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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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und kehrte mit einem Stück Fleisch in der Schnauze zurück, mit dem er sich
auf die nun umgegrabene Erde heyle und heulte. Es dauerte 14 Tage, ehe es
den Bauern, welche Entdeckung fürchteten, gelang, ihn zu todten.

Die Schüsse des Landvolks nach Nachzüglern oder Gefangenen hallten
fortwährend durch die Wälder; aber auch die Flüchtlinge unter einander be¬
handelten sich wie Feinde. Sie rissen ihren eigenen Kameraden, die hilflos
am Wege liegen blieben, die Kleider vom Leibe. Wurden Lebensmittel ent¬
deckt, so zeigte sich Jeder bereit mit den Waffen darum zu kämpfen. Wer
ein fremdes Biwachtfeucr theilen wollte, wurde mit Gewalt fortgetrieben und
jeder Gefangene ohne Erbarmen getödtet. Es war eine Vereinigung von
Jammer, Grausamkeit, Verzweiflung und Verwirrung, wie sie in der Geschichte
noch nicht dagewesen sein kann.

Außer seiner geheimen Geschichte des russischen Feldzugs, hat General
Wilson auch noch Tagebücher hinterlassen, die sich auf die Feldzüge von 1813
und 1814 beziehen. Wir werden später daraus zurückkommen.




Aus dem Tligebnche eines GaribMschen Freiwilligen.
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.
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Die letzten Tage der Armee.

Mit der Kapitulation von Capua machte die Armee eme rückgängige
Bewegung, und die Mehrzahl der Truppen wurde in Caserta einquartirt,
theils bei den Bürgern, theils in den großen Kasernen, welche die Flügel
des Schlosses bilden, und den Platz vor demselben halbzirkelförmig um¬
geben.

Die Bürger, Leute, die von der Hofhaltung des Königs gelebt, pensio-
nirte Beamte u. s. w. waren bourbonisch gesinnt. Sie empfingen uns mit
Blicken schlecht verhehlten Hasses und thaten nur was sie mußten. Die
Kasernen waren ohne Möbel, ohne Bettstellen, und da nicht einmal genug
Stroh vorhanden war. so mußte man auf dem steinernen Fußboden schlafen.
So befanden wir uns in sehr unbehaglicher Lage, die dadurch, daß die Gel¬
der ausgehen wollten, nicht gebessert wurde. In der ersten Woche des No-


und kehrte mit einem Stück Fleisch in der Schnauze zurück, mit dem er sich
auf die nun umgegrabene Erde heyle und heulte. Es dauerte 14 Tage, ehe es
den Bauern, welche Entdeckung fürchteten, gelang, ihn zu todten.

Die Schüsse des Landvolks nach Nachzüglern oder Gefangenen hallten
fortwährend durch die Wälder; aber auch die Flüchtlinge unter einander be¬
handelten sich wie Feinde. Sie rissen ihren eigenen Kameraden, die hilflos
am Wege liegen blieben, die Kleider vom Leibe. Wurden Lebensmittel ent¬
deckt, so zeigte sich Jeder bereit mit den Waffen darum zu kämpfen. Wer
ein fremdes Biwachtfeucr theilen wollte, wurde mit Gewalt fortgetrieben und
jeder Gefangene ohne Erbarmen getödtet. Es war eine Vereinigung von
Jammer, Grausamkeit, Verzweiflung und Verwirrung, wie sie in der Geschichte
noch nicht dagewesen sein kann.

Außer seiner geheimen Geschichte des russischen Feldzugs, hat General
Wilson auch noch Tagebücher hinterlassen, die sich auf die Feldzüge von 1813
und 1814 beziehen. Wir werden später daraus zurückkommen.




Aus dem Tligebnche eines GaribMschen Freiwilligen.
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Die letzten Tage der Armee.

Mit der Kapitulation von Capua machte die Armee eme rückgängige
Bewegung, und die Mehrzahl der Truppen wurde in Caserta einquartirt,
theils bei den Bürgern, theils in den großen Kasernen, welche die Flügel
des Schlosses bilden, und den Platz vor demselben halbzirkelförmig um¬
geben.

Die Bürger, Leute, die von der Hofhaltung des Königs gelebt, pensio-
nirte Beamte u. s. w. waren bourbonisch gesinnt. Sie empfingen uns mit
Blicken schlecht verhehlten Hasses und thaten nur was sie mußten. Die
Kasernen waren ohne Möbel, ohne Bettstellen, und da nicht einmal genug
Stroh vorhanden war. so mußte man auf dem steinernen Fußboden schlafen.
So befanden wir uns in sehr unbehaglicher Lage, die dadurch, daß die Gel¬
der ausgehen wollten, nicht gebessert wurde. In der ersten Woche des No-


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[0508] und kehrte mit einem Stück Fleisch in der Schnauze zurück, mit dem er sich auf die nun umgegrabene Erde heyle und heulte. Es dauerte 14 Tage, ehe es den Bauern, welche Entdeckung fürchteten, gelang, ihn zu todten. Die Schüsse des Landvolks nach Nachzüglern oder Gefangenen hallten fortwährend durch die Wälder; aber auch die Flüchtlinge unter einander be¬ handelten sich wie Feinde. Sie rissen ihren eigenen Kameraden, die hilflos am Wege liegen blieben, die Kleider vom Leibe. Wurden Lebensmittel ent¬ deckt, so zeigte sich Jeder bereit mit den Waffen darum zu kämpfen. Wer ein fremdes Biwachtfeucr theilen wollte, wurde mit Gewalt fortgetrieben und jeder Gefangene ohne Erbarmen getödtet. Es war eine Vereinigung von Jammer, Grausamkeit, Verzweiflung und Verwirrung, wie sie in der Geschichte noch nicht dagewesen sein kann. Außer seiner geheimen Geschichte des russischen Feldzugs, hat General Wilson auch noch Tagebücher hinterlassen, die sich auf die Feldzüge von 1813 und 1814 beziehen. Wir werden später daraus zurückkommen. Aus dem Tligebnche eines GaribMschen Freiwilligen. ''''' . ..4..,,,-^,. , ,- Die letzten Tage der Armee. Mit der Kapitulation von Capua machte die Armee eme rückgängige Bewegung, und die Mehrzahl der Truppen wurde in Caserta einquartirt, theils bei den Bürgern, theils in den großen Kasernen, welche die Flügel des Schlosses bilden, und den Platz vor demselben halbzirkelförmig um¬ geben. Die Bürger, Leute, die von der Hofhaltung des Königs gelebt, pensio- nirte Beamte u. s. w. waren bourbonisch gesinnt. Sie empfingen uns mit Blicken schlecht verhehlten Hasses und thaten nur was sie mußten. Die Kasernen waren ohne Möbel, ohne Bettstellen, und da nicht einmal genug Stroh vorhanden war. so mußte man auf dem steinernen Fußboden schlafen. So befanden wir uns in sehr unbehaglicher Lage, die dadurch, daß die Gel¬ der ausgehen wollten, nicht gebessert wurde. In der ersten Woche des No-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/508>, abgerufen am 25.08.2024.