Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.namentlich unter Soldaten und Matrosen, auch Tabak zu kauen, in welcher Aehnlich war der Gang der Dinge in Deutschland und Oestreich, in der In einem jener Berichte, den ein Pfarrer im Baden'schen 1662 an das Grenzboten II. 18U1, 48
namentlich unter Soldaten und Matrosen, auch Tabak zu kauen, in welcher Aehnlich war der Gang der Dinge in Deutschland und Oestreich, in der In einem jener Berichte, den ein Pfarrer im Baden'schen 1662 an das Grenzboten II. 18U1, 48
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namentlich unter Soldaten und Matrosen, auch Tabak zu kauen, in welcher
Gewohnheit Monk mit üblem Beispiele voranging, während früher Cromwell
dem Rauchen gehuldigt und seinem Secretär Milton durch Wolken qualmen¬
den Trinidados Depeschen dictirt hatte. Auch die Geistlichkeit fand jetzt nll-
mälig, daß der Höllenrauch genießbar sei, und der französische Geistliche
Misson. der 1697 England besuchte, erzählt, daß man nirgends eifrigere
Raucher antreffe, als unter seinen Amtsbrüdern. Der Abfall der nordameri-
kanischen Kolonien, durch welchen die Zufuhr von Tabak auf einige Jahre
abgeschnitten wurde, ließ die Sitte in England bedeutend abnehmen, aber
wenn die vornehme Welt sie auch seitdem in den Bann gethan hat, so hat
sie sich in den letzten Jahrzehnten wieder sehr ausgebreitet, und der Tabak¬
verbrauch wird jetzt in Großbritannien nicht viel geringer sein als anderwärts
im Norden.
Aehnlich war der Gang der Dinge in Deutschland und Oestreich, in der
Schweiz und in Italien. Die Päpste Innocenz der Zwölfte und Urban der
Achte verboten das Tabakschnupfen währeud des Gottesdienstes bei Strafe
des Kirchenbannes. In Toscana wurde der Anbau der Tabakspflanze wieder¬
holt, zuletzt noch 183» untersagt. In mehren Kantonen der Schweiz stellte
man die Raucher um den Pranger und die Wirthe, die sie in ihrem Hause
gelitten, daneben. In Bern fügte die Behörde 1661 dem Dekalog ein elftes
Gebot: „du sollst nicht rauchen" hinzu. Diese Verwarnung würd? 1675 neu
eingeschärft und zur AburtlMlnng der Zuwiderhandelnden ein eignes Gericht
bestellt, die „(Uig-nov an lawe", welche Ins zur Mitte des vorigen Jahr¬
hunderts bestand. In Siebenbürgen strafte man die Cultur von Tabak mit
Eonfiöcntio» des gesammten Grundbesitzes, den Gebrauch des Krautes mit
Geldbußen bis zu 300 Gulden. In Straßburg wurde der Anbau der Pflanze
vom Magistrat noch 1719 untersagt. Auch in andern deutschen Städten und
Ländern war das Kraut lange Zeit übel angesehen, z. B. in Preußen, wo
in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts Verbote dagegen ergingen, und in
Braunschweig, wo noch 1723 die Geistlichen vou Obrigkeitswegen ermahnt
wurden, sich der Pfeife zu enthalten. Letzteres ist aber zugleich ein Beweis,
wie sehr sich unter dieser Klasse die Meinungen geändert hatten, denn ein
halbes Jahrhundert früher hatte es von allen deutschen Kanzeln, katholischen
und evangelischen, auf's Entsetzlichste gegen den Tabak und seine Verehrer ge¬
blitzt und gedonnert, und in verschiedenen Gegenden waren sogar die Raucher
^w» ihren Beichtvätern bei den Konsistorien verklagt worden. Wir geben
von diesen Ergüssen der geistlichen Tabakshasser einige Beispiele, die zugleich
als Proben des Tones dienen möge», welcher damals unter unsern seelen¬
guter üblich war.
In einem jener Berichte, den ein Pfarrer im Baden'schen 1662 an das
Grenzboten II. 18U1, 48
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