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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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thun als wieder die Fahne des Propheten aufzuhissen und "die Religion in
Gefahr zu erklären". Allenthalben wurde von den Kanzeln gepredigt "die
Freimaurer" seien wieder oben an. der Staatsminister selbst wurde als Mit¬
glied ihrer Loge bezeichnet, und dem gläubigen Volke auf die Seele gebunden,
keinen Landtagsabgeordneten zu wählen, der zu Gunsten der Protestanten
stimmt. "Wer dawider handelt" polterten die Zeloten "wird es noch auf dem
Sterbebette bereuen!" Nicht nur von der Kanzel und im Beichtstuhle, auch von
Haus zu Haus warb man mit diesem Kunstgriff gottergebene Männer, die
den Fürstbischof auf dem Landtag mit einer Scharwache von Automaten um¬
geben sollten. In Imst zog man in der Verwirrung der Angst auch vierzehn
Weiber zur Wahl, um einen Mann der ruhigsten Mitte zu verdrängen; in
Landeck gaben Empfehlungen des Professor Greuter und Bischofs von Buxen
den Ausschlag für den ehemaligen Statthalter von Oberöstreich Dr. Alois
Fischer, einen Neubekehrten: er sei der Einzige, der die Protestantenfrage vom
juridischen Standpunkt beleuchten könne; in Meran gewannen ein paar hirn¬
verbrannte Junker durch List und gute Zeche die Oberhand für ihren Helden,
der offen erklärte, der Rosenkranz gehe ihm über alle Vernunft. In Inns¬
bruck und Bozen wußte der Klerus im schlauen Bunde mit den Beamten die
Candidaten der letzteren vorzuschieben, in ersterer Stadt einen Söldling der
Camarilla, den Hofrath und Oberstaatsanwalt Dr. Haßlwantcr, den wackern
Helfershelfer im Jahr 1848, doch wurde der bei dieser Abstimmung aus
Commando hinausgedrängte Martin Mayr noch am selben Abend von der
Innsbrucker Handelskammer gewählt. Der Adel hielt,.sich wackerer, als man
ihm zugetraut, doch war es wol nebenbei das Gefühl der Ebenbürtigkeit mit
dem blauen Blute der Jmmatriculirten, das ihn spornte. Aus Wälschtirol,
dem fast die Hälfte seiner Wähler angehörten, wagten nur sechs und auch
diese bloß durch Mandat ihr Recht auszuüben, so dräuend schienen ihnen die
garibaldischen Dolche. Man hatte sie allesammt, Deutsche und Wälsche, nach
Innsbruck geladen, als ob es sich vor Allen bei ihnen darum handelte, höheren
Winkes gewärtig zu sein; doch als der Erzherzog-Statthalter den Versammel¬
ten seinen Wunsch ausdrücken ließ, den in Folge des Goluchowsky'schen Sta¬
tuts ernannten Landeshauptmann Leopold Grafen von Wolkenstein, der in
Folge der neuen Wahlordnung sein Amt niedergelegt hatte, durch Zuruf zu
wählen, hielt die Mehrzahl der Edlen eine solche Zumuthung mit der neuen
Freiheit nicht verträglich. Vielmehr gingen durch unbedingte Stimmenmehr¬
heit vier andere Namen aus der Urne hervor. Als diese Sr. kaiserlichen
Hoheit bekannt wurden, erhielt die Versammlung eine neue Botschaft, die ihr
das Bedauern des Erzherzogs über diesen Vorgang ausdrückte. Trotzdem
kam der gedachte Graf auch bei den nachfolgenden sechs Wahlen nicht zum
Zuge. Die sich unabhängig fühlende starke Majorität hielt sogar am Grund-


thun als wieder die Fahne des Propheten aufzuhissen und „die Religion in
Gefahr zu erklären". Allenthalben wurde von den Kanzeln gepredigt „die
Freimaurer" seien wieder oben an. der Staatsminister selbst wurde als Mit¬
glied ihrer Loge bezeichnet, und dem gläubigen Volke auf die Seele gebunden,
keinen Landtagsabgeordneten zu wählen, der zu Gunsten der Protestanten
stimmt. „Wer dawider handelt" polterten die Zeloten „wird es noch auf dem
Sterbebette bereuen!" Nicht nur von der Kanzel und im Beichtstuhle, auch von
Haus zu Haus warb man mit diesem Kunstgriff gottergebene Männer, die
den Fürstbischof auf dem Landtag mit einer Scharwache von Automaten um¬
geben sollten. In Imst zog man in der Verwirrung der Angst auch vierzehn
Weiber zur Wahl, um einen Mann der ruhigsten Mitte zu verdrängen; in
Landeck gaben Empfehlungen des Professor Greuter und Bischofs von Buxen
den Ausschlag für den ehemaligen Statthalter von Oberöstreich Dr. Alois
Fischer, einen Neubekehrten: er sei der Einzige, der die Protestantenfrage vom
juridischen Standpunkt beleuchten könne; in Meran gewannen ein paar hirn¬
verbrannte Junker durch List und gute Zeche die Oberhand für ihren Helden,
der offen erklärte, der Rosenkranz gehe ihm über alle Vernunft. In Inns¬
bruck und Bozen wußte der Klerus im schlauen Bunde mit den Beamten die
Candidaten der letzteren vorzuschieben, in ersterer Stadt einen Söldling der
Camarilla, den Hofrath und Oberstaatsanwalt Dr. Haßlwantcr, den wackern
Helfershelfer im Jahr 1848, doch wurde der bei dieser Abstimmung aus
Commando hinausgedrängte Martin Mayr noch am selben Abend von der
Innsbrucker Handelskammer gewählt. Der Adel hielt,.sich wackerer, als man
ihm zugetraut, doch war es wol nebenbei das Gefühl der Ebenbürtigkeit mit
dem blauen Blute der Jmmatriculirten, das ihn spornte. Aus Wälschtirol,
dem fast die Hälfte seiner Wähler angehörten, wagten nur sechs und auch
diese bloß durch Mandat ihr Recht auszuüben, so dräuend schienen ihnen die
garibaldischen Dolche. Man hatte sie allesammt, Deutsche und Wälsche, nach
Innsbruck geladen, als ob es sich vor Allen bei ihnen darum handelte, höheren
Winkes gewärtig zu sein; doch als der Erzherzog-Statthalter den Versammel¬
ten seinen Wunsch ausdrücken ließ, den in Folge des Goluchowsky'schen Sta¬
tuts ernannten Landeshauptmann Leopold Grafen von Wolkenstein, der in
Folge der neuen Wahlordnung sein Amt niedergelegt hatte, durch Zuruf zu
wählen, hielt die Mehrzahl der Edlen eine solche Zumuthung mit der neuen
Freiheit nicht verträglich. Vielmehr gingen durch unbedingte Stimmenmehr¬
heit vier andere Namen aus der Urne hervor. Als diese Sr. kaiserlichen
Hoheit bekannt wurden, erhielt die Versammlung eine neue Botschaft, die ihr
das Bedauern des Erzherzogs über diesen Vorgang ausdrückte. Trotzdem
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/338>, abgerufen am 24.08.2024.