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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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lief sich, wie er selbst erzählt, seine Einnahme auf wenigstens (genau zu rech¬
nen verstand er nie) 17,000 Dukaten! Das ist für einen Privatmann immer
stattlich genug. "

Wie es mit Tagebüchern geschieht, gelesen hat er nicht viel darin. Als
er in den zwanziger Jahren einmal dazu kam und eine Generalrevision vor¬
nahm, verstand er Vieles (und oft das Wichtigste!) gar nicht mehr. Was er
aber verstand, verzeichnete er in einem kurzen Auszug, der 1800 bis 1817 umfaßte,
die Tagebücher selbst verbrannte er. Nur Einiges von den letzteren ist aufbewahrt:
dieses theilt Varnhagen mit. sowie die sämmtlichen Auszüge und noch ein Tage¬
buch von 1810. In dem Nachwort (unterzeichnet Varnhagen) sind noch weitere
Mittheilungen versprochen; warum sind diese nicht gleich jetzt gegeben? Daß
die Papiere verloren gegangen sein sollten, ist. bei seiner außerordentlichen Ord¬
nungsliebe nicht denkbar. -- Einiges mag hier mitgetheilt werden.

Auf die Tagebücher der ersten Jahre blickte Gentz heisst'mit einer Art lächeln- ^
den Abscheus zurück. Beständige Geldverlegenheit, und dabei furchtbares Ha¬
sardspiel; Geldsendungen aus England, Rußland und anderswo; wofür? --
Im Februar 1301 findet er es "sehr merkwürdig, daß mir Lord Carysfort
die Uebersetzung der englischen Noten gegen Preußen, und kurz nachher Gras
Haugwitz die der preußischen gegen England übertrug!" -- Er ist preußischer
Kriegsrath, und wird vom englischen Ministerium bezahlt; er ist 37 Jahre
alt. verheiratet und -- die größte Erhebung seiner Seele leitet er aus eiuer
Reise nach Weimar her (14. Nov. bis 3. Tee. 1801). wo er eilig eine hef¬
tige Passion für Frl. v. Jmhoff saßt, jeden Morgen bei ihr zubringt und
dort Alles genießt co on'II 7 a ac beau, ne xur et ac A-mal äaus 1e eom-
vreres nes Kommes: ganz erstaunt über sich selber et ac toutes los torces
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cetto üUe g-ämirMe. Er wird vom Herzog ausgezeichnet, hat mit SchUlcr
wichtige Unterredungen (es wird aber nicht gesagt, worüber?), reist weinend
ab. schreibt jeden Tag an Frl. v. Jmhoff 4 -- 6 Bogen, und rechnet von
diesem Tag eine neue Aera seines Lebens.

Die neue Aera fängt nach seiner Rückkehr in Berlin damit an, daß er
am 23. December Alles, was er hat, im Spiel verliert, und am 1. Januar
1802 die Nacht nicht nach Hause kommt. Fortdauernde Briefe von 6 -- 8 Bö-'
um um die Jmhoff. -- "Den 21. Februar. als ich um 2 Uhr Morgens nach
Hause komme. sWde ich einen Brief von meiner Frau, et 1e lenüemain notre
Resolution A ete prise: vermuthlich die, uns scheiden zu lassen. Das hinderte
"und jedoch nicht, Abends" u. s. w. Eine neue Passion: die Schauspielerin
Christel Eigensatz. "13. März: Die Passion für Christel wird förmlich declarut.
und a,n folgenden Tage erlaubt sie nur, die Nacht bei ihr zuzubringen. Aber
Lleich darauf, theils durch mein schlechtes Benehmen, theils durch die Ankunft


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lief sich, wie er selbst erzählt, seine Einnahme auf wenigstens (genau zu rech¬
nen verstand er nie) 17,000 Dukaten! Das ist für einen Privatmann immer
stattlich genug. »

Wie es mit Tagebüchern geschieht, gelesen hat er nicht viel darin. Als
er in den zwanziger Jahren einmal dazu kam und eine Generalrevision vor¬
nahm, verstand er Vieles (und oft das Wichtigste!) gar nicht mehr. Was er
aber verstand, verzeichnete er in einem kurzen Auszug, der 1800 bis 1817 umfaßte,
die Tagebücher selbst verbrannte er. Nur Einiges von den letzteren ist aufbewahrt:
dieses theilt Varnhagen mit. sowie die sämmtlichen Auszüge und noch ein Tage¬
buch von 1810. In dem Nachwort (unterzeichnet Varnhagen) sind noch weitere
Mittheilungen versprochen; warum sind diese nicht gleich jetzt gegeben? Daß
die Papiere verloren gegangen sein sollten, ist. bei seiner außerordentlichen Ord¬
nungsliebe nicht denkbar. — Einiges mag hier mitgetheilt werden.

Auf die Tagebücher der ersten Jahre blickte Gentz heisst'mit einer Art lächeln- ^
den Abscheus zurück. Beständige Geldverlegenheit, und dabei furchtbares Ha¬
sardspiel; Geldsendungen aus England, Rußland und anderswo; wofür? —
Im Februar 1301 findet er es „sehr merkwürdig, daß mir Lord Carysfort
die Uebersetzung der englischen Noten gegen Preußen, und kurz nachher Gras
Haugwitz die der preußischen gegen England übertrug!" — Er ist preußischer
Kriegsrath, und wird vom englischen Ministerium bezahlt; er ist 37 Jahre
alt. verheiratet und — die größte Erhebung seiner Seele leitet er aus eiuer
Reise nach Weimar her (14. Nov. bis 3. Tee. 1801). wo er eilig eine hef¬
tige Passion für Frl. v. Jmhoff saßt, jeden Morgen bei ihr zubringt und
dort Alles genießt co on'II 7 a ac beau, ne xur et ac A-mal äaus 1e eom-
vreres nes Kommes: ganz erstaunt über sich selber et ac toutes los torces
Ms ^'al retrouvees äaus mon une, can et viviüe rM Is. eonversiZ-lion as
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wichtige Unterredungen (es wird aber nicht gesagt, worüber?), reist weinend
ab. schreibt jeden Tag an Frl. v. Jmhoff 4 — 6 Bogen, und rechnet von
diesem Tag eine neue Aera seines Lebens.

Die neue Aera fängt nach seiner Rückkehr in Berlin damit an, daß er
am 23. December Alles, was er hat, im Spiel verliert, und am 1. Januar
1802 die Nacht nicht nach Hause kommt. Fortdauernde Briefe von 6 — 8 Bö-'
um um die Jmhoff. — „Den 21. Februar. als ich um 2 Uhr Morgens nach
Hause komme. sWde ich einen Brief von meiner Frau, et 1e lenüemain notre
Resolution A ete prise: vermuthlich die, uns scheiden zu lassen. Das hinderte
"und jedoch nicht, Abends" u. s. w. Eine neue Passion: die Schauspielerin
Christel Eigensatz. „13. März: Die Passion für Christel wird förmlich declarut.
und a,n folgenden Tage erlaubt sie nur, die Nacht bei ihr zuzubringen. Aber
Lleich darauf, theils durch mein schlechtes Benehmen, theils durch die Ankunft


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[0293] lief sich, wie er selbst erzählt, seine Einnahme auf wenigstens (genau zu rech¬ nen verstand er nie) 17,000 Dukaten! Das ist für einen Privatmann immer stattlich genug. » Wie es mit Tagebüchern geschieht, gelesen hat er nicht viel darin. Als er in den zwanziger Jahren einmal dazu kam und eine Generalrevision vor¬ nahm, verstand er Vieles (und oft das Wichtigste!) gar nicht mehr. Was er aber verstand, verzeichnete er in einem kurzen Auszug, der 1800 bis 1817 umfaßte, die Tagebücher selbst verbrannte er. Nur Einiges von den letzteren ist aufbewahrt: dieses theilt Varnhagen mit. sowie die sämmtlichen Auszüge und noch ein Tage¬ buch von 1810. In dem Nachwort (unterzeichnet Varnhagen) sind noch weitere Mittheilungen versprochen; warum sind diese nicht gleich jetzt gegeben? Daß die Papiere verloren gegangen sein sollten, ist. bei seiner außerordentlichen Ord¬ nungsliebe nicht denkbar. — Einiges mag hier mitgetheilt werden. Auf die Tagebücher der ersten Jahre blickte Gentz heisst'mit einer Art lächeln- ^ den Abscheus zurück. Beständige Geldverlegenheit, und dabei furchtbares Ha¬ sardspiel; Geldsendungen aus England, Rußland und anderswo; wofür? — Im Februar 1301 findet er es „sehr merkwürdig, daß mir Lord Carysfort die Uebersetzung der englischen Noten gegen Preußen, und kurz nachher Gras Haugwitz die der preußischen gegen England übertrug!" — Er ist preußischer Kriegsrath, und wird vom englischen Ministerium bezahlt; er ist 37 Jahre alt. verheiratet und — die größte Erhebung seiner Seele leitet er aus eiuer Reise nach Weimar her (14. Nov. bis 3. Tee. 1801). wo er eilig eine hef¬ tige Passion für Frl. v. Jmhoff saßt, jeden Morgen bei ihr zubringt und dort Alles genießt co on'II 7 a ac beau, ne xur et ac A-mal äaus 1e eom- vreres nes Kommes: ganz erstaunt über sich selber et ac toutes los torces Ms ^'al retrouvees äaus mon une, can et viviüe rM Is. eonversiZ-lion as cetto üUe g-ämirMe. Er wird vom Herzog ausgezeichnet, hat mit SchUlcr wichtige Unterredungen (es wird aber nicht gesagt, worüber?), reist weinend ab. schreibt jeden Tag an Frl. v. Jmhoff 4 — 6 Bogen, und rechnet von diesem Tag eine neue Aera seines Lebens. Die neue Aera fängt nach seiner Rückkehr in Berlin damit an, daß er am 23. December Alles, was er hat, im Spiel verliert, und am 1. Januar 1802 die Nacht nicht nach Hause kommt. Fortdauernde Briefe von 6 — 8 Bö-' um um die Jmhoff. — „Den 21. Februar. als ich um 2 Uhr Morgens nach Hause komme. sWde ich einen Brief von meiner Frau, et 1e lenüemain notre Resolution A ete prise: vermuthlich die, uns scheiden zu lassen. Das hinderte "und jedoch nicht, Abends" u. s. w. Eine neue Passion: die Schauspielerin Christel Eigensatz. „13. März: Die Passion für Christel wird förmlich declarut. und a,n folgenden Tage erlaubt sie nur, die Nacht bei ihr zuzubringen. Aber Lleich darauf, theils durch mein schlechtes Benehmen, theils durch die Ankunft 36*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/293>, abgerufen am 23.07.2024.