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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Es unterliegt keinem Zweifel, daß Preußen seine Kriegsmarine sehr bald
nicht nur in ein richtiges Verhältniß zu seiner Handelsflotte/sondern auch zu
seiner Stellung als europäische Großmacht bringen wird.

Ohne jede Kriegsmarine >sind von allen europäische" Seestaaten nur ti.e
dem deutschen Bunde angehörigen drei Hansestädte, die drei monarchischen
Staaten Hannover. Mecklenburg und Oldenburg und der Kirchenstaat.

Jene deutschen Staaten haben zusammen eine Handelsflotte von ungefähr
800,000 Tonnen, d. h. eine Handelsflotte, welche, doppelt so groß als die
preußische oder dänische, nur wenig hinter der gescunmten französischen
zurücksteht,

Jeder einzelne dieser Staaten hat, von Oldenburg und Lübeck abgesehen,
eine Handelsmarine, welche ungefähr so groß ist, als die Rußlands, fast dop¬
pelt so groß als die Portugals, ja selbst die oldenburgischc Handelsmarine ist
noch immer größer als die Belgiens.

Wenn diese deutschen Staaten es nicht für erforderlich erachten, ihre Kü¬
sten und ihre Handelsflotte zu schützen, so kann man versucht sein, dahinter
eine tiefe Staatsweisheit zu vermuthen. Diese Vermuthung ließe sich um so
eher rechtfertigen, als wenigstens die drei alten Hansestädte, sowie die beiden
mecklenburgischen Seehäfen Rostock und Wismar eine Zeit größerer Blüthe ge¬
kannt haben und als diese bessere Zeit mit dem Besitz einer Kriegsmarine zusammen¬
fiel. -- einer Kriegsmarine, welche damals die nördlichen Meere beherrschte.

Leider aber wird die Annahme, daß die Wehrlosigkeit jener deutschen
Bundesstaaten zur See ein Ergebniß höherer politischer Reife sei, sehr ge.
schwächt. wenn man aus einen nur um zwölf Jahre entlegenen Zeitabschnitt,
zurückblickt.

Zur Zeit des dänischen Krieges sahen wi.r die Regierungen eines Theiles
dieser Staaten ängstlich bemüht, sich von dem nationalen Verbände, dem sie
angehören, loszusagen, und von dem Wunsche beseelt, eine neutrale Stellung
Mischen dem Lande, zu dem sie gehörten, und dem Feinde einzunehmen; wir sahen
dann, da diese Neutralitätsversuche scheitern mußten, dieseStaaten sämmtlich müh¬
end zweier Jahre in ihren wesentlichsten Interessen wehrlos geschädigt; wir sahen
'lire Strommündungen und Häfen, denen ein großer Theil des Weltverkehrs
""gehört, durch einzelne schlecht armirte und noch schlechter bemannte dänische
schiffe dem Weltverkehre abgesperrt, ihre Handelsschiffe von einem Feind
weggenommen, der zu den schwächsten Seeswaten Europas gehört und dessen
Handelsflotte bei dem Abfall der Herzogtümer nur um wenig größer als die
^des einzelnen wichtigeren jener Staaten war.

Wir sahen jene Staaten, weil sie das Nothwendige und Wichtige nicht ge-
^n hatten, weit größere Geldeinbußen erleiden, als wenn sie vorher ihre
Maritime Vertheidigung so geordnet hätten, wie dies von den andern euro¬
päischen Staaten zu geschehen pflegt.


Grenzboten II. 1S6I. 27

Es unterliegt keinem Zweifel, daß Preußen seine Kriegsmarine sehr bald
nicht nur in ein richtiges Verhältniß zu seiner Handelsflotte/sondern auch zu
seiner Stellung als europäische Großmacht bringen wird.

Ohne jede Kriegsmarine >sind von allen europäische» Seestaaten nur ti.e
dem deutschen Bunde angehörigen drei Hansestädte, die drei monarchischen
Staaten Hannover. Mecklenburg und Oldenburg und der Kirchenstaat.

Jene deutschen Staaten haben zusammen eine Handelsflotte von ungefähr
800,000 Tonnen, d. h. eine Handelsflotte, welche, doppelt so groß als die
preußische oder dänische, nur wenig hinter der gescunmten französischen
zurücksteht,

Jeder einzelne dieser Staaten hat, von Oldenburg und Lübeck abgesehen,
eine Handelsmarine, welche ungefähr so groß ist, als die Rußlands, fast dop¬
pelt so groß als die Portugals, ja selbst die oldenburgischc Handelsmarine ist
noch immer größer als die Belgiens.

Wenn diese deutschen Staaten es nicht für erforderlich erachten, ihre Kü¬
sten und ihre Handelsflotte zu schützen, so kann man versucht sein, dahinter
eine tiefe Staatsweisheit zu vermuthen. Diese Vermuthung ließe sich um so
eher rechtfertigen, als wenigstens die drei alten Hansestädte, sowie die beiden
mecklenburgischen Seehäfen Rostock und Wismar eine Zeit größerer Blüthe ge¬
kannt haben und als diese bessere Zeit mit dem Besitz einer Kriegsmarine zusammen¬
fiel. — einer Kriegsmarine, welche damals die nördlichen Meere beherrschte.

