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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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mächtigsten Beschützer seiner katholischen Religion gewesen, die Vaterlands¬
liebe und Zufriedenheit nur in der Glaubenseinheit wurzeln. Trotz diesem
angeborenen und treu bewahrten Abscheu vor den Anhängern der Irrlehre sei
das tirolische Volk wahrhaft tolerant, wie sich aus der Verpflegung kranker
protestantischer Soldaten im Jahre 1859 und den Versuchen zur Lebensrettung
protestantischer Touristen hie und da auf den Gletschern zeige. In Deutsch¬
land verfahre man umgekehrt, dem Herrn von Kellerburg habe ma" selbst
den jesuitischen Hausgottesdienst untersagt, im "dänischen Holstein" die Katho¬
liken dem Parochialzwang protestantischer Pastoren unterworfen, in Thüringen
und Sachsen-Weimar katholische Priester durch Strafgesetze zur Leistung des
Staatsdienereides genöthigt, die ärgerlichen Concordatsstürme in Baden und
Würtemberg seien bekannt. Um auch Preußens nicht zu vergessen, stellte er
der östreichischen Verletzung des Art. 16 der deutschen Bundesacte jene des
Art. 11 durch eine "deutsche Großmacht" entgegen, "die sich vor 2 Jahren
nicht gescheut, öffentlich zu erklären, sie lasse sich, wenn es sich um die Frage
der Bundeshilfe handle, nicht majorisiren." Fast schien es, als ob der duld¬
same Mann jetzt dafür Rache nehmen wollte, daß auch er vor 13 Jahren von
deutschen Männern, freilich auch Katholiken, in der Frage über Cultusfrciheit ma-
jorisirt wurde. Auf solchem Wege gelangte er zur Rechtfertigung seines Antrags
auf beschränkte Toleranz, worunter er die Ausschließung jeder öffentlichen
Neligionsüvung so wie der Bildung protestantischer Gemeinden und ein Dis-
pcnsationsrecht des Landtags zum Erwerb unbeweglicher Güter in "Aus-
nah in s f ä it en " verstand.

Man hätte glauben sollen, ein solcher Antrag mußte unter verständigen
und halbwegs gebildeten Menschen einen Schrei des Unwillens, einen gerechten
Zorn über die Verletzung christlicher und nationaler Gefühle hervorrufen, doch
unsere sogenannten Liberalen bis in den Mund hinein bleich über die ihnen
so gräßlich geschilderte "fieberhafte Aufregung" des Volkes hatten nichts Eili¬
geres zu thun, als vor Allen ein feierliches Bekenntniß ihres Katholicismus und
ihrer tiefsten Ueberzeugung von dem hohen Gut der Glaubenseinheit abzulegen.
Einer von ihnen meinte selbst die Betheuerung nicht sparen zu dürfen, daß
er "auch als Christ sterben wolle." Wie auf Eierschalen trippelnd erinnerte
der eine (Dr. Pretzschner) nur ganz obenhin an die deutsche Bundesacte. die
Beziehungen zu Deutschland und die allgemeinen Reichsgesetze, der andere,
(Martin Mayr) glaubte die Wahrheit bloß durch ein Bild andeuten zu dürfen,
und gab zu bedenken, der katholische Glaube in Tirol sei doch "kein Treibhnus-
blümchcn, das man sorgfältig vor jedem protestantischen Lüftchen hüten müsse,
sondern in Wahrheit ein starker, weithin schallender Baum, der seine Wurzeln
tief und unausrottbar eingeschlagen hat in den Felsenboden unseres Landes!"
Der Vertreter der Bozener Handelskammer v. Putzer verlas seine Rede, wol


mächtigsten Beschützer seiner katholischen Religion gewesen, die Vaterlands¬
liebe und Zufriedenheit nur in der Glaubenseinheit wurzeln. Trotz diesem
angeborenen und treu bewahrten Abscheu vor den Anhängern der Irrlehre sei
das tirolische Volk wahrhaft tolerant, wie sich aus der Verpflegung kranker
protestantischer Soldaten im Jahre 1859 und den Versuchen zur Lebensrettung
protestantischer Touristen hie und da auf den Gletschern zeige. In Deutsch¬
land verfahre man umgekehrt, dem Herrn von Kellerburg habe ma» selbst
den jesuitischen Hausgottesdienst untersagt, im „dänischen Holstein" die Katho¬
liken dem Parochialzwang protestantischer Pastoren unterworfen, in Thüringen
und Sachsen-Weimar katholische Priester durch Strafgesetze zur Leistung des
Staatsdienereides genöthigt, die ärgerlichen Concordatsstürme in Baden und
Würtemberg seien bekannt. Um auch Preußens nicht zu vergessen, stellte er
der östreichischen Verletzung des Art. 16 der deutschen Bundesacte jene des
Art. 11 durch eine „deutsche Großmacht" entgegen, „die sich vor 2 Jahren
nicht gescheut, öffentlich zu erklären, sie lasse sich, wenn es sich um die Frage
der Bundeshilfe handle, nicht majorisiren." Fast schien es, als ob der duld¬
same Mann jetzt dafür Rache nehmen wollte, daß auch er vor 13 Jahren von
deutschen Männern, freilich auch Katholiken, in der Frage über Cultusfrciheit ma-
jorisirt wurde. Auf solchem Wege gelangte er zur Rechtfertigung seines Antrags
auf beschränkte Toleranz, worunter er die Ausschließung jeder öffentlichen
Neligionsüvung so wie der Bildung protestantischer Gemeinden und ein Dis-
pcnsationsrecht des Landtags zum Erwerb unbeweglicher Güter in „Aus-
nah in s f ä it en " verstand.

