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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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u. s. w. "In der That fühlte ich mich gar nicht so zufrieden, als ich nur
glaubn, machen wallte, und es gab Stunden genug, wo das Ganze meiner
Lage mir sehr ernsthaft mißfiel."

Ende April 1805 wird Adam Müller katholisch. "Ich selbst konnte
einen ähnlichen Entschluß, so herzlich ich ihn auch billigte, aus mehren Grün¬
den nicht fassen. Meine Freundschaft mit Müller wurde aber durch dies Er- "
nigris im höchsten Grade gestärkt."

Ende August betrachtet man ihn als Gegner der Regierung: "selbst in
England bekümmerte man sich schon weniger um mich, da man mich vom Ge¬
heimniß ausgeschlossen sah." Wofür er also Geld von England bekam, ist
klar; aber von Oestreich? -- "Es war eine höchst fatale Epoche." "Ich siel
von einem Mißgriff in den andern/' -- 14. Dec. große Versöhnung mit der
Regierung: "Ich entschloß mich nun. für Oestreich die Feder zu ergreifen, und
entwarf den Plau zu einem Werk über das politische Gleichgewicht."

1806 Aufenthalt in Dresden. "Meine Stellung war nicht erfreulich.
Ich lenkte mich ohne Erlaubniß dort niedergelassen, und das Stillschweigen
meines Hoff bei, diesem unbefugten Aufenthalt kränkte mich im Grunde mehr,
als die heftigsten Vorwürfe gethan haben würden. Meine Geldverhältnisse

Waren nicht erbaulich. . . Indeß ging ich mit muthvollen Leichtsinn vor¬
wärts, und ließ es mir an nichts gebrechen'" Stets Verkehr mit den höchsten
Kreisen: "rasende Leidenschaft" für eine Prinzessin-von Kurland, die letzte
Leidenschaft, die mich an ein Weib gefesselt bat." "Die Reize dieser Frau
wachten mich ganz vergessen, daß es jenseit der Anhöhen um Prag eine Sonne
und Sterne gebe." "Es lag. sügt Gentz hinzu, doch eine gewisse Kraft in
diesem mit den Umständen so seltsam contrastirenden Unsinn."

1807 in Prag, mit der Prinzessin von Kurland: "ich war dort un per-
"onrmM 60 ccmsefjuvueö, ohne daß ich selbst recht angeben kann, warum."
Mai 1808 "wurde mir ein bedeutender Credit in England eröffnet, der mich
auf einmal allen drückenden Sorgen entzog." -- Frau v. Staöl lernt ihn
^unen, und schreibt nach Wien, ^us ^6t^s 1o xremior Iromms as l'^Uemagn"
selbst nannte ihr Ad. Müller als 1e xremim' Iromms ni<Z l'^IIöimrgne).

Endlich den 24. Decbr. 1809. als der Krieg entschieden ist. nach Wien
berufen; schreibt 30. März zur allgemeinen Zufriedenheit das Manifest; die
Oestreicherwerden geschlagen, er flieht 8. Mai ausWien nach Ofen.--Von diesem
Aufenthalt hat sich'vom Juni bis November das vollständige Tagebuch erhalten.
^ ist im höchsten Grade interessant, nicht gerade um die Thatsachen, aber
um die Stimmungen jener Krisis zu beleuchten. -- Vom Kaiser Franz wird
durchweg mit der grenzenlosesten Verachtung gesprochen: zu schwach, zu regieren.
6U mißtrauisch, sich auf seine Rathgeber zu verlassen; schwankend zwischen ^
"ner förmlichen Furcht vor Napoleon und zwischen der Neigung zum Krieg;


u. s. w. „In der That fühlte ich mich gar nicht so zufrieden, als ich nur
glaubn, machen wallte, und es gab Stunden genug, wo das Ganze meiner
Lage mir sehr ernsthaft mißfiel."

Ende April 1805 wird Adam Müller katholisch. „Ich selbst konnte
einen ähnlichen Entschluß, so herzlich ich ihn auch billigte, aus mehren Grün¬
den nicht fassen. Meine Freundschaft mit Müller wurde aber durch dies Er- "
nigris im höchsten Grade gestärkt."

Ende August betrachtet man ihn als Gegner der Regierung: „selbst in
England bekümmerte man sich schon weniger um mich, da man mich vom Ge¬
heimniß ausgeschlossen sah." Wofür er also Geld von England bekam, ist
klar; aber von Oestreich? — „Es war eine höchst fatale Epoche." „Ich siel
von einem Mißgriff in den andern/' — 14. Dec. große Versöhnung mit der
Regierung: „Ich entschloß mich nun. für Oestreich die Feder zu ergreifen, und
entwarf den Plau zu einem Werk über das politische Gleichgewicht."

1806 Aufenthalt in Dresden. „Meine Stellung war nicht erfreulich.
Ich lenkte mich ohne Erlaubniß dort niedergelassen, und das Stillschweigen
meines Hoff bei, diesem unbefugten Aufenthalt kränkte mich im Grunde mehr,
als die heftigsten Vorwürfe gethan haben würden. Meine Geldverhältnisse

Waren nicht erbaulich. . . Indeß ging ich mit muthvollen Leichtsinn vor¬
wärts, und ließ es mir an nichts gebrechen'" Stets Verkehr mit den höchsten
Kreisen: „rasende Leidenschaft" für eine Prinzessin-von Kurland, die letzte
Leidenschaft, die mich an ein Weib gefesselt bat." „Die Reize dieser Frau
wachten mich ganz vergessen, daß es jenseit der Anhöhen um Prag eine Sonne
und Sterne gebe." „Es lag. sügt Gentz hinzu, doch eine gewisse Kraft in
diesem mit den Umständen so seltsam contrastirenden Unsinn."

1807 in Prag, mit der Prinzessin von Kurland: „ich war dort un per-
«onrmM 60 ccmsefjuvueö, ohne daß ich selbst recht angeben kann, warum."
Mai 1808 „wurde mir ein bedeutender Credit in England eröffnet, der mich
auf einmal allen drückenden Sorgen entzog." — Frau v. Staöl lernt ihn
^unen, und schreibt nach Wien, ^us ^6t^s 1o xremior Iromms as l'^Uemagn«
selbst nannte ihr Ad. Müller als 1e xremim' Iromms ni<Z l'^IIöimrgne).

Endlich den 24. Decbr. 1809. als der Krieg entschieden ist. nach Wien
berufen; schreibt 30. März zur allgemeinen Zufriedenheit das Manifest; die
Oestreicherwerden geschlagen, er flieht 8. Mai ausWien nach Ofen.—Von diesem
Aufenthalt hat sich'vom Juni bis November das vollständige Tagebuch erhalten.
^ ist im höchsten Grade interessant, nicht gerade um die Thatsachen, aber
um die Stimmungen jener Krisis zu beleuchten. — Vom Kaiser Franz wird
durchweg mit der grenzenlosesten Verachtung gesprochen: zu schwach, zu regieren.
6U mißtrauisch, sich auf seine Rathgeber zu verlassen; schwankend zwischen ^
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/295>, abgerufen am 22.07.2024.