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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Verfügung haben. Je größer die durch eine Kriegsmarine nicht geschützte
Handelsflotte einer Nation ist. desto größer ist auch die Abhängigkeit des
Wohlstandes derjenigen Nation, welche diese Handelsflotte besitzt, von den¬
jenigen Staaten, welche zur See bewaffnet sind. Denn desto größer ist die
Summe, der Werth, welche im Falle eines Seekrieges der Vernichtung Preis
gegeben werden.

Nur eine Kriegsflotte, welche im richtigen Verhältniß zur Handelsflotte
steht, vermag einer Nation diejenige freie politische Bewegung zu sichern,
welche durch das Bewußtsein entsteht, daß sie die Vertheidigung ihres Eigenthums
wenigstens versuchen kann.

Andrerseits ist die Existenz einer Handelsflotte die natürliche Bedingung
einer Kriegsflotte. Die Bemannung der Kriegsmarine muß aus der Handels¬
flotte hervorgehen. Der Dienst auf dieser ist die Vorbereitung für den Dienst
auf den Kriegsschiffen, die Handelsflotte ist zugleich Schule und Reserve der
Kriegsflotte, und wo sie, wie in Rußland, dieses wegen ihrer Geringfügigkeit
nicht sein kann, krankt die Kriegsmarine an einer unheilbaren Schwäche.

Die nachfolgende statistische Vergleichung der Handelsflotten wird die
Frage zu beantworten dienen:

ob Deutschland einer Kriegsmarine bedarf, und

ob Deutschland die natürliche Grundlage einer Kriegsmarine besitzt.

Für Unkundige ist dem Folgenden nur noch die Bemerkung vorauszu¬
schicken, daß es bei der Handelsflotte, weil sie zum Transport bestimmt ist,
wesentlich auf die Tragfähigkeit der Schiffe ankommt. Dieselbe wird durch
die Tonnenzahl ausgedrückt. Der Tonnengehalt eines Schiffes bezeichnet, daß
das Schiff fähig ist, ein gewisses Gewicht zu tragen. Die Tonne wird zu
2000 Pfund berechnet.

Die übrigen Verhältnisse, wie die Zahl der Schiffe und der Mannschaft, stehen
mehr oder weniger mit der Tonnenzahl in Verbindung. Die Zahl der Schiffe
ist von untergeordneter Bedeutung, der Tonnengehalt ist das Entscheidende.

Es haben die Handelsflotten der einzelnen Länder folgende Tragfähigkeit:
1) England (1859) mit den Kolonien ..... 5.609.623 Tonnen
2) Nordamerika (1858).......... 5,049,807
3) Norddeutsch land (1859/60) nur Seeschiffe . . . 1,007.676
See- und Küstenschisfe")......... 1.100.000
4) Frankreich (1859) . .......... 952,000
5) Norwegen (1856)........... 621,721 "
6) Niederlande (1859)........... 5.52,725 "
7) Italien (1854. 1857/59)......... 542,423
8) Spanien (1859)........... 349,733 "


') Mit Schleswig und Holstein 1,250,000 Tonnen. -- Uebrigens sind bei fast allen auf¬
geführten Staaten die Küstenfahrer mitgerechnet.

Verfügung haben. Je größer die durch eine Kriegsmarine nicht geschützte
Handelsflotte einer Nation ist. desto größer ist auch die Abhängigkeit des
Wohlstandes derjenigen Nation, welche diese Handelsflotte besitzt, von den¬
jenigen Staaten, welche zur See bewaffnet sind. Denn desto größer ist die
Summe, der Werth, welche im Falle eines Seekrieges der Vernichtung Preis
gegeben werden.

Nur eine Kriegsflotte, welche im richtigen Verhältniß zur Handelsflotte
steht, vermag einer Nation diejenige freie politische Bewegung zu sichern,
welche durch das Bewußtsein entsteht, daß sie die Vertheidigung ihres Eigenthums
wenigstens versuchen kann.

Andrerseits ist die Existenz einer Handelsflotte die natürliche Bedingung
einer Kriegsflotte. Die Bemannung der Kriegsmarine muß aus der Handels¬
flotte hervorgehen. Der Dienst auf dieser ist die Vorbereitung für den Dienst
auf den Kriegsschiffen, die Handelsflotte ist zugleich Schule und Reserve der
Kriegsflotte, und wo sie, wie in Rußland, dieses wegen ihrer Geringfügigkeit
nicht sein kann, krankt die Kriegsmarine an einer unheilbaren Schwäche.

Die nachfolgende statistische Vergleichung der Handelsflotten wird die
Frage zu beantworten dienen:

ob Deutschland einer Kriegsmarine bedarf, und

ob Deutschland die natürliche Grundlage einer Kriegsmarine besitzt.

Für Unkundige ist dem Folgenden nur noch die Bemerkung vorauszu¬
schicken, daß es bei der Handelsflotte, weil sie zum Transport bestimmt ist,
wesentlich auf die Tragfähigkeit der Schiffe ankommt. Dieselbe wird durch
die Tonnenzahl ausgedrückt. Der Tonnengehalt eines Schiffes bezeichnet, daß
das Schiff fähig ist, ein gewisses Gewicht zu tragen. Die Tonne wird zu
2000 Pfund berechnet.

Die übrigen Verhältnisse, wie die Zahl der Schiffe und der Mannschaft, stehen
mehr oder weniger mit der Tonnenzahl in Verbindung. Die Zahl der Schiffe
ist von untergeordneter Bedeutung, der Tonnengehalt ist das Entscheidende.

Es haben die Handelsflotten der einzelnen Länder folgende Tragfähigkeit:
1) England (1859) mit den Kolonien ..... 5.609.623 Tonnen
2) Nordamerika (1858).......... 5,049,807
3) Norddeutsch land (1859/60) nur Seeschiffe . . . 1,007.676
See- und Küstenschisfe")......... 1.100.000
4) Frankreich (1859) . .......... 952,000
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8) Spanien (1859)........... 349,733 „


') Mit Schleswig und Holstein 1,250,000 Tonnen. — Uebrigens sind bei fast allen auf¬
geführten Staaten die Küstenfahrer mitgerechnet.
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[0212] Verfügung haben. Je größer die durch eine Kriegsmarine nicht geschützte Handelsflotte einer Nation ist. desto größer ist auch die Abhängigkeit des Wohlstandes derjenigen Nation, welche diese Handelsflotte besitzt, von den¬ jenigen Staaten, welche zur See bewaffnet sind. Denn desto größer ist die Summe, der Werth, welche im Falle eines Seekrieges der Vernichtung Preis gegeben werden. Nur eine Kriegsflotte, welche im richtigen Verhältniß zur Handelsflotte steht, vermag einer Nation diejenige freie politische Bewegung zu sichern, welche durch das Bewußtsein entsteht, daß sie die Vertheidigung ihres Eigenthums wenigstens versuchen kann. Andrerseits ist die Existenz einer Handelsflotte die natürliche Bedingung einer Kriegsflotte. Die Bemannung der Kriegsmarine muß aus der Handels¬ flotte hervorgehen. Der Dienst auf dieser ist die Vorbereitung für den Dienst auf den Kriegsschiffen, die Handelsflotte ist zugleich Schule und Reserve der Kriegsflotte, und wo sie, wie in Rußland, dieses wegen ihrer Geringfügigkeit nicht sein kann, krankt die Kriegsmarine an einer unheilbaren Schwäche. Die nachfolgende statistische Vergleichung der Handelsflotten wird die Frage zu beantworten dienen: ob Deutschland einer Kriegsmarine bedarf, und ob Deutschland die natürliche Grundlage einer Kriegsmarine besitzt. Für Unkundige ist dem Folgenden nur noch die Bemerkung vorauszu¬ schicken, daß es bei der Handelsflotte, weil sie zum Transport bestimmt ist, wesentlich auf die Tragfähigkeit der Schiffe ankommt. Dieselbe wird durch die Tonnenzahl ausgedrückt. Der Tonnengehalt eines Schiffes bezeichnet, daß das Schiff fähig ist, ein gewisses Gewicht zu tragen. Die Tonne wird zu 2000 Pfund berechnet. Die übrigen Verhältnisse, wie die Zahl der Schiffe und der Mannschaft, stehen mehr oder weniger mit der Tonnenzahl in Verbindung. Die Zahl der Schiffe ist von untergeordneter Bedeutung, der Tonnengehalt ist das Entscheidende. Es haben die Handelsflotten der einzelnen Länder folgende Tragfähigkeit: 1) England (1859) mit den Kolonien ..... 5.609.623 Tonnen 2) Nordamerika (1858).......... 5,049,807 3) Norddeutsch land (1859/60) nur Seeschiffe . . . 1,007.676 See- und Küstenschisfe")......... 1.100.000 4) Frankreich (1859) . .......... 952,000 5) Norwegen (1856)........... 621,721 „ 6) Niederlande (1859)........... 5.52,725 „ 7) Italien (1854. 1857/59)......... 542,423 8) Spanien (1859)........... 349,733 „ ') Mit Schleswig und Holstein 1,250,000 Tonnen. — Uebrigens sind bei fast allen auf¬ geführten Staaten die Küstenfahrer mitgerechnet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/212>, abgerufen am 25.08.2024.