Man hätte glauben sollen, ein solcher Antrag mußte unter verständigen
und halbwegs gebildeten Menschen einen Schrei des Unwillens, einen gerechten
Zorn über die Verletzung christlicher und nationaler Gefühle hervorrufen, doch
unsere sogenannten Liberalen bis in den Mund hinein bleich über die ihnen
so gräßlich geschilderte „fieberhafte Aufregung" des Volkes hatten nichts Eili¬
geres zu thun, als vor Allen ein feierliches Bekenntniß ihres Katholicismus und
ihrer tiefsten Ueberzeugung von dem hohen Gut der Glaubenseinheit abzulegen.
Einer von ihnen meinte selbst die Betheuerung nicht sparen zu dürfen, daß
er „auch als Christ sterben wolle." Wie auf Eierschalen trippelnd erinnerte
der eine (Dr. Pretzschner) nur ganz obenhin an die deutsche Bundesacte. die
Beziehungen zu Deutschland und die allgemeinen Reichsgesetze, der andere,
(Martin Mayr) glaubte die Wahrheit bloß durch ein Bild andeuten zu dürfen,
und gab zu bedenken, der katholische Glaube in Tirol sei doch „kein Treibhnus-
blümchcn, das man sorgfältig vor jedem protestantischen Lüftchen hüten müsse,
sondern in Wahrheit ein starker, weithin schallender Baum, der seine Wurzeln
tief und unausrottbar eingeschlagen hat in den Felsenboden unseres Landes!"
Der Vertreter der Bozener Handelskammer v. Putzer verlas seine Rede, wol


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[0342] mächtigsten Beschützer seiner katholischen Religion gewesen, die Vaterlands¬ liebe und Zufriedenheit nur in der Glaubenseinheit wurzeln. Trotz diesem angeborenen und treu bewahrten Abscheu vor den Anhängern der Irrlehre sei das tirolische Volk wahrhaft tolerant, wie sich aus der Verpflegung kranker protestantischer Soldaten im Jahre 1859 und den Versuchen zur Lebensrettung protestantischer Touristen hie und da auf den Gletschern zeige. In Deutsch¬ land verfahre man umgekehrt, dem Herrn von Kellerburg habe ma» selbst den jesuitischen Hausgottesdienst untersagt, im „dänischen Holstein" die Katho¬ liken dem Parochialzwang protestantischer Pastoren unterworfen, in Thüringen und Sachsen-Weimar katholische Priester durch Strafgesetze zur Leistung des Staatsdienereides genöthigt, die ärgerlichen Concordatsstürme in Baden und Würtemberg seien bekannt. Um auch Preußens nicht zu vergessen, stellte er der östreichischen Verletzung des Art. 16 der deutschen Bundesacte jene des Art. 11 durch eine „deutsche Großmacht" entgegen, „die sich vor 2 Jahren nicht gescheut, öffentlich zu erklären, sie lasse sich, wenn es sich um die Frage der Bundeshilfe handle, nicht majorisiren." Fast schien es, als ob der duld¬ same Mann jetzt dafür Rache nehmen wollte, daß auch er vor 13 Jahren von deutschen Männern, freilich auch Katholiken, in der Frage über Cultusfrciheit ma- jorisirt wurde. Auf solchem Wege gelangte er zur Rechtfertigung seines Antrags auf beschränkte Toleranz, worunter er die Ausschließung jeder öffentlichen Neligionsüvung so wie der Bildung protestantischer Gemeinden und ein Dis- pcnsationsrecht des Landtags zum Erwerb unbeweglicher Güter in „Aus- nah in s f ä it en " verstand. Man hätte glauben sollen, ein solcher Antrag mußte unter verständigen und halbwegs gebildeten Menschen einen Schrei des Unwillens, einen gerechten Zorn über die Verletzung christlicher und nationaler Gefühle hervorrufen, doch unsere sogenannten Liberalen bis in den Mund hinein bleich über die ihnen so gräßlich geschilderte „fieberhafte Aufregung" des Volkes hatten nichts Eili¬ geres zu thun, als vor Allen ein feierliches Bekenntniß ihres Katholicismus und ihrer tiefsten Ueberzeugung von dem hohen Gut der Glaubenseinheit abzulegen. Einer von ihnen meinte selbst die Betheuerung nicht sparen zu dürfen, daß er „auch als Christ sterben wolle." Wie auf Eierschalen trippelnd erinnerte der eine (Dr. Pretzschner) nur ganz obenhin an die deutsche Bundesacte. die Beziehungen zu Deutschland und die allgemeinen Reichsgesetze, der andere, (Martin Mayr) glaubte die Wahrheit bloß durch ein Bild andeuten zu dürfen, und gab zu bedenken, der katholische Glaube in Tirol sei doch „kein Treibhnus- blümchcn, das man sorgfältig vor jedem protestantischen Lüftchen hüten müsse, sondern in Wahrheit ein starker, weithin schallender Baum, der seine Wurzeln tief und unausrottbar eingeschlagen hat in den Felsenboden unseres Landes!" Der Vertreter der Bozener Handelskammer v. Putzer verlas seine Rede, wol

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/342>, abgerufen am 24.08.2024.