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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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versagte. Die Majorität hat sich zum Letzteren entschlossen und wie wir glauben
mit Recht. Denn wenn es überhaupt äußerst schwierig ist, irgend eine neue
Organisation von einer berathenden Versammlung ausgehen zu lassen, so ist
es bei einer Militärorganisation geradezu unerhört.

Ob die Majorität die Vorlagen der Negierung im genügenden Maaß
beschnitten hat, mag eine offene Frage bleiben.

Der schwierigste Punkt ist der zweite; und leider ist hier die nöthige
Garantie nicht gefunden worden. Das Ministerium hat weder eine Garantie
dafür gegeben, die verstärkte Armee den bürgerlichen Gesetzen zu unterwerfen,
noch eine Garantie dafür, sie im nationalen Sinn zu verwenden. -- Das ist
sehr schlimm, denn ein etwa zu erwartendes feudales Ministerium hat nun
durch seine liberalen Vorgänger ganz andere Mittel in Händen, als die alte
Reaction.

Es sei uns aber die Frage gestattet: wie der Landtag sich diese Garantie
verschaffen sollte? Auf officiellen Wege ging es nicht, es konnte nur durch
Privatverhandlungen mit den Ministern geschehen. Ob diese stattgefunden
haben, ist uns unbekannt. Jedenfalls haben sie zu keinem Resultat geführt,
und konnten auch zu keinem führen, wenn die Majorität sich nicht entschloß,
geradezu die Bewilligung der Militnirvorlagen von solchen Garantien ab¬
hängig zu machen --, wobei noch immer im Dunkeln bleibt, in welcher Form
die Minister ihre Garantie geben sollten.

Die Majorität hat den Entschluß nicht gesaßt; die neue Linke hat sich
zwar dazu erhoben, aber man darf den Unterschied in ihrer beiderseitigen Lage
nicht vergessen. Wenn man mit Bestimmtheit weiß, daß man in der Minori¬
tät bleibt, so liegt in einem solchen Entschluß kein Heroismus. Eine Zeitung,
welche die Militairvorlagen,am eifrigsten bekämpft hat, gab doch kurze Zeit
vor der Abstimmung den Rath, das Provisorium als solches zu bewilligen
und dadurch dem folgenden Landtag den Rechtspunkt zu wahren.

Uebersieht man Alles im Ganzen, so kann man dem scheidenden Landtag
Mangel an Geschick. Mangel an Kraft, aber keine Pflicht-Versünmniß vorwerfen.
Was rü den letzten drei Jahren versäumt ist, füllt überwiegend den Ministern
zur Last.

Bevor wir eine neue legislative Versammlung haben, scheint uns zweck'
mäßig, die Aufmerksamkeit des Landes auf zwei Hauptpunkte zu concen-
triren: zunächst auf den innigen Zusammenhang der preußischen mit der deut¬
schen Entwickelung, sodann auf denjenigen Mangel der Verfassung, in dem sich
alle übrigen wie in einem Knoten zusammenfinden, wir meinen das Herren¬
haus.

Der König hat einzig und allein das Recht hier einzuschreiten; er wnd
aber und kann es nicht thun, wenn sich ihm nicht die allgemeine Ueberzeugung


versagte. Die Majorität hat sich zum Letzteren entschlossen und wie wir glauben
mit Recht. Denn wenn es überhaupt äußerst schwierig ist, irgend eine neue
Organisation von einer berathenden Versammlung ausgehen zu lassen, so ist
es bei einer Militärorganisation geradezu unerhört.

Ob die Majorität die Vorlagen der Negierung im genügenden Maaß
beschnitten hat, mag eine offene Frage bleiben.

Der schwierigste Punkt ist der zweite; und leider ist hier die nöthige
Garantie nicht gefunden worden. Das Ministerium hat weder eine Garantie
dafür gegeben, die verstärkte Armee den bürgerlichen Gesetzen zu unterwerfen,
noch eine Garantie dafür, sie im nationalen Sinn zu verwenden. — Das ist
sehr schlimm, denn ein etwa zu erwartendes feudales Ministerium hat nun
durch seine liberalen Vorgänger ganz andere Mittel in Händen, als die alte
Reaction.

Es sei uns aber die Frage gestattet: wie der Landtag sich diese Garantie
verschaffen sollte? Auf officiellen Wege ging es nicht, es konnte nur durch
Privatverhandlungen mit den Ministern geschehen. Ob diese stattgefunden
haben, ist uns unbekannt. Jedenfalls haben sie zu keinem Resultat geführt,
und konnten auch zu keinem führen, wenn die Majorität sich nicht entschloß,
geradezu die Bewilligung der Militnirvorlagen von solchen Garantien ab¬
hängig zu machen —, wobei noch immer im Dunkeln bleibt, in welcher Form
die Minister ihre Garantie geben sollten.

Die Majorität hat den Entschluß nicht gesaßt; die neue Linke hat sich
zwar dazu erhoben, aber man darf den Unterschied in ihrer beiderseitigen Lage
nicht vergessen. Wenn man mit Bestimmtheit weiß, daß man in der Minori¬
tät bleibt, so liegt in einem solchen Entschluß kein Heroismus. Eine Zeitung,
welche die Militairvorlagen,am eifrigsten bekämpft hat, gab doch kurze Zeit
vor der Abstimmung den Rath, das Provisorium als solches zu bewilligen
und dadurch dem folgenden Landtag den Rechtspunkt zu wahren.

Uebersieht man Alles im Ganzen, so kann man dem scheidenden Landtag
Mangel an Geschick. Mangel an Kraft, aber keine Pflicht-Versünmniß vorwerfen.
Was rü den letzten drei Jahren versäumt ist, füllt überwiegend den Ministern
zur Last.

Bevor wir eine neue legislative Versammlung haben, scheint uns zweck'
mäßig, die Aufmerksamkeit des Landes auf zwei Hauptpunkte zu concen-
triren: zunächst auf den innigen Zusammenhang der preußischen mit der deut¬
schen Entwickelung, sodann auf denjenigen Mangel der Verfassung, in dem sich
alle übrigen wie in einem Knoten zusammenfinden, wir meinen das Herren¬
haus.

Der König hat einzig und allein das Recht hier einzuschreiten; er wnd
aber und kann es nicht thun, wenn sich ihm nicht die allgemeine Ueberzeugung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/466>, abgerufen am 25.08.2024.