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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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lässigkeit mit einer Geldstrafe zu büßen/doch nur, wenn die Parade oder das
Manöver "gesetzlich" war. Wie oft ausgerückt und exercirt werden soll, ist
vom Gesetz festgestellt, was die Offiziere darüber verlangen, ist nicht Befehl,
sondern bloßer Wunsch, den man durch Befolgung billigen oder auch nicht
billigen kann. Erzählen wir ein Beispiel für diese Sorte von Disciplin. Als
Neuyork den Prinzen von Wales durch eine große Parade ehrte, die beilüU'
fig überaus lächerlich und philisterhaft ausfiel, beliebte es dem aus Jrländern
bestehenden 69. Regiment nicht zu erscheinen. Der Oberst wurde darauf in
Untersuchung gezogen, aber natürlich freigesprochen. War die Parade doch
eine überzählige und konnte man doch von den freigewordenen Söhnen der
Smaragdinsel unmöglich erwarten, daß sie dem Sohne der ihre Heimath
tyrannisirenden Sachscnkönige durch Theilnahme um dem Schauspiel huldigen
würden.

Die Ausrüstung der meisten Regimenter ist äußerst kläglich. Die alten
Pcrcusfivnsflinten, die sie führen, werden schon deshalb meist unbrauchbar
sein, weil sie schlecht im Stand gehalten sind. Die Munition besorgt gewöhnlich
der Hauptmann, geliefert wird sie in der Regel nicht. Eine Staatspulvermühle
gibt es nicht, ebensowenig eine Kugelfabrik. Die Schießübungen beschränken
sich auf einige Schützenfeste, bei denen es aber mehr auf Prunk und Vergnü¬
gen als auf gutes Treffen abgesehen ist. Jeder schießt, womit es ihm beliebt;
die Offiziere machen sich durch Aussetzung von Preisen angenehm, der Haupt¬
mann spielt durch Darreichung von Grog- und Lagerbierspcnden den Liebens¬
würdigen. Es geht besonders bei den deutschen Compagnien an solchen Tagen
sehr gemüthlich, aber zum Erschrecken wenig militärisch zu. Jedes Regiment
hat sein Zeughaus, in welchem die Gewehre aufbewahrt werden, und das
zugleich als Exercirhaus dient. Das Exerciren findet gewöhnlich des Abends
nach den Geschäfte" statt und könnte einen deutschen Offizier vor Lachen krank
werden lassen. Grausen aber würde er empfinden, wenn er einem Aufzug der
Milizcavallerie beiwohnte. Die Amerikaner tonnen ohnedies selten gut reiten,
denkt man sich aber dazu die Eiskarren-, Brauer- und Kvhlgärtnergäule, auf
denen diese Schwadronen einhertleppern, so hat man ein Bild, vor dem man
sich schämt, daß es überhaupt zur Existenz gelangen konnte, und bei dessen An¬
blick man es nicht übertrieben finden wird, wenn uns ein Sachkenner sagte,
er getraue sich mit einem einzigen preußischen Kürassierregiment die gesammte
reitende Miliz Arete sans mit einem einzigen Choc in Grund und Boden
zu reiten. Von ähnlicher Beschaffenheit ist die Artillerie; die Geschütze haben
altmodische unbehilfliche Laffetten, die Bespannung besteht in zusammenge¬
borgten Privatpferden; Pulver wird sehr viel verschossen, aber fast nur zu
Salutschüssen; Uebungen im raschen Feuern und richtigen Zielen sind selten.
Kommt einmal ein Manöver vor, wobei die Artillerie mitwirkt, so fährt man


lässigkeit mit einer Geldstrafe zu büßen/doch nur, wenn die Parade oder das
Manöver „gesetzlich" war. Wie oft ausgerückt und exercirt werden soll, ist
vom Gesetz festgestellt, was die Offiziere darüber verlangen, ist nicht Befehl,
sondern bloßer Wunsch, den man durch Befolgung billigen oder auch nicht
billigen kann. Erzählen wir ein Beispiel für diese Sorte von Disciplin. Als
Neuyork den Prinzen von Wales durch eine große Parade ehrte, die beilüU'
fig überaus lächerlich und philisterhaft ausfiel, beliebte es dem aus Jrländern
bestehenden 69. Regiment nicht zu erscheinen. Der Oberst wurde darauf in
Untersuchung gezogen, aber natürlich freigesprochen. War die Parade doch
eine überzählige und konnte man doch von den freigewordenen Söhnen der
Smaragdinsel unmöglich erwarten, daß sie dem Sohne der ihre Heimath
tyrannisirenden Sachscnkönige durch Theilnahme um dem Schauspiel huldigen
würden.

Die Ausrüstung der meisten Regimenter ist äußerst kläglich. Die alten
Pcrcusfivnsflinten, die sie führen, werden schon deshalb meist unbrauchbar
sein, weil sie schlecht im Stand gehalten sind. Die Munition besorgt gewöhnlich
der Hauptmann, geliefert wird sie in der Regel nicht. Eine Staatspulvermühle
gibt es nicht, ebensowenig eine Kugelfabrik. Die Schießübungen beschränken
sich auf einige Schützenfeste, bei denen es aber mehr auf Prunk und Vergnü¬
gen als auf gutes Treffen abgesehen ist. Jeder schießt, womit es ihm beliebt;
die Offiziere machen sich durch Aussetzung von Preisen angenehm, der Haupt¬
mann spielt durch Darreichung von Grog- und Lagerbierspcnden den Liebens¬
würdigen. Es geht besonders bei den deutschen Compagnien an solchen Tagen
sehr gemüthlich, aber zum Erschrecken wenig militärisch zu. Jedes Regiment
hat sein Zeughaus, in welchem die Gewehre aufbewahrt werden, und das
zugleich als Exercirhaus dient. Das Exerciren findet gewöhnlich des Abends
nach den Geschäfte» statt und könnte einen deutschen Offizier vor Lachen krank
werden lassen. Grausen aber würde er empfinden, wenn er einem Aufzug der
Milizcavallerie beiwohnte. Die Amerikaner tonnen ohnedies selten gut reiten,
denkt man sich aber dazu die Eiskarren-, Brauer- und Kvhlgärtnergäule, auf
denen diese Schwadronen einhertleppern, so hat man ein Bild, vor dem man
sich schämt, daß es überhaupt zur Existenz gelangen konnte, und bei dessen An¬
blick man es nicht übertrieben finden wird, wenn uns ein Sachkenner sagte,
er getraue sich mit einem einzigen preußischen Kürassierregiment die gesammte
reitende Miliz Arete sans mit einem einzigen Choc in Grund und Boden
zu reiten. Von ähnlicher Beschaffenheit ist die Artillerie; die Geschütze haben
altmodische unbehilfliche Laffetten, die Bespannung besteht in zusammenge¬
borgten Privatpferden; Pulver wird sehr viel verschossen, aber fast nur zu
Salutschüssen; Uebungen im raschen Feuern und richtigen Zielen sind selten.
Kommt einmal ein Manöver vor, wobei die Artillerie mitwirkt, so fährt man


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/352>, abgerufen am 27.09.2024.