Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.lockendes. Wir suchten wieder das Hinterdeck auf. Die Räder hatten fleißig Von den Andern, die auch die Mütze der Offiziere trugen, wurde er we¬ Die ursprünglichste Tracht (wahrscheinlich mit Ausnahme der Mütze, die Aber in der kurzen Zeit von kaum drei Wochen schien die Unisormwuth lockendes. Wir suchten wieder das Hinterdeck auf. Die Räder hatten fleißig Von den Andern, die auch die Mütze der Offiziere trugen, wurde er we¬ Die ursprünglichste Tracht (wahrscheinlich mit Ausnahme der Mütze, die Aber in der kurzen Zeit von kaum drei Wochen schien die Unisormwuth <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0270" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/111702"/> <p xml:id="ID_859" prev="#ID_858"> lockendes. Wir suchten wieder das Hinterdeck auf. Die Räder hatten fleißig<lb/> gearbeitet, und eine kleine Brise hatte das Ihrige dazu gethan. Links sahen<lb/> wir die graublauen Konturen von Toscana und dem Kirchenstaate, rechts<lb/> dagegen hatte das Auge nur einem Anhaltspunkt, die Insel Corsika, welche<lb/> wie eine Wolke aus dem herrlich zwischen Tiefblau, Violett und Smaragd wech¬<lb/> selnden Meer auftauchte. Die nicht Seekräuter Passagiere hatte der schöne<lb/> Morgen auf's Deck gelockt, und jetzt sah ich das erste Mal einen Stabs¬<lb/> offizier des „Dsoreito msriäioirale." Leider sah ich die Uniform nicht vollständig,<lb/> sonst hätte ich in der That etwas sehr Prächtiges zu beschreiben. Der Herr<lb/> hatte nämlich in die Mitte einer recht hübschen karnrten Decke ein Loch schrei¬<lb/> ten lassen und dadurch den Kopf gesteckt. Was ich sah war also nur der un-<lb/> ter^ Theil eines Paars grauer Beinkleider mit rothen Streifen, das Ende einer<lb/> Säbelscheide, ein paar Sporen, ein Endchen von einem goldenen Koppel<lb/> und eine wahre Prachtmütze. Letztere war roth und hatte aus dem Deckel<lb/> verschiedene hübsche Verzierungen, auf den Räthen der Seitenstücke goldene<lb/> Streifen; der grüne Rand war zum größten Theil verdeckt durch eine breite<lb/> und zwei schmälere goldene Tressen, die Form des Ganzen halb französisch,<lb/> halb östreichisch. Das Herannahen einer Dame, welche durch Abnehmen<lb/> der Mütze gegrüßt wurde, ließ außer einer sorgfältigst erhaltenen Cheve-<lb/> lure auch den rothen Aermel einer Tunika oder Jacke mit rothem Aufschlag<lb/> bewundern, um welchen sich ein reicher, goldener Besatz in der Form der soge¬<lb/> nannten ungarischen Knoten schlängelte. Er war ein Neapolitaner, wie man<lb/> mir sagte, der in kurzer Zeit den Grad eines Majors erworben.</p><lb/> <p xml:id="ID_860"> Von den Andern, die auch die Mütze der Offiziere trugen, wurde er we¬<lb/> nig beachtet, ja sie fanden es nicht einmal nöthig, ihn zu grüßen. Sonder¬<lb/> bare Disciplin, dachte ich. Die Erscheinung war übrigens fade und geckenhaft.</p><lb/> <p xml:id="ID_861"> Die ursprünglichste Tracht (wahrscheinlich mit Ausnahme der Mütze, die<lb/> eine Erfindung späterer Zeit war) trug wol in seiner Garibaldi'schen Einfach¬<lb/> keit der Toscaner. Es war ein rothes Matrosenhemd, über welches das graue<lb/> Beinkleid zusammengeknüpft war, um den Leib eine blaue Schärpe und darüber<lb/> das Sübelkoppel. Die Mütze war roth mit grünem Passepoil. und zwei<lb/> schmalen silbernen Streifen um den grünen Rand, wodurch die sardinischen<lb/> oder nunmehr die italienischen Farben, grün, roth, weiß vertreten waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_862" next="#ID_863"> Aber in der kurzen Zeit von kaum drei Wochen