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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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duciren, die Theer- und Terpentinsiedereien und einige Tabaksfabriken. Die
Wollen- und Baumwollen-Manufacturen liefern fast nur grobe Stoffe zur Be¬
kleidung der Sklaven, die Waffenfabrik in Richmond genügt kaum für den
Bedarf des Staates. Die Noten der in Virginien bestehenden Banken wur¬
den schon 1855 nur mit Verlust von 1 bis 2'/- Procent angenommen; jetzt
werden vermuthlich die meisten bankerott sein. Für höhere und niedere Schu¬
len ist Manches gethan, aber der Unterricht der Farbigen ist streng verboten,
und auch in Betreff der weißen Bevölkerung steht das virginische Schulwesen ge¬
gen das der nördlichen Staaten zurück. Die Kanäle des Staates haben zu¬
sammen eine Länge von 43 deutschen Meilen. Eisenbahnen besaß derselbe
im Jahre 1856 gegen 200 Meilen.

Der beste Theil des Staates ist das sogenannte "große Thal von Vir¬
ginien". d. h. die Strecke zwischen der östlichen und der westlichen Hauptkette
der AUeghanies (der Blue-Nidge und den AUeghanies im engern Sinn), welche
eine Breite von etwa vierzig Meilen hat und zwanzig Counties umfaßt. Es
ist jedoch kein eigentliches Thal, sondern ein von verschiedenen Hügelketten
durchzogenes und von tieferen Flußthälern unterbrochenes Plateau, dessen Ge¬
wässer sich theils dem atlantischen Meer, theils dem mexikanischen Golf zu¬
wenden. Das Klima ist hier ebenso gut, als der Boden und die Cultur des
letzteren weiter vorgeschritten und sorgfältiger als irgend anderwärts im Staate.
Der Westen hingegen ist im Verhältniß noch wenig angesiedelt, und die 60
Counties. die sich vom östlichen Fuß der, Blue-Ridge bis an das Meer er¬
strecken, hatten zwar ursprünglich zum guten Theil einen sehr ergiebigen Bo¬
den, sind aber jetzt diejenigen, welche durch den Tabaksbau am meisten gelitten
haben. Produciren diese Striche deshalb durch ihre Landwirthschaft wenig
für die Ausfuhr, so blüht die Sklavenproduction um so mehr. Viele Pflanzer
halten sich hier fast nur deshalb Sklaven, um mit ihnen Handel nach den Baum¬
wollenstaaten zu treiben, etwa in derselben Weise, wie große Viehzüchter den
Ueberschuß ihrer Herden nach auswärts verkaufen. In keinem Staat wird
dieser Zweig der Landwirthschaft in so ausgedehntem Maaß betrieben, und
man berechnet, daß in den letzten zwanzig Jahren mindestens 120.000 Stück
von dieser Sorte Waare aus Virginien nach dem Süden verhandelt worden
sind. Das gäbe jährlich 6000 Stück, und da ein Sklave durchschnittlich 40"
Dollars werth ist, jährlich 2,400,000 Dollars.

Es gibt Individuen, leider in unserer unmittelbaren Nähe, die das na¬
türlich finden und darin eine Rechtfertigung des Abfalls Virginiens von der
Union erblicken werden. Wir lassen ihnen die wenig beneidenswerthe Ueber"
zeugung, daß es ein Eigenthum von Menschen an Menschen geben kann, und
constatiren nur, daß selbst Virginier ausgesprochen haben, wie wenig profitabel
dieses Eigenthum für ihren Staat ist.


duciren, die Theer- und Terpentinsiedereien und einige Tabaksfabriken. Die
Wollen- und Baumwollen-Manufacturen liefern fast nur grobe Stoffe zur Be¬
kleidung der Sklaven, die Waffenfabrik in Richmond genügt kaum für den
Bedarf des Staates. Die Noten der in Virginien bestehenden Banken wur¬
den schon 1855 nur mit Verlust von 1 bis 2'/- Procent angenommen; jetzt
werden vermuthlich die meisten bankerott sein. Für höhere und niedere Schu¬
len ist Manches gethan, aber der Unterricht der Farbigen ist streng verboten,
und auch in Betreff der weißen Bevölkerung steht das virginische Schulwesen ge¬
gen das der nördlichen Staaten zurück. Die Kanäle des Staates haben zu¬
sammen eine Länge von 43 deutschen Meilen. Eisenbahnen besaß derselbe
im Jahre 1856 gegen 200 Meilen.

Der beste Theil des Staates ist das sogenannte „große Thal von Vir¬
ginien". d. h. die Strecke zwischen der östlichen und der westlichen Hauptkette
der AUeghanies (der Blue-Nidge und den AUeghanies im engern Sinn), welche
eine Breite von etwa vierzig Meilen hat und zwanzig Counties umfaßt. Es
ist jedoch kein eigentliches Thal, sondern ein von verschiedenen Hügelketten
durchzogenes und von tieferen Flußthälern unterbrochenes Plateau, dessen Ge¬
wässer sich theils dem atlantischen Meer, theils dem mexikanischen Golf zu¬
wenden. Das Klima ist hier ebenso gut, als der Boden und die Cultur des
letzteren weiter vorgeschritten und sorgfältiger als irgend anderwärts im Staate.
Der Westen hingegen ist im Verhältniß noch wenig angesiedelt, und die 60
Counties. die sich vom östlichen Fuß der, Blue-Ridge bis an das Meer er¬
strecken, hatten zwar ursprünglich zum guten Theil einen sehr ergiebigen Bo¬
den, sind aber jetzt diejenigen, welche durch den Tabaksbau am meisten gelitten
haben. Produciren diese Striche deshalb durch ihre Landwirthschaft wenig
für die Ausfuhr, so blüht die Sklavenproduction um so mehr. Viele Pflanzer
halten sich hier fast nur deshalb Sklaven, um mit ihnen Handel nach den Baum¬
wollenstaaten zu treiben, etwa in derselben Weise, wie große Viehzüchter den
Ueberschuß ihrer Herden nach auswärts verkaufen. In keinem Staat wird
dieser Zweig der Landwirthschaft in so ausgedehntem Maaß betrieben, und
man berechnet, daß in den letzten zwanzig Jahren mindestens 120.000 Stück
von dieser Sorte Waare aus Virginien nach dem Süden verhandelt worden
sind. Das gäbe jährlich 6000 Stück, und da ein Sklave durchschnittlich 40»
Dollars werth ist, jährlich 2,400,000 Dollars.

Es gibt Individuen, leider in unserer unmittelbaren Nähe, die das na¬
türlich finden und darin eine Rechtfertigung des Abfalls Virginiens von der
Union erblicken werden. Wir lassen ihnen die wenig beneidenswerthe Ueber«
zeugung, daß es ein Eigenthum von Menschen an Menschen geben kann, und
constatiren nur, daß selbst Virginier ausgesprochen haben, wie wenig profitabel
dieses Eigenthum für ihren Staat ist.


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[0470] duciren, die Theer- und Terpentinsiedereien und einige Tabaksfabriken. Die Wollen- und Baumwollen-Manufacturen liefern fast nur grobe Stoffe zur Be¬ kleidung der Sklaven, die Waffenfabrik in Richmond genügt kaum für den Bedarf des Staates. Die Noten der in Virginien bestehenden Banken wur¬ den schon 1855 nur mit Verlust von 1 bis 2'/- Procent angenommen; jetzt werden vermuthlich die meisten bankerott sein. Für höhere und niedere Schu¬ len ist Manches gethan, aber der Unterricht der Farbigen ist streng verboten, und auch in Betreff der weißen Bevölkerung steht das virginische Schulwesen ge¬ gen das der nördlichen Staaten zurück. Die Kanäle des Staates haben zu¬ sammen eine Länge von 43 deutschen Meilen. Eisenbahnen besaß derselbe im Jahre 1856 gegen 200 Meilen. Der beste Theil des Staates ist das sogenannte „große Thal von Vir¬ ginien". d. h. die Strecke zwischen der östlichen und der westlichen Hauptkette der AUeghanies (der Blue-Nidge und den AUeghanies im engern Sinn), welche eine Breite von etwa vierzig Meilen hat und zwanzig Counties umfaßt. Es ist jedoch kein eigentliches Thal, sondern ein von verschiedenen Hügelketten durchzogenes und von tieferen Flußthälern unterbrochenes Plateau, dessen Ge¬ wässer sich theils dem atlantischen Meer, theils dem mexikanischen Golf zu¬ wenden. Das Klima ist hier ebenso gut, als der Boden und die Cultur des letzteren weiter vorgeschritten und sorgfältiger als irgend anderwärts im Staate. Der Westen hingegen ist im Verhältniß noch wenig angesiedelt, und die 60 Counties. die sich vom östlichen Fuß der, Blue-Ridge bis an das Meer er¬ strecken, hatten zwar ursprünglich zum guten Theil einen sehr ergiebigen Bo¬ den, sind aber jetzt diejenigen, welche durch den Tabaksbau am meisten gelitten haben. Produciren diese Striche deshalb durch ihre Landwirthschaft wenig für die Ausfuhr, so blüht die Sklavenproduction um so mehr. Viele Pflanzer halten sich hier fast nur deshalb Sklaven, um mit ihnen Handel nach den Baum¬ wollenstaaten zu treiben, etwa in derselben Weise, wie große Viehzüchter den Ueberschuß ihrer Herden nach auswärts verkaufen. In keinem Staat wird dieser Zweig der Landwirthschaft in so ausgedehntem Maaß betrieben, und man berechnet, daß in den letzten zwanzig Jahren mindestens 120.000 Stück von dieser Sorte Waare aus Virginien nach dem Süden verhandelt worden sind. Das gäbe jährlich 6000 Stück, und da ein Sklave durchschnittlich 40» Dollars werth ist, jährlich 2,400,000 Dollars. Es gibt Individuen, leider in unserer unmittelbaren Nähe, die das na¬ türlich finden und darin eine Rechtfertigung des Abfalls Virginiens von der Union erblicken werden. Wir lassen ihnen die wenig beneidenswerthe Ueber« zeugung, daß es ein Eigenthum von Menschen an Menschen geben kann, und constatiren nur, daß selbst Virginier ausgesprochen haben, wie wenig profitabel dieses Eigenthum für ihren Staat ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/470>, abgerufen am 26.08.2024.