Leider aber wird die Annahme, daß die Wehrlosigkeit jener deutschen
Bundesstaaten zur See ein Ergebniß höherer politischer Reife sei, sehr ge.
schwächt. wenn man aus einen nur um zwölf Jahre entlegenen Zeitabschnitt,
zurückblickt.

Zur Zeit des dänischen Krieges sahen wi.r die Regierungen eines Theiles
dieser Staaten ängstlich bemüht, sich von dem nationalen Verbände, dem sie
angehören, loszusagen, und von dem Wunsche beseelt, eine neutrale Stellung
Mischen dem Lande, zu dem sie gehörten, und dem Feinde einzunehmen; wir sahen
dann, da diese Neutralitätsversuche scheitern mußten, dieseStaaten sämmtlich müh¬
end zweier Jahre in ihren wesentlichsten Interessen wehrlos geschädigt; wir sahen
'lire Strommündungen und Häfen, denen ein großer Theil des Weltverkehrs
"»gehört, durch einzelne schlecht armirte und noch schlechter bemannte dänische
schiffe dem Weltverkehre abgesperrt, ihre Handelsschiffe von einem Feind
weggenommen, der zu den schwächsten Seeswaten Europas gehört und dessen
Handelsflotte bei dem Abfall der Herzogtümer nur um wenig größer als die
^des einzelnen wichtigeren jener Staaten war.

Wir sahen jene Staaten, weil sie das Nothwendige und Wichtige nicht ge-
^n hatten, weit größere Geldeinbußen erleiden, als wenn sie vorher ihre
Maritime Vertheidigung so geordnet hätten, wie dies von den andern euro¬
päischen Staaten zu geschehen pflegt.


Grenzboten II. 1S6I. 27
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[0219] Es unterliegt keinem Zweifel, daß Preußen seine Kriegsmarine sehr bald nicht nur in ein richtiges Verhältniß zu seiner Handelsflotte/sondern auch zu seiner Stellung als europäische Großmacht bringen wird. Ohne jede Kriegsmarine >sind von allen europäische» Seestaaten nur ti.e dem deutschen Bunde angehörigen drei Hansestädte, die drei monarchischen Staaten Hannover. Mecklenburg und Oldenburg und der Kirchenstaat. Jene deutschen Staaten haben zusammen eine Handelsflotte von ungefähr 800,000 Tonnen, d. h. eine Handelsflotte, welche, doppelt so groß als die preußische oder dänische, nur wenig hinter der gescunmten französischen zurücksteht, Jeder einzelne dieser Staaten hat, von Oldenburg und Lübeck abgesehen, eine Handelsmarine, welche ungefähr so groß ist, als die Rußlands, fast dop¬ pelt so groß als die Portugals, ja selbst die oldenburgischc Handelsmarine ist noch immer größer als die Belgiens. Wenn diese deutschen Staaten es nicht für erforderlich erachten, ihre Kü¬ sten und ihre Handelsflotte zu schützen, so kann man versucht sein, dahinter eine tiefe Staatsweisheit zu vermuthen. Diese Vermuthung ließe sich um so eher rechtfertigen, als wenigstens die drei alten Hansestädte, sowie die beiden mecklenburgischen Seehäfen Rostock und Wismar eine Zeit größerer Blüthe ge¬ kannt haben und als diese bessere Zeit mit dem Besitz einer Kriegsmarine zusammen¬ fiel. — einer Kriegsmarine, welche damals die nördlichen Meere beherrschte. Leider aber wird die Annahme, daß die Wehrlosigkeit jener deutschen Bundesstaaten zur See ein Ergebniß höherer politischer Reife sei, sehr ge. schwächt. wenn man aus einen nur um zwölf Jahre entlegenen Zeitabschnitt, zurückblickt. Zur Zeit des dänischen Krieges sahen wi.r die Regierungen eines Theiles dieser Staaten ängstlich bemüht, sich von dem nationalen Verbände, dem sie angehören, loszusagen, und von dem Wunsche beseelt, eine neutrale Stellung Mischen dem Lande, zu dem sie gehörten, und dem Feinde einzunehmen; wir sahen dann, da diese Neutralitätsversuche scheitern mußten, dieseStaaten sämmtlich müh¬ end zweier Jahre in ihren wesentlichsten Interessen wehrlos geschädigt; wir sahen 'lire Strommündungen und Häfen, denen ein großer Theil des Weltverkehrs "»gehört, durch einzelne schlecht armirte und noch schlechter bemannte dänische schiffe dem Weltverkehre abgesperrt, ihre Handelsschiffe von einem Feind weggenommen, der zu den schwächsten Seeswaten Europas gehört und dessen Handelsflotte bei dem Abfall der Herzogtümer nur um wenig größer als die ^des einzelnen wichtigeren jener Staaten war. Wir sahen jene Staaten, weil sie das Nothwendige und Wichtige nicht ge- ^n hatten, weit größere Geldeinbußen erleiden, als wenn sie vorher ihre Maritime Vertheidigung so geordnet hätten, wie dies von den andern euro¬ päischen Staaten zu geschehen pflegt. Grenzboten II. 1S6I. 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/219>, abgerufen am 22.07.2024.