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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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worden, und von allem Guten vielleicht das Beste für ein Volk -- Brod.
Die Hauptkraft des Landes liegt im Ackerbau, der reichlich Nahrung für das
ganze Volk producirt, Die japanischen Despoten haben das xxmem et eiresirsss
besser begriffen und energischer durchgeführt als irgend einer der unsrigen.
Diese pflegten, um die Citryne. die an einem Baume glänzte, auszupressen,
den ganzen Baum niederzuschlagen; jene cultiviren und Pflegen ihn auf das
Sorgfältigste, damit er mehr Citronen trägt. Während die unsrigen confis-
cirten, brandschatzten, enorme Steuern auferlegten und eintrieben, unbeküm-
mert, ob sie die ganze Steuerkraft der Nation damit vernichteten, ist die Aus-
saugung in Japan eine zusammenhängende, Jeden gleich treffende, und nicht
aus der Laune oder Habsucht eines Herrschers entsprungen, sie ist vielmehr
ein wohlüberlegtes und in gesetzliche Formen gebrachtes politisches System.
Der Alleinherrscher duldet nicht, daß Jemand in seinem Lande reich ist, und
wenn er es nicht hindern kann, so trifft er solche Maßregeln, daß der Reiche
von seinem Gelde keinen andern Nutzen als den eines imaginären Besitzgefühls
hat. Er ist z. B. ein großer Seidenhändler und gebietet über Millionen; ne¬
ben ihm wohnt ein kleiner Krämer; Beide sind Kaufleute und gehören in die¬
selbe sociale Rangstufe; der Reiche darf sich nicht anders kleiden als sein ar¬
mer Nachbar; er darf ebensowenig Equipage halten oder reiten und hat vom
Leben nichts mehr als dieser. Die Ungleichmäßigkeit des Besitzes ist in Japan
mindestens ebenso groß als irgendwo anders; nirgends aber vielleicht auf der
ganzen bewohnten Erde besteht neben dieser Ungleichmäßigkeit eine solche Gleich¬
mäßigkeit des Lebensgenusses. Fische. Reis. Bohnen und Rüben hat der
Aermste täglich auf seiner Tafel, und der Reiche hat nicht mehr. Jeder hat
satt zu essen, denn die Lebensmittel sind reichlich vorhanden und über allen
Begriff billig. Jeder kann sein Wissen bereichern, denn er hat Zeit; da er sein
Leben leicht und billig fristen kann, so ist ihm das traurige Loos erspart, wie
ein Lastthier Jahr aus Jahr ein vom frühen Morgen bis zum späten Abend
ununterbrochen zu arbeiten; nun glaube ich, daß es in Japan keinen Men¬
schen giebt (Mann oder Weib), der nicht lesen könnte, -- und für wenige
Kupfermünzen kauft er fast jedes Buch. Jeder kann seine Leidenschaft für das
schöne Geschlecht befriedigen, denn Mädchen sind noch billiger als Bücher, und
der Staat begünstigt dieses Vergnügen. Auch die Kleidung ist einfach und
wenig kostspielig, besonders die Kleidung des Arbeiters (auf dem Lande wie
in den Städten), denn er begnügt sich fast mit der Tracht des Paradieses-
So stehen jedem Japaner, dem Höchsten wie dem Niedrigsten, dem Reichsten
Wie dem Aermsten, gleichmäßig zu Gebote: Brod, Kleidung, Wissen und
Liebe.

Wenn alle Despoten so viel gethan hätten, so würde auch bei uns viel¬
leicht kein Fluch an ihrem Namen kleben; aber ich bin den Despoten der alten


worden, und von allem Guten vielleicht das Beste für ein Volk — Brod.
Die Hauptkraft des Landes liegt im Ackerbau, der reichlich Nahrung für das
ganze Volk producirt, Die japanischen Despoten haben das xxmem et eiresirsss
besser begriffen und energischer durchgeführt als irgend einer der unsrigen.
Diese pflegten, um die Citryne. die an einem Baume glänzte, auszupressen,
den ganzen Baum niederzuschlagen; jene cultiviren und Pflegen ihn auf das
Sorgfältigste, damit er mehr Citronen trägt. Während die unsrigen confis-
cirten, brandschatzten, enorme Steuern auferlegten und eintrieben, unbeküm-
mert, ob sie die ganze Steuerkraft der Nation damit vernichteten, ist die Aus-
saugung in Japan eine zusammenhängende, Jeden gleich treffende, und nicht
aus der Laune oder Habsucht eines Herrschers entsprungen, sie ist vielmehr
ein wohlüberlegtes und in gesetzliche Formen gebrachtes politisches System.
Der Alleinherrscher duldet nicht, daß Jemand in seinem Lande reich ist, und
wenn er es nicht hindern kann, so trifft er solche Maßregeln, daß der Reiche
von seinem Gelde keinen andern Nutzen als den eines imaginären Besitzgefühls
hat. Er ist z. B. ein großer Seidenhändler und gebietet über Millionen; ne¬
ben ihm wohnt ein kleiner Krämer; Beide sind Kaufleute und gehören in die¬
selbe sociale Rangstufe; der Reiche darf sich nicht anders kleiden als sein ar¬
mer Nachbar; er darf ebensowenig Equipage halten oder reiten und hat vom
Leben nichts mehr als dieser. Die Ungleichmäßigkeit des Besitzes ist in Japan
mindestens ebenso groß als irgendwo anders; nirgends aber vielleicht auf der
ganzen bewohnten Erde besteht neben dieser Ungleichmäßigkeit eine solche Gleich¬
mäßigkeit des Lebensgenusses. Fische. Reis. Bohnen und Rüben hat der
Aermste täglich auf seiner Tafel, und der Reiche hat nicht mehr. Jeder hat
satt zu essen, denn die Lebensmittel sind reichlich vorhanden und über allen
Begriff billig. Jeder kann sein Wissen bereichern, denn er hat Zeit; da er sein
Leben leicht und billig fristen kann, so ist ihm das traurige Loos erspart, wie
ein Lastthier Jahr aus Jahr ein vom frühen Morgen bis zum späten Abend
ununterbrochen zu arbeiten; nun glaube ich, daß es in Japan keinen Men¬
schen giebt (Mann oder Weib), der nicht lesen könnte, — und für wenige
Kupfermünzen kauft er fast jedes Buch. Jeder kann seine Leidenschaft für das
schöne Geschlecht befriedigen, denn Mädchen sind noch billiger als Bücher, und
der Staat begünstigt dieses Vergnügen. Auch die Kleidung ist einfach und
wenig kostspielig, besonders die Kleidung des Arbeiters (auf dem Lande wie
in den Städten), denn er begnügt sich fast mit der Tracht des Paradieses-
So stehen jedem Japaner, dem Höchsten wie dem Niedrigsten, dem Reichsten
Wie dem Aermsten, gleichmäßig zu Gebote: Brod, Kleidung, Wissen und
Liebe.

Wenn alle Despoten so viel gethan hätten, so würde auch bei uns viel¬
leicht kein Fluch an ihrem Namen kleben; aber ich bin den Despoten der alten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/280>, abgerufen am 26.08.2024.