen.

Sein unmittelbarer Vorgesetzter, der Kriegsminister Fanti. erinnerte mich
in seinem Aeußern an einen Major aus der guten, alten Zeit. Seine kurze,
untersetzte Figur zusammen mit seinen raschen Bewegungen gibt seinem Wesen
etwas Gereiztes. Das Mienenspiel seines Gesichts mit dem wohlgepflegten
Schnurrbnrt unter der römischen Nase und dem festen Blick der großen Augen
zeigt den Offizier, der vor der Front groß geworden ist. Rasch zufahrend,
kurz von Worten, läßt er sofort merken, daß er nichts von Gegenvorstellungen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/511>, abgerufen am 25.08.2024.