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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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war -- drei Stunden lang alle Qualen der Tortur ertrug. Er wandte sich
an den Kaiser und bat für sich und seine Frau und kleinen Kinder um Er¬
barmen, aber er fand es nicht. Sein Urtheil erschien im Namen des Kaisers,
doch ohne dessen Unterschrift: "da die Tortur schon geschehen, solle man
ihm nicht, wie angetragen worden, vor der Enthauptung noch die rechte Hand
abhauen, aber er ohne Aufenthalt hingerichtet werden." Seine Richter, welche
aus dem General Götz als Präsidenten, C. Slowata, Dr. Stralendorf,
Hildebrand, Dr. Puchner und Dr. Pindelmaier bestanden, beantragten darauf
beim Kaiser eine zweite Tortur: "da er in eventum schon zum Tode verur-
theilt, dem Kaiser daran gelegen sein müsse, ein Mehreres zu erfahren und
da er außerdem als Verurteilter schon Sklave der Strafe und als ein (Ä-
äirver inorwuin zu betrachten sei, so könne er gar wol vor der Execution noch
torquirt werden." Der protestantische Geistliche Donauer, der ihn zu seinem
Ende vorbereitete, beschrieb ihn also: "Er war eine überaus schöne lange Per¬
son, holdselig und liebreich in Worten und Geberden, wol und trefflich gereiset.
Es sind ihm auch viele Bücher dedicirt worden, darinnen er xrineexs Mvoa"
tutis Mi'M!mil:a,L genannt wird." Die Hinrichtung Schaafgotsches fand am
23. Juli 1635 Bormittags auf der Haid statt. Von jenem Zimmer des Rath¬
hauses, welches jetzt als Bureau des k. Aufschlagamtes dient und Schaafgot¬
sches Ärrcstlokal war, trat dieser Unglückliche seinen letzten Gang an. Er starb
standhaft, eben so unschuldig, wie Christus am Kreuze. Dann wurde der
Leichnam im südlichen Vorplatze der protestantischen Dreieinigkeitskirche beer¬
digt. Diesen Platz bezeichnete ehedem ein kleiner Sandstein mit seinem Wap¬
pen und den Anfangsbuchstaben II. II. 8. (Hans Ulrich Schaafgotsche); später
verschwand derselbe bei einer Reparatur und Niemand weiß nun die letzte
Ruhestätte des Geberals zu bezeichnen.

Einen im Jahr 1K47 verhörten Genuesen, der trotz jeglicher Tortur
Alles leugnete, brachte man nur dadurch zum Geständnisse, daß man ihm zu¬
muthete, sich in einen eisernen, glühend gemachten Armsessel, weicher voller
spitziger Zinken war, zu setzen. Da fing er dann an zu bekennen, daß er
über fünfzig Morde begangen und daß er sich auch noch an die Erzherzöge
habe machen wollen. Vom Rathhause wurde dieser Fremdling, der sonst
ein Dr. .juris war, nach Linz abgeführt.

Wegen eines armen Geschöpfes -- gemeinhin das Mausmägdlein ge¬
nannt -- konnten sich Juristen und Theologen nicht einigen, ob mau sie
mit dem Tode bestrafen solle oder nicht. Dieser Streitigkeiten, welche fast
ein ganzes Jahr gedauert hatten, müde, ließ sie der Rath nach und "ach
verkommen. Sie sollte allerlei Zauberei getrieben, Liebcstränklein für Männer
und Fraucii gekocht, Jungfrauen ihre Erwählten im Spiegel gezeigt und' der¬
gleichen mehr verübt haben. Da sie während ihrer Haft zeitweise sang'


war — drei Stunden lang alle Qualen der Tortur ertrug. Er wandte sich
an den Kaiser und bat für sich und seine Frau und kleinen Kinder um Er¬
barmen, aber er fand es nicht. Sein Urtheil erschien im Namen des Kaisers,
doch ohne dessen Unterschrift: „da die Tortur schon geschehen, solle man
ihm nicht, wie angetragen worden, vor der Enthauptung noch die rechte Hand
abhauen, aber er ohne Aufenthalt hingerichtet werden." Seine Richter, welche
aus dem General Götz als Präsidenten, C. Slowata, Dr. Stralendorf,
Hildebrand, Dr. Puchner und Dr. Pindelmaier bestanden, beantragten darauf
beim Kaiser eine zweite Tortur: „da er in eventum schon zum Tode verur-
theilt, dem Kaiser daran gelegen sein müsse, ein Mehreres zu erfahren und
da er außerdem als Verurteilter schon Sklave der Strafe und als ein (Ä-
äirver inorwuin zu betrachten sei, so könne er gar wol vor der Execution noch
torquirt werden." Der protestantische Geistliche Donauer, der ihn zu seinem
Ende vorbereitete, beschrieb ihn also: „Er war eine überaus schöne lange Per¬
son, holdselig und liebreich in Worten und Geberden, wol und trefflich gereiset.
Es sind ihm auch viele Bücher dedicirt worden, darinnen er xrineexs Mvoa»
tutis Mi'M!mil:a,L genannt wird." Die Hinrichtung Schaafgotsches fand am
23. Juli 1635 Bormittags auf der Haid statt. Von jenem Zimmer des Rath¬
hauses, welches jetzt als Bureau des k. Aufschlagamtes dient und Schaafgot¬
sches Ärrcstlokal war, trat dieser Unglückliche seinen letzten Gang an. Er starb
standhaft, eben so unschuldig, wie Christus am Kreuze. Dann wurde der
Leichnam im südlichen Vorplatze der protestantischen Dreieinigkeitskirche beer¬
digt. Diesen Platz bezeichnete ehedem ein kleiner Sandstein mit seinem Wap¬
pen und den Anfangsbuchstaben II. II. 8. (Hans Ulrich Schaafgotsche); später
verschwand derselbe bei einer Reparatur und Niemand weiß nun die letzte
Ruhestätte des Geberals zu bezeichnen.

