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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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ist; wenn auch die preußische am wenigste dabei zu besorgen hat. Diese el.
genthümliche Stellung muß man erwägen, wenn man gegen die auswärtige
Politik Preußens nicht ungerecht sem will. Wir meinen damit namentlich sein
Verhältniß zu Italien.

Zwar qualificirt sick die Schlippcnbach'sche Angelegenheit sehr entschieden
zu einer Jnterpellation. Daß der edle Graf in seine Garnison zurückgerufen ist.
will nicht viel sagen; das Ministerium hat die Verpflichtung, dem Landtag eine offi-
cielle Erklärung darüber zu geben, was eigentlich vorgefallen ist. Wie das Gerücht
erzählt, hat ein Mitglied der preußischen Diplomatie sich in Intriguen eingelassen,
welche Preußen wenn nicht in einen Krieg verwickeln, doch in die unangenehmste
Lage hätten versetzen können. Das Ministerium hat nun dem Landtag zu er¬
klären, was an diesem Gerücht währ ist, und durch welche Strafe es -- die
Wahrheit vorausgesetzt -- künftigen Uebertretungen vorzubeugen gedenkt. Wenn
Lord John in Bezug auf diesen Fall eine ähnliche Note an Preußen gerichtet
hätte, wie in der Macdonald'schen Sache* so wäre es hart für Preußen.

Aber das Verlangen, die preußische Negierung solle das neue Königreich
Italien in einer feierlicheren Weise anerkennen als bereits geschehen, finden
wir ungerecht. Die Gründe, welche England und die Schweiz dazu bestimmt
haben, sind für Preußen nicht stichhaltig. Wir hegen die wärmsten Sympa¬
thien für Italien, aber für jetzt besteht der Staat nur ac Kredo, uicht
M-e. vo Krcito läßt Preußen die Negierung des König Victor Emanuel in
Neapel, in Florenz, überall gelten, wie es auch in der Ordnung ist; die Ti¬
tulatur bietet keine Schwierigkeiten, denn will man Victor Emanuel weder
König von Italien noch König von Sardinien nennen, so kann man ihn ein¬
fach als König Victor Emanuel bezeichnen, unter welcher Adresse ja auch die
französischen Briefe ankommen. -- Aber eine Anerkennung des Königreichs
Italien ne M-e, d.' h. eine Anerkennung der Occupation von Toscana uno
Modena. gegen welche Oestreich und theilweise auch Frankreich Protest ein¬
gelegt haben: eine solche Anerkennung ist ein Schritt, den man nicht beiläu¬
fig thut; es ist ein Schritt, durch welchen man in dem über kurz oder lang
bevorstehenden Conflict bereits Partei nähme. So lange sich die preußische
Regierung dazu nicht entschlossen hat - und noch scheinen auch uns die Ver¬
hältnisse lange nicht dazu geeignet zu sem -- darf man ihr nicht zumuthen.
einen Schritt zu thun, den sie nachher zurück nehmen müßte.

Das Königreich Italien hat gegenwärtig seine Probe zu bestehen; es
bat zunächst seine wirkliche Existenz zu beweisen: das Recht zur Existenz wird
später finden. Seine Existenz beweist es nicht dadurch, daß es die Kricgs-
f"ekel entzündet, sondern daß es das. was es bereits behauptet, wirklich re-
K'ut. Wenn die Nation im Verein mit dem König Kraft genug zeigt, das
südliche Italien zu organisiren und sowol die Banden der Bourbons als die


ist; wenn auch die preußische am wenigste dabei zu besorgen hat. Diese el.
genthümliche Stellung muß man erwägen, wenn man gegen die auswärtige
Politik Preußens nicht ungerecht sem will. Wir meinen damit namentlich sein
Verhältniß zu Italien.

Zwar qualificirt sick die Schlippcnbach'sche Angelegenheit sehr entschieden
zu einer Jnterpellation. Daß der edle Graf in seine Garnison zurückgerufen ist.
will nicht viel sagen; das Ministerium hat die Verpflichtung, dem Landtag eine offi-
cielle Erklärung darüber zu geben, was eigentlich vorgefallen ist. Wie das Gerücht
erzählt, hat ein Mitglied der preußischen Diplomatie sich in Intriguen eingelassen,
welche Preußen wenn nicht in einen Krieg verwickeln, doch in die unangenehmste
Lage hätten versetzen können. Das Ministerium hat nun dem Landtag zu er¬
klären, was an diesem Gerücht währ ist, und durch welche Strafe es — die
Wahrheit vorausgesetzt — künftigen Uebertretungen vorzubeugen gedenkt. Wenn
Lord John in Bezug auf diesen Fall eine ähnliche Note an Preußen gerichtet
hätte, wie in der Macdonald'schen Sache* so wäre es hart für Preußen.

Aber das Verlangen, die preußische Negierung solle das neue Königreich
Italien in einer feierlicheren Weise anerkennen als bereits geschehen, finden
wir ungerecht. Die Gründe, welche England und die Schweiz dazu bestimmt
haben, sind für Preußen nicht stichhaltig. Wir hegen die wärmsten Sympa¬
thien für Italien, aber für jetzt besteht der Staat nur ac Kredo, uicht
M-e. vo Krcito läßt Preußen die Negierung des König Victor Emanuel in
Neapel, in Florenz, überall gelten, wie es auch in der Ordnung ist; die Ti¬
tulatur bietet keine Schwierigkeiten, denn will man Victor Emanuel weder
König von Italien noch König von Sardinien nennen, so kann man ihn ein¬
fach als König Victor Emanuel bezeichnen, unter welcher Adresse ja auch die
französischen Briefe ankommen. — Aber eine Anerkennung des Königreichs
Italien ne M-e, d.' h. eine Anerkennung der Occupation von Toscana uno
Modena. gegen welche Oestreich und theilweise auch Frankreich Protest ein¬
gelegt haben: eine solche Anerkennung ist ein Schritt, den man nicht beiläu¬
fig thut; es ist ein Schritt, durch welchen man in dem über kurz oder lang
bevorstehenden Conflict bereits Partei nähme. So lange sich die preußische
Regierung dazu nicht entschlossen hat - und noch scheinen auch uns die Ver¬
hältnisse lange nicht dazu geeignet zu sem — darf man ihr nicht zumuthen.
einen Schritt zu thun, den sie nachher zurück nehmen müßte.

Das Königreich Italien hat gegenwärtig seine Probe zu bestehen; es
bat zunächst seine wirkliche Existenz zu beweisen: das Recht zur Existenz wird
später finden. Seine Existenz beweist es nicht dadurch, daß es die Kricgs-
f"ekel entzündet, sondern daß es das. was es bereits behauptet, wirklich re-
K'ut. Wenn die Nation im Verein mit dem König Kraft genug zeigt, das
südliche Italien zu organisiren und sowol die Banden der Bourbons als die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/209>, abgerufen am 25.08.2024.