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Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band.

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Konstantinopel besser gestellt gewesen wären, so widerspricht dem schlagend
das Beispiel des berühmten Redners Themistius, der von sich selbst öffentlich
gestanden hat, daß er 200 Medimnen -- 1200 ron. Scheffel -- 20 Ammonem
aus den kaiserlichen Getrcidemagazinen in Konstantinopel bezog. Zwar er¬
hielt derselbe Gelehrte noch 200 Kruge Oel geliefert; aber seinen Walzen
theilte er haufenweise an arme Studenten aus, und wenn er also nicht außer
dem Getreide vom Staate noch klingendes Honorar und Collegiengelder von
seinen Zuhörern bekommen hätte, so hätte er schwerlich den Neid seiner
Widersacher erregen können und vielleicht mit Juvenal geklagt: "Viele schon
rente die Wahl des gewinnlosen, eiteln Katheders!" So aber sagt er selbst,
daß er von einigen Schülern mit einer Mine (25 Thlr.), von andern mit dem
Doppelten, wieder von anderen mit einem Talente (wahrscheinlich für den ganzen
Cursus) honorirt wurde. Während die Privatlehrer in ihren Forderungen
unbeschränkt waren und vor dem Unterrichte jedenfalls stets ein Uebereinkommen
mit ihren Zuhörern trafen, läßt es sich kaum anders denken, als daß die
wirklichen Professoren, die ihre Vorlesungen öffentlich halten mußten, ihre
Collegiengelder in bestimmter Minimalhöhe ansetzten und dann je nach dem
Vermögen auch reichlicher bezahlt wurden. Denn daß man überhaupt das Honorar
mehr als wirklichen Ehrensold betrachtete, ergibt sich auch aus der Meinung
des Rechtsgelehrten Ulpian über die juristische Geltung der Honorarfvrdernngen.
Die Provinzialstatthalter sollten nach ihm nur den Rheroren, Grammatikern und
Mathematikern wegen des Collegiengeldes Recht sprechen; die Philosophen
nimmt er aus, weil sie vor allen Andern zeigen müßten, daß sie jede Lohn¬
arbeit verachteten. Aber auch die Professoren des Rechts sollten nicht klagen,
weil die richterliche Weisheit eine zu heilige Sache sei, als daß sie nach Gel-
deswerth abgeschätzt oder dadurch entehrt werden dürfte. Denn man könne
gewisse Dinge anständiger Weise annehmen, ohne sie mit Anstand fordern zu
können. Man sieht, daß das altrömische, aristokratische Vorurtheil gegen jeden
Lohndienst auch hierin noch fortwirkte. Weniger zart verfuhr jener Lehrer,
der!, wie Lucian erzählt, einen Schüler, der nicht zu rechter Zeit sein Schul¬
geld entrichtet hatte, beim Gewände am Halse packte, vor Gericht schleppte
und -vor Zorn und Aerger so außer sich kam, daß er ihm die Nase abgebissen
Hütte, wenn der Jüngling nicht von einigen Kameraden seinen Händen ent¬
rissen worden wäre! Freilich suchten auch die Studirenden die Honorarzahlung
zuweilen zu umgehen, und besonders >n Rom machte Augustin die unange¬
nehme Erfahrung, daß viele seiner Zuhörer sich förmlich verschworen und
plötzlich gegen Ende des Cursus aus Scheu vor der Zahlung zu andern Pn"
fessoren überliefen!

Was endlich das Verhältniß zwischen Lehrern und Lernenden betrifft,
so war es ein näheres und persönlicheres als aus den Akademien unserer


Konstantinopel besser gestellt gewesen wären, so widerspricht dem schlagend
das Beispiel des berühmten Redners Themistius, der von sich selbst öffentlich
gestanden hat, daß er 200 Medimnen — 1200 ron. Scheffel — 20 Ammonem
aus den kaiserlichen Getrcidemagazinen in Konstantinopel bezog. Zwar er¬
hielt derselbe Gelehrte noch 200 Kruge Oel geliefert; aber seinen Walzen
theilte er haufenweise an arme Studenten aus, und wenn er also nicht außer
dem Getreide vom Staate noch klingendes Honorar und Collegiengelder von
seinen Zuhörern bekommen hätte, so hätte er schwerlich den Neid seiner
Widersacher erregen können und vielleicht mit Juvenal geklagt: „Viele schon
rente die Wahl des gewinnlosen, eiteln Katheders!" So aber sagt er selbst,
daß er von einigen Schülern mit einer Mine (25 Thlr.), von andern mit dem
Doppelten, wieder von anderen mit einem Talente (wahrscheinlich für den ganzen
Cursus) honorirt wurde. Während die Privatlehrer in ihren Forderungen
unbeschränkt waren und vor dem Unterrichte jedenfalls stets ein Uebereinkommen
mit ihren Zuhörern trafen, läßt es sich kaum anders denken, als daß die
wirklichen Professoren, die ihre Vorlesungen öffentlich halten mußten, ihre
Collegiengelder in bestimmter Minimalhöhe ansetzten und dann je nach dem
Vermögen auch reichlicher bezahlt wurden. Denn daß man überhaupt das Honorar
mehr als wirklichen Ehrensold betrachtete, ergibt sich auch aus der Meinung
des Rechtsgelehrten Ulpian über die juristische Geltung der Honorarfvrdernngen.
Die Provinzialstatthalter sollten nach ihm nur den Rheroren, Grammatikern und
Mathematikern wegen des Collegiengeldes Recht sprechen; die Philosophen
nimmt er aus, weil sie vor allen Andern zeigen müßten, daß sie jede Lohn¬
arbeit verachteten. Aber auch die Professoren des Rechts sollten nicht klagen,
weil die richterliche Weisheit eine zu heilige Sache sei, als daß sie nach Gel-
deswerth abgeschätzt oder dadurch entehrt werden dürfte. Denn man könne
gewisse Dinge anständiger Weise annehmen, ohne sie mit Anstand fordern zu
können. Man sieht, daß das altrömische, aristokratische Vorurtheil gegen jeden
Lohndienst auch hierin noch fortwirkte. Weniger zart verfuhr jener Lehrer,
der!, wie Lucian erzählt, einen Schüler, der nicht zu rechter Zeit sein Schul¬
geld entrichtet hatte, beim Gewände am Halse packte, vor Gericht schleppte
und -vor Zorn und Aerger so außer sich kam, daß er ihm die Nase abgebissen
Hütte, wenn der Jüngling nicht von einigen Kameraden seinen Händen ent¬
rissen worden wäre! Freilich suchten auch die Studirenden die Honorarzahlung
zuweilen zu umgehen, und besonders >n Rom machte Augustin die unange¬
nehme Erfahrung, daß viele seiner Zuhörer sich förmlich verschworen und
plötzlich gegen Ende des Cursus aus Scheu vor der Zahlung zu andern Pn"
fessoren überliefen!

Was endlich das Verhältniß zwischen Lehrern und Lernenden betrifft,
so war es ein näheres und persönlicheres als aus den Akademien unserer


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[0188] Konstantinopel besser gestellt gewesen wären, so widerspricht dem schlagend das Beispiel des berühmten Redners Themistius, der von sich selbst öffentlich gestanden hat, daß er 200 Medimnen — 1200 ron. Scheffel — 20 Ammonem aus den kaiserlichen Getrcidemagazinen in Konstantinopel bezog. Zwar er¬ hielt derselbe Gelehrte noch 200 Kruge Oel geliefert; aber seinen Walzen theilte er haufenweise an arme Studenten aus, und wenn er also nicht außer dem Getreide vom Staate noch klingendes Honorar und Collegiengelder von seinen Zuhörern bekommen hätte, so hätte er schwerlich den Neid seiner Widersacher erregen können und vielleicht mit Juvenal geklagt: „Viele schon rente die Wahl des gewinnlosen, eiteln Katheders!" So aber sagt er selbst, daß er von einigen Schülern mit einer Mine (25 Thlr.), von andern mit dem Doppelten, wieder von anderen mit einem Talente (wahrscheinlich für den ganzen Cursus) honorirt wurde. Während die Privatlehrer in ihren Forderungen unbeschränkt waren und vor dem Unterrichte jedenfalls stets ein Uebereinkommen mit ihren Zuhörern trafen, läßt es sich kaum anders denken, als daß die wirklichen Professoren, die ihre Vorlesungen öffentlich halten mußten, ihre Collegiengelder in bestimmter Minimalhöhe ansetzten und dann je nach dem Vermögen auch reichlicher bezahlt wurden. Denn daß man überhaupt das Honorar mehr als wirklichen Ehrensold betrachtete, ergibt sich auch aus der Meinung des Rechtsgelehrten Ulpian über die juristische Geltung der Honorarfvrdernngen. Die Provinzialstatthalter sollten nach ihm nur den Rheroren, Grammatikern und Mathematikern wegen des Collegiengeldes Recht sprechen; die Philosophen nimmt er aus, weil sie vor allen Andern zeigen müßten, daß sie jede Lohn¬ arbeit verachteten. Aber auch die Professoren des Rechts sollten nicht klagen, weil die richterliche Weisheit eine zu heilige Sache sei, als daß sie nach Gel- deswerth abgeschätzt oder dadurch entehrt werden dürfte. Denn man könne gewisse Dinge anständiger Weise annehmen, ohne sie mit Anstand fordern zu können. Man sieht, daß das altrömische, aristokratische Vorurtheil gegen jeden Lohndienst auch hierin noch fortwirkte. Weniger zart verfuhr jener Lehrer, der!, wie Lucian erzählt, einen Schüler, der nicht zu rechter Zeit sein Schul¬ geld entrichtet hatte, beim Gewände am Halse packte, vor Gericht schleppte und -vor Zorn und Aerger so außer sich kam, daß er ihm die Nase abgebissen Hütte, wenn der Jüngling nicht von einigen Kameraden seinen Händen ent¬ rissen worden wäre! Freilich suchten auch die Studirenden die Honorarzahlung zuweilen zu umgehen, und besonders >n Rom machte Augustin die unange¬ nehme Erfahrung, daß viele seiner Zuhörer sich förmlich verschworen und plötzlich gegen Ende des Cursus aus Scheu vor der Zahlung zu andern Pn" fessoren überliefen! Was endlich das Verhältniß zwischen Lehrern und Lernenden betrifft, so war es ein näheres und persönlicheres als aus den Akademien unserer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 20, 1861, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341793_111431/188>, abgerufen am 22.07.2024.