Einen im Jahr 1K47 verhörten Genuesen, der trotz jeglicher Tortur
Alles leugnete, brachte man nur dadurch zum Geständnisse, daß man ihm zu¬
muthete, sich in einen eisernen, glühend gemachten Armsessel, weicher voller
spitziger Zinken war, zu setzen. Da fing er dann an zu bekennen, daß er
über fünfzig Morde begangen und daß er sich auch noch an die Erzherzöge
habe machen wollen. Vom Rathhause wurde dieser Fremdling, der sonst
ein Dr. .juris war, nach Linz abgeführt.

Wegen eines armen Geschöpfes — gemeinhin das Mausmägdlein ge¬
nannt — konnten sich Juristen und Theologen nicht einigen, ob mau sie
mit dem Tode bestrafen solle oder nicht. Dieser Streitigkeiten, welche fast
ein ganzes Jahr gedauert hatten, müde, ließ sie der Rath nach und »ach
verkommen. Sie sollte allerlei Zauberei getrieben, Liebcstränklein für Männer
und Fraucii gekocht, Jungfrauen ihre Erwählten im Spiegel gezeigt und' der¬
gleichen mehr verübt haben. Da sie während ihrer Haft zeitweise sang'


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[0204] war — drei Stunden lang alle Qualen der Tortur ertrug. Er wandte sich an den Kaiser und bat für sich und seine Frau und kleinen Kinder um Er¬ barmen, aber er fand es nicht. Sein Urtheil erschien im Namen des Kaisers, doch ohne dessen Unterschrift: „da die Tortur schon geschehen, solle man ihm nicht, wie angetragen worden, vor der Enthauptung noch die rechte Hand abhauen, aber er ohne Aufenthalt hingerichtet werden." Seine Richter, welche aus dem General Götz als Präsidenten, C. Slowata, Dr. Stralendorf, Hildebrand, Dr. Puchner und Dr. Pindelmaier bestanden, beantragten darauf beim Kaiser eine zweite Tortur: „da er in eventum schon zum Tode verur- theilt, dem Kaiser daran gelegen sein müsse, ein Mehreres zu erfahren und da er außerdem als Verurteilter schon Sklave der Strafe und als ein (Ä- äirver inorwuin zu betrachten sei, so könne er gar wol vor der Execution noch torquirt werden." Der protestantische Geistliche Donauer, der ihn zu seinem Ende vorbereitete, beschrieb ihn also: „Er war eine überaus schöne lange Per¬ son, holdselig und liebreich in Worten und Geberden, wol und trefflich gereiset. Es sind ihm auch viele Bücher dedicirt worden, darinnen er xrineexs Mvoa» tutis Mi'M!mil:a,L genannt wird." Die Hinrichtung Schaafgotsches fand am 23. Juli 1635 Bormittags auf der Haid statt. Von jenem Zimmer des Rath¬ hauses, welches jetzt als Bureau des k. Aufschlagamtes dient und Schaafgot¬ sches Ärrcstlokal war, trat dieser Unglückliche seinen letzten Gang an. Er starb standhaft, eben so unschuldig, wie Christus am Kreuze. Dann wurde der Leichnam im südlichen Vorplatze der protestantischen Dreieinigkeitskirche beer¬ digt. Diesen Platz bezeichnete ehedem ein kleiner Sandstein mit seinem Wap¬ pen und den Anfangsbuchstaben II. II. 8. (Hans Ulrich Schaafgotsche); später verschwand derselbe bei einer Reparatur und Niemand weiß nun die letzte Ruhestätte des Geberals zu bezeichnen. Einen im Jahr 1K47 verhörten Genuesen, der trotz jeglicher Tortur Alles leugnete, brachte man nur dadurch zum Geständnisse, daß man ihm zu¬ muthete, sich in einen eisernen, glühend gemachten Armsessel, weicher voller spitziger Zinken war, zu setzen. Da fing er dann an zu bekennen, daß er über fünfzig Morde begangen und daß er sich auch noch an die Erzherzöge habe machen wollen. Vom Rathhause wurde dieser Fremdling, der sonst ein Dr. .juris war, nach Linz abgeführt. Wegen eines armen Geschöpfes — gemeinhin das Mausmägdlein ge¬ nannt — konnten sich Juristen und Theologen nicht einigen, ob mau sie mit dem Tode bestrafen solle oder nicht. Dieser Streitigkeiten, welche fast ein ganzes Jahr gedauert hatten, müde, ließ sie der Rath nach und »ach verkommen. Sie sollte allerlei Zauberei getrieben, Liebcstränklein für Männer und Fraucii gekocht, Jungfrauen ihre Erwählten im Spiegel gezeigt und' der¬ gleichen mehr verübt haben. Da sie während ihrer Haft zeitweise sang'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/204>, abgerufen am 22.07.2024.