schien die Unisormwuth<lb/> in großem Maßstabe sich entwickelt zu haben. Dort steht z. B. eine kolossale<lb/> Figur, welche vermuthlich alte Gewohnheiten in die Nähe des Appels und der<lb/> Gagezahlung gezogen haben. Er trägt einen completen Husarenanzug, kurze<lb/> graue Jacke mit schwarzen Schnüren auf der Brust und goldnen Schlin¬<lb/> gen und Knoten auf den Aermeln, graue Beinkleider mit schwarzem Passe¬<lb/> poil. Die Mütze verkündigt den Oberlieutenant. Seine Züge, welche um</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0270]
lockendes. Wir suchten wieder das Hinterdeck auf. Die Räder hatten fleißig
gearbeitet, und eine kleine Brise hatte das Ihrige dazu gethan. Links sahen
wir die graublauen Konturen von Toscana und dem Kirchenstaate, rechts
dagegen hatte das Auge nur einem Anhaltspunkt, die Insel Corsika, welche
wie eine Wolke aus dem herrlich zwischen Tiefblau, Violett und Smaragd wech¬
selnden Meer auftauchte. Die nicht Seekräuter Passagiere hatte der schöne
Morgen auf's Deck gelockt, und jetzt sah ich das erste Mal einen Stabs¬
offizier des „Dsoreito msriäioirale." Leider sah ich die Uniform nicht vollständig,
sonst hätte ich in der That etwas sehr Prächtiges zu beschreiben. Der Herr
hatte nämlich in die Mitte einer recht hübschen karnrten Decke ein Loch schrei¬
ten lassen und dadurch den Kopf gesteckt. Was ich sah war also nur der un-
ter^ Theil eines Paars grauer Beinkleider mit rothen Streifen, das Ende einer
Säbelscheide, ein paar Sporen, ein Endchen von einem goldenen Koppel
und eine wahre Prachtmütze. Letztere war roth und hatte aus dem Deckel
verschiedene hübsche Verzierungen, auf den Räthen der Seitenstücke goldene
Streifen; der grüne Rand war zum größten Theil verdeckt durch eine breite
und zwei schmälere goldene Tressen, die Form des Ganzen halb französisch,
halb östreichisch. Das Herannahen einer Dame, welche durch Abnehmen
der Mütze gegrüßt wurde, ließ außer einer sorgfältigst erhaltenen Cheve-
lure auch den rothen Aermel einer Tunika oder Jacke mit rothem Aufschlag
bewundern, um welchen sich ein reicher, goldener Besatz in der Form der soge¬
nannten ungarischen Knoten schlängelte. Er war ein Neapolitaner, wie man
mir sagte, der in kurzer Zeit den Grad eines Majors erworben.
Von den Andern, die auch die Mütze der Offiziere trugen, wurde er we¬
nig beachtet, ja sie fanden es nicht einmal nöthig, ihn zu grüßen. Sonder¬
bare Disciplin, dachte ich. Die Erscheinung war übrigens fade und geckenhaft.
Die ursprünglichste Tracht (wahrscheinlich mit Ausnahme der Mütze, die
eine Erfindung späterer Zeit war) trug wol in seiner Garibaldi'schen Einfach¬
keit der Toscaner. Es war ein rothes Matrosenhemd, über welches das graue
Beinkleid zusammengeknüpft war, um den Leib eine blaue Schärpe und darüber
das Sübelkoppel. Die Mütze war roth mit grünem Passepoil. und zwei
schmalen silbernen Streifen um den grünen Rand, wodurch die sardinischen
oder nunmehr die italienischen Farben, grün, roth, weiß vertreten waren.
Aber in der kurzen Zeit von kaum drei Wochen schien die Unisormwuth
in großem Maßstabe sich entwickelt zu haben. Dort steht z. B. eine kolossale
Figur, welche vermuthlich alte Gewohnheiten in die Nähe des Appels und der
Gagezahlung gezogen haben. Er trägt einen completen Husarenanzug, kurze
graue Jacke mit schwarzen Schnüren auf der Brust und goldnen Schlin¬
gen und Knoten auf den Aermeln, graue Beinkleider mit schwarzem Passe¬
poil. Die Mütze verkündigt den Oberlieutenant. Seine Züge, welche um
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |